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[1] Die Rüge
solcher
Anmaslichkeiten, welche durch Antastung
fremder Einzelschaft (Individualität) die heilig = deutsche Freiheit in
Wort
und Schrift mit Willkür gefährden, wird allezeit ihrer Isis
Vorkämpferin würdig
seyn, die, als Blat des Tages Altag = Gebrechen niederreden wil und
auch im
Folgenden die allgemeinsame Wahrheit anerkennen mus. –
Auf
dem Krankenlager hatte mir im Frühlinge 1816 ein
Jugendfreund allerlei Lieder
abgetragen, mit so scherzhaft genommenen Verheisungen des
Unterbringens, das
meine Freude nicht eben von Herzen ging, als später selbiger die
Meldung: B.d.l.M.Fouqué
lasse mir den freudigsten
Dank für meine Dichtungen sagen“ usw.
durch folgende Handschrift beglaubigte:
Nennhausen bei Rathenow, am
29ten Jun. 1816.
In
der Voraussetzung, daß Ihr Freund vielleicht die wenigen von mir nicht
aufgenommenen Lieder anderwärts gebrauchen will, sende ich Ihnen
selbige
zurück, und zugleich das Verzeichnis von dem, was ich für das
Frauentaschenbuch
1818 behalten habe.
1.
Der Tausch.
2. Das noch
unbenannte Lied: Das sind nun viele
Tage. (Will es Ihr
Freund benennen oder soll ich auf eine Überschrift sinnen?) 3. Waldo’s Tod. 4. Frauenlob. 5. Während
der
Schlacht bey Lützen. (Die Thränen halte ich einer Misdeutung
fähig, und
kann sie daher nicht aufnehmen, zurücksenden aber auch nicht, weil sie
den
anderen Dichtungen eingefügt sind, und mir zum Abschreiben die Zeit
fehlt). 6. Der Gottesbaum.
Es
freut mich hinzusetzen zu können, daß mich diese Lieder recht erquickt
haben,
und daß ich glaube, dem Dich=[2]ter hohes und
fröhliches gelingen prophezeyen zu dürfen. Wenn er sich nicht nennen
will, so
bitte ich Sie, mir zu bestimmen, welchen Buchstab oder angenommenen
Namen er
zur Unterschrift erwählt. – Es wird mir angenehm sein, wenn auch
Sie
mich mit
einigen Liedern für den nächstfolgenden Jahrgang erfreuen wollen.
Achtungsvoll
Friedrich
Baron
de la Motte
Fouqué.
Dies
veranlaßte mich, Folgendes an Ihn zu schreiben, noch
*
*
*
im Juni 1817.
„Durch
meinen Freund G[e]b[aue]r sind mir einige sehr
erfreuliche Zeilen von Ihrer Hand
zugekommen,
woraus ich die
Aufnahme einiger von meinen Liedern ins
Frauentaschenbuch für 1818 und Ihr gütiges Urtheil darüber ersah. Da
sie
zugleich Fragen enthielten, und mein Freund ohne Vorwissen wählte, so
ergreif‘
ich mit Freuden diesen Anlas, Ihnen, selbst antwortend, auch einen
kleinen
Theil des Dankes abzutragen, wozu ich mich dem Heldensänger für so
manchen herlichen
Genus verpflichtet fühle, was früher zu thun die Besorgnis mich
abhielt, das
dergleichen Zuschriften wol oft zu den Drangsalen eines gefeierten
Namens
gehören möchten.
–
Ich verdanke der Kunst die reinsten Lebensfreuden und wo möglich noch
Edleres,
und wenn die mannichfaltigen Verhältnisse, worin ich leben muste, den
stätigen
Fortschritt zu freudiger Liebesthat fast nie begünstigten: so konnte
doch weder
Hohn noch Hemmung mir die Liebe zur Sache und die unbefangene Freude an
der
Kunst ertödten.
[3]
Wie wenig
ich selbst meine
Versuche überschätze, möge
das Gestrichene beurkunden. Auch das Eingelegte geb‘ ich nur als
Lückenbüser,
besonders das Sonnet, welches blos eine Gesinnung aussprechen wil.
Durch
redlichste Bestrebung das Lob eines so freundlichen Meisters einst ganz
zu
verdienen, ist der innige Wunsch von
Ew. Hochwolgeb.
dankbar
ergebenem Verehrer
*
* * “
Hier
endete das erste Briefblat und A.
und B. der Beilage waren also zwischengelegt, das
beim Herausnehmen das
Rückblat mit dem Gestrichenen und Benanten in die Augen fiel, dessen
Nichtübersehen die urkundlich
=
verschiedene Unterzeichnung des (sehr fehlerhaft) Abgedruckten beweist;
nur das
der unbewuste Titel Tausch
nicht
gestrichen sein konnte.
