Wildenhayns Studium in Leipzig.



Am 6. Juni 1810 schrieb sich Karl Friedrich Wildenhayn hinter Nummer 125 in die Matrikel der Universität Leipzig ein. Ein Semester nach ihm wechselte auch Theodor Körner an die Universität Leipzig. Über eine nähere Bekanntschaft beider ist nichts belegt, doch ist sie wegen der teilweise parallelen Lebenswege zu vermuten. Körner freilich brachte es trotz, vielleicht auch wegen, seines baldigen Todes in den „Freiheitskriegen“ zu einiger Berühmtheit. Noch in Freiberg 1810 konnte er beim Verleger Göschen unter dem Titel „Knospen“ eine kleine Sammlung lyrischer Gedichte erscheinen lassen. Seine Studienzeit in Leipzig währte nicht lang: als Mitglied der Thüringer Landsmannschaft, welche gerade zu dieser Zeit mit einer Gesellschaft adliger Studenten in Streit stand, ließ er sich dieses Streites wegen auf ein Duell ein und mußte, um der drohenden harten Strafe dafür zu entgehen, am 23. März 1811 heimlich die Stadt verlassen Q.
Wildenhayn scheint sich Zeit seines Lebens vor solchen Verbindungen gehütet zu haben oder wurde doch in ihnen nicht wohl empfangen. Einmal abgewiesen wendete er sich ab.
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„Mit einzuschmelzen auf gemeinste Weise war ich nie“Q konnte er in seinem 38. Lebensjahr von sich behaupten. (Ein Beispiel für die Teilnahme an einer literarischen Gesellschaft allerdings findet sich aus den Jahren 1812/13; siehe weiter unten.)
Zu welcher Zeit er seine ersten lyrischen Niederschriften vornahm, ist nicht belegt. In seinem Brief an Heinrich Eberhard Gottlob Paulus spricht er von
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„12jährige[n] Studien“Q. Damit datiert er den Beginn zumindest seiner Sprachstudien bereits auf sein sechzehntes Lebensjahr und seine Afraner-Zeit. Daß damit auch erste praktische Versuche der Gestaltung von Gedichten einhergingen, ist wahrscheinlich. Doch Wildenhayn besaß nicht solch anmaßendes Selbstvertrauen seine Erstlingswerke einer breiten Öffentlichkeit unterzuschieben. Seine frühen Gedichte waren ihm nur
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„mittelmäßig Versuchte“, die er mit „müssig probender Hand hinspielte“Q . Noch sah er sich zu entfernt dessen, was an erahnten Möglichkeiten - gleich Idealen - zu erreichen stand: noch bedurfte er weiterer Lehre.
Unter den Dozenten der Universität Leipzig, deren Vorlesungen zu besuchen Wildenhayn zur Wahl stand, befand sich auch Christian August Heinrich Clodius. Seit dem Jahre 1800 lehrte Clodius als außerordentlicher Professor die praktische Philosophie und bot bereits im Jahr 1809 Vorlesungen über seinen 1804 erschienenen „Entwurf einer systematischen Poesie“ an Q. Einige ästhetische Prinzipien die Clodius in seinem „Entwurf“ darstellte, finden in manchem Gedicht Wildenhayns praktische Umsetzung.
In den Unterlagen des Universitätsarchives Leipzig befinden sich keine Angaben zu einer Graduierung Wildenhayns. Auch die Dauer seines Aufenthaltes wird daraus nicht ersichtlich. Einzelne Hinweise aus anderen Quellen können die Zeit in Leipzig etwas eingrenzen:
Karl August Förster macht in seinem Tagebuch die Bemerkung: „Vor einigen Tagen las er [Wildenhayn] mir ein anderes schönes Gedicht vor, in metrisch vollendeten Distichen, voll Wohllaut und rhythmischer Vollendung, veranlaßt durch den Tod Hinkels, seines Freundes, eines hoffnungsvollen Jünglings“ Q.
Carl Gottlieb Hinkel kam am 15. Oktober 1793 in Chemnitz als Sohn des hier ansässigen Kaufmannes Gotthilff Hinckel und seiner 1784 angetrauten Gemahlin Johanne Juliane (geb. Hänel) zur Welt. Nach dem Besuch der Fürstenschule Schulpforte bei Naumburg, schrieb er sich am 4. Mai 1812 unter  der Nummer 59 in die Matrikel der Universität Leipzig ein Q. Hinkel gilt als Mitbegründer der leipziger Studentenvereinigung Corps Saxonia (gegr. am 4. September 1812) und verfasste für sie die bis heute geltenden Sätze Ihrer Konstitution. Er beteiligte sich an der Zurückschlagung der neu erstarkten Truppen Napoleons im Jahre 1815, wurde dabei verwundet und erlag am 22. Dezember 1817 seinen Verletzungen. Ein Jahr vor seinem Tode erschien sein Gedichtband „Erste Saitenklänge“, aus welchem vor allem das Gedicht „Wo Muth und Kraft in deutscher Seele flammen“ bis heute bekannt ist.
Eine andere Person, mit welcher Wildenhayn in Leipzig verkehrte, ist Christian August Gebauer. Ihre Bekanntschaft geht schon auf die Zeit im Fürstengymnasium St. Afra zurück, welche auch Gebauer besucht hatte Q. In Leipzig schrieb sich Gebauer am 18. Juni 1811 unter der Nummer 114 in die Matrikel ein Q. Er wurde am 28. August 1792 in Knobelsdorf bei Döbeln geboren. Unter „seinem Schriftstellernamen Heinrich Rebau, [wurde er] äußerst fruchtbar als Dichter, Volks= und Jugendschriftsteller“. 1811 bereits gab er die Gedichtsammlung „Veilchenkranz“ heraus; nachdem „folgten seine litterarischen Producte in ununterbrochener Reihe“ Q. Einige davon sandte er an Baron Friedrich de la Motte Fouqué, um sie im von ihm herausgegebenen „Frauentaschenbuch“ publizieren zu lassen. Fouqué schien Gefallen an Gebauers Beiträgen zu finden, ließ sie drucken und ermunterte ihn dazu, weitere zu liefern. Im Frühjahr 1816 fügte Gebauer seinen Beiträgen auch
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„allerlei Lieder“Q Wildenhayns hinzu. Fouqué besieht sie sich. Einige werden zur Veröffentlichung im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1818“ einbehalten, andere an Gebauer zurückgesandt. In seinem Schreiben vom Juni 1817 an Fouqué bedankte er sich unter anderem für die
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„Aufnahme einiger [seiner] Lieder[...] ins Frauentaschenbuch“Q und fügte dem Schreiben noch an, daß er zwei der nun in Fouqués Hand befindlichen Gedichte nicht abgedruckt sehen möchte, stattdessen die beiden dem Brief eingelegten Gedichte. Doch mit der weiteren Darstellung würde ich zu weit voraus greifen.

