einige Erläuterungen
Waldo’s Tod.
(Abentheure.)



 





















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Auf seiner Burg der hohen der Held gebettet lag,
Vermeinte heut zu schauen den letzten Erdentag,
„Wo sind nur meine Söhne, die rufet mir herbei.“
Es kamen bald in Thrauer die Helden alle drei.

„Herzlieben, meine Kinder, hub an der müde Greis,
Mir ist von manchem Jahre die Scheitel silberweis,
So ist von manchem Kampfe die Kraft mir worden klein,
Und, wo ich recht verahnde, wird’s bald am Ende sein.

Was mag da Klage frommen, was ist da wundersam?
Wann seine Zeit gekommen, fällt wohl der Eichenstamm.
Auch hab‘ ich so geworben nach rechtem Heldenthum,
Daß Sang und Sag‘ allwegen verbunden Waldo’s Ruhm.

Und hieß in allen Landen und auf der wilden See,
Ein Held zu meinen Handen, wie nimmer Helden eh‘!
Und weil des Sieges waltete das Schwert in meiner Hand,
Bin ich mit Ehren Siegwald der Starke zugenannt.

So ist bei meinen Thaten, den großen Göttern Dank!
Mir alles wohlgerathen fürwahr mein Lebelang
Und führe wohl mit Freuden nach also reichem Lauf
Zu lieben Kampfgesellen und Vater Wodan auf.

Doch eines macht mir Kummer und ist mir bittre Noth,
Wie soll ich nun versiechen und schmählig liegen todt
Daheim, ohn‘ alle Wunden, gleichwie der ärmste Knecht,
Der nimmer Schwerth gewonnen, noch Ehren im Gefecht.

So viel ich schlug der Kühnen, ist doch von Speer und Schwert,
Vom Wirbel auf die Sohlen, mein Leib noch unversehrt:
In dreimal dreißig Schlachten, da ich den Sieg gewann,
Kein Tröpflein meines Blutes dem Gott zur Sühne rann.

Und bin ich aufgestiegen zu Wodans lichtern Saal,
Da sitzen wohl die Väter in Herrlichkeit zumahl,
Sie denken alter Mären und Harfen schallen drein;
Da fragt der meinen einer: „wer mag der Recke sein? 

Er kommt so greisen Bartes und ohne Wundermahl,
Hat übel wohl geworben, daß ihn bei seiner Wahl
Vergaß der Heldenvater“ - wie werd‘ ich da vor Gram
Mich in die Nacht verbergen und Zorn und großer Schaam!

Nun muß es doch erbarmen den alten Menschengott,
Daß solch ein Held zu Schanden soll werden und zu Spott
Vor all den guten Mannen und Recken insgemein:
Nun muß es euch erbarmen, herzlieben Söhne mein!

Drum hab‘ ich euch beschieden auf Treu und auf Gnaden,
Ob ihr des großen Fluches mich Armen wollt entladen;
Und wer mir Liebes gönnet, der lange sich zu Hand
Das Schwert zu meinen Häupten herunter von der Wand.

Wer das mir in die Seite recht unterm Herzen stößt,
Und so mit Ehrentode den müden Geist erlöst,
Der soll den besten Seegen des Sterbenden empfahn.
Die Rede war den Degen zu großem Leid gethan.

Herr Vater laßt die Rede! rief laut der erste Sohn,
Das wär‘ ein Mord viel böse, und brächte schlimmen Lohn,
Der andre sprach in Treuen, wie möchte das geschehn,
Wie könnt ich dein schneeweißes Haar voll rothen Blutes sehn?

Der jüngste aber weinte, der war ein Kind so gut,
Viel lieber säh‘ ich rinnen mein eigen Herzeblut.
Das fiel wie Felsenlasten dem Alten auf das Herz,
Ihm sank das Haupt zurücke vor übergroßem Schmerz.

„So muß ich denn verschmachten und seh‘ den Himmel nicht!“
Und in des Lagers Decken verhüllt‘ er sein Gesicht.
„Nun hört es, meine Söhne, vergessen will ich sein,
Begrabt mich auf der Haide wehrlos und ohne Stein.“

Da schloß er seine Augen und sank in Todesgraun,
Mit großen Wehgebärden, ein Jammer anzuschau’n,
Da fuhr er auf mit Rufen aus starrem Todeskampf:
„O weh, nun helft mir Armen, das wird ein harter Kampf!“

Und hört ihr nicht das Stürmen, wie laut der Donner kracht,
Wie mich die Schaaren rufen lautheulend durch die Nacht?
Die ich gefällt im Streite, die kommen all in Wuth,
Sie wollen gar erwürgen mich Alten, ohne Blut!“

Da hörten wohl die Degen, was draußen brach und klang,
Das hieb mit Donnerschlägen, bis auf der Riegel sprang,
Bis durch das Thürgewölbe sich bog ein hoher Greis,
Der sah mit Feueraugen aus Haaren grau wie Eis.

Sein Helm trug Adlerschwingen; einhüllt‘ ihn ganz und gar
Ein weiter Wolfesmantel, sein Schild von Golde klar:
Auch hing an seiner Linken ein Schwert, scharf breit und lang;
Der weite Saal mit Schalle von seinem Tritt erklang.