Stat
einer, nicht erfolgten, Antwort, stehe aus meinem Briefe an einen
berliner
Gelehrten das hier Gehörige:
„Dresden
am 15ten Sptbr. 1819.
.... Erst heute ist mir das
Frauentaschenbuch auf 1818 zu Handen gekommen. Ich wage deshalb die
Bitte,
dafern Sie mit dem Baron de la Motte Fouqué mittel = oder unmittelbar
in
Berührung kämen, denselben wissen zu lassen, das er nie etwas als von
mir
Eingesandtes, weder in seinen Taschen = noch anderen Büchern, auch im
nächsten
Jahrgange nicht, soll abdrucken lassen,
1.
weil ich ihn ursprünglich nicht selbst darum ersucht, indem G[e]b[aue]r ohne mein
Vorwissen den Vermittler gemacht hat.
2.
Weil es bei selbständiger Bildung sehr jüngerhaft herauskomt, wenn das
Mittelmäsigste zuerst gegeben, das Bessere 3 Jahre und länger
zurückbehalten
wird, da man die Spenden eines jungen Dichters, der auftreten wil,
entweder
ablehnt oder fördert.
3.
Weil mein erster Blick auf ein paar Machereien fiel (Frauenlob, dieses
versprach ich in einer des Stoffes würdigeren Form nachzuliefern! und
Tausch),
die ich nie anerkant, die eine nicht einmal betitelt hatte, und deren
nur
muthmasliche Mitheilung ich durch einen,
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an F. besonders gerichteten
Brief, mit
allen Formeln herkömlicher Höflichkeit und Beisendung zweier ächteren
Stücke,
deren eines in volkthümlich = antiker Form wenigstens neu war, abwenden
wolte;
so das ich den Abdruck gerade dieser beiden als absichtlich betrachten
mus; für
welche Niedrigkeit (dieselbe vorausgesetzt) ich dem Hrn. Baron usw. d.l.M.F. mit wahrer Seelenruhe,
wenn er vor
mir gestanden hätte, eine deutsch = derbe Ohrfeige würde versetzt
haben: nicht
als ob dieser Mann auf solche Art mich beleidigen könte, was ihm
unmöglich,
sondern weil es frech ist und schlecht, oder doch ein starker Dumdünkel
dazu
gehört, mit
dem Eigensten, was
ein Mensch geben kan, wilkürlich zu
schalten,
zumal da ich zumeist persönliche Misdeutungen, die meiner unwürdig
sind, damit
vermeiden wolte. Aus lezterer Rücksicht ist es mein inniger Wunsch, das
Sie das
Historische der Sache in Ihrer deutschen Gesellschaft, sobald
gelegentlich
meiner Ankündigung (Rhythmik) auf meine Wenigkeit die Rede kommt,
erwähnen
möchten: wenn Sie wollen, durch Vorlesung des ganzen Briefs; den dieses
Sitliche allein war so viel Dinte werth usw.....“
[4] Die Objektivität einer Isis
kan den sitlichen Glimpf
eines solchen Dafern nicht
verkümmern
wollen.
Den
das mittelmäsig Versuchte beschämt zwar
keinen Kunstjünger,
doch
welcher Zeichner fast, was die müssig probende Hand hinspielte, in Glas
und
Rahmen, um Freunden oder – Feinden damit weh zu thun? –
Demnach
muß ich ein paar Beurtheilungen, die ich seitdem über F. mitzugeben
mich
veranlaßt fand, erwähnen, weil ich glauben mus, es habe Austragung und
Misdeutelung derselben hier nachtheilig auf mich zurückgewürkt; auch
weil sie
eine Hindeutung auf Nr. II. enthalten.
Ich gebe den geschichtlichen Zusammenhang.
1..... Als nun mit Kant die Philosophie algemeine
Richtung der deutschen Bildung
wurde, da reflektirten unsre Dichter nach Herzenslust, zum großen
Aergernis
jener blos empirischen Schilderer. Andere, die klüger waren, suchten
beides zu
vereinigen; sie combinirten, allegorisirten, mythisirten nach Kräften,
und
meinten so die Poesie gleichsam zusammenzusetzen; und von aussen zu finden, was man nur innen haben kann. Aber auch diese
mühselige
Bewustheit fand ihr Gegenbild in den Mystikern im schlechten Sinne,
welche aus
einer dunkeldüstern Traumerhitzung der Fantasie Gebilde der Wilkür mit
stimulirter Begeisterung zu erzeugen sich abmühten, und das für Genius
hielten.
