Der Tausch.













[353]
In Gärtners Laub ein Sänger trat,
Der Blumen Lob er sang -
„Nun wähle selbst im Garten frei
Die Blumen dir zu Dank.“ -

Wohl tausend Blumen prangen hier
Rundum zu hohem Preis,
Doch keine lockt mich also sehr
Wie dort das Lorbeer=Reis.

Und gäbst du Gärtner solches Blatt
Zum Kranz mir in das Haar;
Mit Leib und Leben wär‘ ich dir
Gewärtig immerdar. -

Der Gärtner macht ein ernst Gesicht
Und sprach, ich bin dir hold,
Doch gäb‘ ich nicht das theure Reis
Und wär’s um vieles Gold.

Doch willst du werben drum mit Sinn,
(Du bist ein junges Blut)
Wohlan ich gebe Lorbeer hin
Für frische Rosenblut.
















[354]

Von allen Blumen fehlet mir
Die Königin allein;
So mach‘ dich auf und bring sie mir
Dann ist der Lorbeer dein.

Da zog der Sänger wohl hinaus
Weitaus durch manches Land,
Der Dornen fand er allgenug,
Die Rose nirgend stand.

Zu seiner Hütte kehrt er heim
Und stöst den Riegel für.
Da sang er traurig und allein
Von Rosen für und für.

Ganz eingebannt in tiefen Harm
Saß er da Mondenlang
Und niemand hörte da sein Lied
Das nur von Rosen sang.

Doch draußen lauschend im Gebüsch
Ein Röslein jung vernahm’s,
Der arme Kranke rührt‘ es sehr,
Und aufgeranket kam’s.

Und wuchs und grünete hinauf
Ans offne Fensterlein,
Und hauchte süßen Wohlgeruch
Aus holdem Mund hinein.

Und von des süßen Duftes Kraft
Der Traurige genas;
Und als er Röslein endlich brach,
Er all sein Leid vergaß.

Seit hat er Lorbeer eingetauscht
Vom ernsten Gartenmann,
Doch trug er immerdar im Kranz
Das Röslein obenan.

Wildenheyn.




Frauentaschenbuch für das Jahr 1818 / von Baron de la Motte Fouqué. - Nürnberg: Schrag, S. 352-354



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