So müd er war zum Tode, Herr Waldo saß empor,
Zu freundlichem Empfange bot er die Rechte vor:
„Willkommen Gast, viel edel zum Heil an meinem Heerd,
Was du begehrst in Züchten, sei gerne dir gewährt.“












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 Sein Haupt der Greise schüttelte, setzte den Schild bei Fuß,
„Unnützen Spruch vermeide, ich versage dir den Gruß,
Bist du von Sachsen Walde in Schlachten weit bekannt,
Ich sag‘ es dir in Treuen, heut wirst du angerannt.

Bist du der starke Siegwald, der so viel Recken schlug,
Das sollst du heut entgelten mit Wunden tief genug:
Ich schwör’s bei meinen Augen und schwör’s bei meinem Bart,
Bis ich dich todt gefället, wird Eisen nicht gespart.

Aufsprang der greise Weigand, Waffen, so rief der Mann,
Ihm gab der Zorn die Kräfte, - so schnöden Gast gewann
Wohl selten noch ein Recke an eignen Hauses Heerd,
Nun, was du mein begehrest, das werde dir gewährt.

Will’s noch mit Ehren enden - fest band er sich den Helm,
Von hartem Stahl der Brunne, - und werde nicht zum Schelm
Im letzten Waffenwerke, - gewapnet stand er schon,
Ihm gab sein Schwert das gute sein jüngster lieber Sohn.

Als er die Eisen fühlte, wie ward er hochgemuth,
Die starke Waffe kühlte mit Kräften all sein Blut,
Doch sann er noch ein wenig, wohlan, so sprach er dann,
Du scheinst von Art und Würden ein edler Gegenmann.

Auch will mich schier bedünken: ich habe dich gesehn
Gar nah in manchem Kampfe: so lasse das ergehn,
Dafern ich sollte fallen, gieb meinen Leichnam frei
Auf daß von meinen Söhnen er wohl bestattet sei.

Von heilger Eiche schichtet die Scheiter mir zu Hauf,
Da leget wohl gewaffnet mich Todten oben auf,
Daneben soll auf liegen Lichtning, das gute Schwert,
Und gebt mir in die Flammen auch Horm, das treue Pferd.

Und wann der Rauch sich hebt und hoch die Flamme weht,
Fleht zu den Göttern allen mit brünstigem Gebet
Und stimmt an zu dreien ein kräftig Heldenlied,
Das recht in hohen Freuden der Geist gen Himmel zieht.

Und sollt in einem Hügel vergraben mein Gebein,
Da richtet auf zum Mahle mir einen hohen Stein,
Daß noch in späten Tagen dem Enkel sei bekannt:
Hier liegt mit Ehren Siegwald der Starke zugenannt.

Dreimal der Greise neigte sein Haupt, und hub den Schild,
Da säumte sich nicht länger Siegwald in Stürmen wild;
Mit hochgezücktem Schwerte lief er den Fremden an:
Hei was ein helles Klingen von Waffen da begann.

Man mochte Wunder schauen, wie grimm ihr Fechten war,
Daß sie’s gelernt mit Fleiße, das ward wohl offenbar
An Hieben wohlgemessen und meisterlicher Hut:
Hei wie die Funken stoben von ihren Helmen gut.

Da schlug der Held dem Greisen so kräftig einen Schlag,
Daß schier in Schildes Mitten das Sonnenbild zerbrach,
Doch stand er ohne Wanken, so groß war seine Kraft,
Da hatte sich der andre vom Schlage kaum errafft.

Des Greisen Klinge sauste im Kreis geschwungen hoch,
„Herr Vater woll‘ dich schilden! der Blitz hernieder flog.
Er traf in eine Brunne von Stahl geschlagen gut.
Da quoll vom Heldenherzen das rosenrothe Blut.

Da war er hingesunken, o weh mir, solchen Gast,
So rief er todestrunken, ihn brach der Wunde Last,
Wer hat dir so verzaubert, o Greis, die Waffen dein,
Du mußt ein Wodansrecke, mußt Wodan selber sein.

Alsbald ein helles Sausen durch all die Burg erklang,
Alldurch der Halle Lugen der offne Himmel drang,
Wie tausend Goldes Schilde sah man der Wolken Schein,
Und Harfenlieder sangen hochwonniglich darein.

Da bot der wundergreise dem Alten selbst die Hand,
Von Hüft und Schulter warf er zurück sein rauh Gewand;
Klar stand der Riesenhohe mit jungem Angesicht,
Und aus der Rüstung Fugen quoll eitel Sonnenlicht.

„Hast wohl gerathen Waldo, hast wohl gefochten Sohn,
So nimm in Wodans Halle den Trunk zum Heldenlohn,
Das merket euch ihr Helden ihr jungen, ohne Spott,
Nie soll ein Recke schelten den alten Menschengott!“

Die sanken tief zur Erden, als er sich hub empor,
Und schwand in Donnerstrahlen, und Dunkel wallte vor.
Doch blüthe noch danieder ein morgenrother Tag,
Allwo in Blut gebettet der Todteswunde lag.

Da rief der Held so müde: „herzlieben Söhne mein,
Ihr sollt auf Grab mir richten den allerhöchsten Stein!“
Das schwuren ihm die jungen, die knieten um ihn her;
Da war der Glanz verronnen, Herr Waldo sprach nicht mehr.

Wildenhayn.



Frauentaschenbuch für das Jahr 1818 / von de la Motte Fouqué.- Nürnberg: Schrag, S. 57-63

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