Dieser aber stand und steht noch in der Mitte, wo er in Herder, Göthe, J.P.F.Richter,
den Schlegels u. A. seinen
Mund fand,
und so wurden die Befreiungszeiten herbeigeführt. – Als ein Produkt der
Vorbereitung dazu, des Uebergangs, kann Fouqué
angesehen werden. Wen er die Biederkeit und Frömmigkeit, welche seine
altdeutschen Stoffe nothwendig machen, auch im Leben bewährt, und wen
der
öftere Anhauch von Schwüle in seinen Werken kein Kind der Sünde ist, so
wird,
bei so vielem wahrhaft Treflichem was er unter seinen zu vielen
Produkten
geliefert, ihm ein fortwährender Beifall Derer nicht entgehen, welche
nur das
gelten lassen, was aus innerer und eigner Kraft gezeugt ward, ohne
diese
Qualitäten durch Quantitäten ersetzen zu wollen von ausen her. – Mit
den lezten
Siegen endlich ist auch unserer Kunst eine schönere Zeit gekommen,
worauf die
Anerkennung der alten Volksdichtung hindeutete. Alles Gewollüstelte
aber und invita natura
(wär’s auch mit Mesmers
Zauberstäben) Erzwungene, das wird zu Schanden werden, seit unsere
rüstige, und
wie es den Anschein hat, bereits sehr manhafte Jugend, Leib und Leben
daran
setzen wil, das die Lüge verdrängt werde, und das Ureigenthümliche in
aller Art
in Kraft gehe. – “
Der
Schlus solte Fremden einen Begrif von dem höheren Charakter deutscher
Jünglingsbegeisterung
beibringen.
2.....„Die angeregte Liebe zur
heldisch =
mystischen Weltansicht des Mittelalters hatte eine mit Andacht oft
spielende
Dichtgattung zur Folge, welche in Tiek
(Genoveva) wol die reinste Blüthe trieb, in Werner
ganz ausartete (bis er durch seinen 24. Februar alles gut gemacht), in Novalis aber durch Tiefsin der
Andacht und
ächt poetisches Erfassen der Naturwissenschaft und der Kunst ganz neue
Aussichten eröfnete. – Die Studien seiner Vorgänger und die alten Sagen
und
Geschichten gleichsam en gros
benutzend, erinnert B.d.l.M.Fouqué
in
zu vielen Werken oft an jenes willkürlich erzeugte Feuer, welches, [5] seit den neuesten
Aufschlüssen über die geheimsten
Naturkräfte, auch in deutschen Schriften nicht selten ist, so das man
dieses
Misbrauchs halber gar wol eine Poesie der Sünde in neuester Zeit
behaupten
könte. – Desto fester dringt unsre,
einer Befreiungszeit gewürdigte Jugend auf eigenthümliche Reinheit, und
als
Verkünder einer solchen bessern, mit Religion und Sitlichkeit
einverstandenen
Kunst und Literatur erscheint J.P.F.Richter
am liebenswürdigsten, dessen Lebenvolle Darstellungen aus der Mitwelt
die
Bürgschaft einer höheren in sich tragen usw....“
Hiebei
war nämlich al der neuesten Schicksals=, Wahnsins=, magnetischen,
zauberischen,
teufelischen und andern Mord = und Gräuel = Zuthat besonders auch
Fouqué’scher
Dichtung gedacht worden; die literar. Zeichen der Zeit des
Roquerotismus,
besonders jener organomechanischen Novellisten = Manier, welche
Individualitäten eher benutzend als erschaffend, mit
Naturphilosophischer
Einsicht das Vorhandene Begeistiget (poetische Nuzniesung der
Naturweisheit),
aus welchem eau de mille fleurs
mir
der Enthusiast Hoffman als der rechte homo
chymicus niedergeschlagen dazustehen scheint –: und
indem ich hier offen
gab, was ein Hämling hinterhalten hätte, erklär‘ ich, das, wie in
diesem
Urtheile reingeschichtlich meine Meinung hingestellt war, ich auch im
obigen
blos Sache gebe, nicht Beleidigung suchend noch einigen Streit; ja, mit
wahrer
Andacht zur deutschen Kunst sag‘ ich es: Ihn lauter zu wissen, würde
meinen
Geschmack an seiner Kunstsphäre eines sehr bitteren Nachgeschmaks
überheben.
Gott
schenke uns Ernst in Liebe! Amen.
Dresden im Januar
1820.
Karl
Friedrich Wildenhain.
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