Frauenlob.























[278]
Saß am Klippenübergange
Einst ein Sänger jung,
Blickte nach dem Wogendrange
Voll Bekümmerung.
Und die Saiten ließ er klingen
Weinend unter seiner Hand
Und ein Lied begann er singen
Wehgemuth am öden Strand.

„Fahre hin, du falsche Zitter,
Treulos Saitenspiel,
Und zerschell‘ in tausend Splitter
Sei der Wogen Spiel,
Hab am Herzen dich getragen,
Dich gehegt so treu, so warm,
Ach! und nur die eignen Klagen
Hegt‘ ich mir im eignen Arm.

Was du laut hinausgeklungen
Schwand in Windessaus,
Was ich still in mir gesungen,
Singst du nimmer aus.“
Und den Arm hat er geschwungen,
Schwang das Saitenspiel so hoch
Und es wär‘ am Fels zersprungen
Und verklungen im Gewog.

Siehe da ein junger Ritter
Hell im Stahlgewand,
Fing ihm plötzlich Arm und Zitter
Faßt‘ ihn bei der Hand,
Sah ihn freundlich an und lachte,
Sprach: „Du Junger, zag und wild,
Was Dich bald zufrieden machte
Weiß ich manch ein holdes Bild.











[279]


Komm, o komm, im Rosengarten    
Sollst Du Wunder schaun,
Die des Saitenspiels gewarten
Einen Kranz der Fraun.“
Und den Jüngling ohne Säumen
Führt er aus der Oede vor
Unter grünen Maienbäumen
Durch ein grüngewölbtes Thor.

Ha, wie morgendliches Prangen,
Blüthen roth und weis,
Tiefgeneigt mit süßem Bangen
Trat er in den Kreis.
Augen minniglich erhoben,
Milde Wangen sah er glühn,
Und den Himmel sah er oben
Und die Rosen drunter blühn.

Und erhob die Töne leise
Sang so wehevoll
Sehnend eine neue Weise,
Die vom Herzen quoll.
Und gerührt von fremden Sehnen
Wurden schöne Augen naß,
Und dem Liede quoll der Thränen
Süßer Lohn ohn‘ Unterlaß.

Und erhub die Stimme freier,
Sang von Helden viel,
Frauenlust und Abentheuer
Kampf und Lanzenspiel.
Und der Zitter Saiten rauschten
Lieblich in den kühnen Sang
Und die holden Frauen lauschten
Nickten freundlich ihren Dank.


[280] Aber plötzlich hielt er inne,          
Neuen Ton erhob,
Sang von edler Frauenminne
Hoher Frauen Lob.
Wie des Stromes Wogen prächtig
Stieg und rollte Klang und Wort
Und Begeist’rung übermächtig
Riß den eignen Meister fort.

Wie er nun das Lied gesungen,
Ward ihm hoher Preis
Und aus schöner Hand geschwungen,
Manch ein Lorbeerreis.
Ja die schönste in der Mitte
Winket‘ ihn heran und schlang
Um sein Haupt nach alter Sitte
Einen Kranz zum Habedank.

Und er bot sich ihr zu Füßen,
Glückes übervoll
So gewogne Hand zu Küssen,
Wie ein Sänger soll;
Doch die hob ihn auf und reichte
Züchtiglich den eignen Mund,
Hei! wie das den Sänger däuchte,
War im Augenblick gesund.

Neugeschaffen ging er wieder,
Hoffnung und Geduld
Frische Luft und frische Lieder
Gab ihm Frauenhuld.
Und ein Dichter ist er worden,
Weit und hoch berühmt darob,
Solchen hieß man aller Orten
Nur den Meister Frauenlob.

Wildenhayn.




Frauentaschenbuch für das Jahr 1818 / von Baron de la Motte Fouqué. - Nürnberg: Schrag, S. 277-280

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