Im Juni 2006 sah ich im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar einige dort befindliche Dokumente betreffend Wildenhayn ein. Neben den drei Briefen aus dem Jahr 1823 waren es auch die „Protokolle über die Sitzung einer literarischen Gesellschaft“  (Einige Auszüge dieser Protokolle). Bei dieser Akte handelt es sich um eine geheftete sechzigseitige Protokollsammlung, welche die Mitglieder zu ihren abendlichen Treffen aufzeichneten. Es sind Aufzeichnungen zu 38 Sitzungen zwischen dem 24. November 1812 und dem 8. April 1813 darin verzeichnet; zu diesen trafen sich die Teilnehmer beinahe regelmäßig montags und donnerstags. Teilnehmer dieser Treffen waren anfangs Karl Friedrich Wildenhayn, Christian August Gebauer, Bernhardi und Schulze sowie - seit dem 15. Februar 1813 - Bräunlich und - seit dem 1. März 1813 - Volhard (außer bei Wildenhayn und Gebauer wage ich mir keine Zuordnung zu einer bestimmten Person). An welchem Ort diese Treffen in Leipzig stattfanden ist nicht erwähnt; immer wieder taucht ein Hr. Schmelz auf, welcher offenbar als Wirt dieser Gesellschaft fungiert. Grund der Treffen war das Vortragen meist eigener literarischer Produkte, die von einem anderen Teilnehmer im Voraus rezensiert wurden. Diese Rezensionen sind wörtlich in den Protokollen wiedergegeben, die Stücke nicht - einige scheinen ursprünglich als Anhänge zu den Protokollen beigelegt gewesen, befinden sich jedoch nicht mehr dort. Vor, während und/oder nach diesen Besprechungen wurde die Zeit mit Spiel, Unterhaltung, Tabakrauchen und dem Trinken von Tee, Wein oder Kaffee zugebracht.
Die letzte Aufzeichnung dieser Protokolle datiert vom 8. April 1813; unter Annahme der Authentizität seines Gedichtes „Während der Schlacht bei Lützen. Im Leipziger Park.“ , lässt sich sagen, dass er noch mindestens bis zum 2. Mai 1813, als diese Schlacht stattfand Q, sich in Leipzig aufhielt. Bis zum Jahr 1816 müsste zum einen noch ein Aufenthalt in Berlin Q als auch in einer Stadt an der
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„Ostsee“Q fallen. Es wurden aber bislang keine Dokumente aufgefunden, die dies belegen können.
In seinen Erinnerungen konnte er nur mit Mißbehagen an diesen Lebensabschnitt denken:

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„Dan, fern von hier, kaum ohn hiesigen Einflus, allerlei, weder zarte noch ehrliche Versuche, mich „der Geselschaft - ?“ einzuverleibigen. Man wolt’ ein wenig abspeisen; geläng’ es der eignen Unwürdigkeit überführen, auf die Seite schieben; wol auch befördern zum Mitgenus gegen klügliche Mitsünde. Den Alles war wiederum dem Ganzen zum Heil ausgeschlagen. Kaum mit dem Leben und gelähmten Füssen entkam ich, nicht zweifelnd, man hätte lieber mich verschwinden lassen“ Q.

Darauf kehrte er noch einmal nach Dohna zurück, bevor er in Dresden als „Privatgelehrter“ in Erscheinung trat:
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„Das Vaterhaus gab noch einmal Genesung im stumverstandenen Gefühl’ einer so verlornen einst herlich aufblühenden Jugend. Nach drithalb Jahren (seit 1818) wiedereintrit ins Leben“ Q. Dieser „wiedereintrit“ fiel wahrscheinlich mit dem Tod seines Vaters zusammen. Er verstarb am elften März des Jahres 1818 im Alter von vierundsechzig Jahren und hinterließ „eine Wittwe, vier Söhne, fünf Töchter“ Q. Seine drittälteste Tochter Christiane Concordia verehelichte sich bereits am 25. November des Vorjahres mit dem Markersbacher Pfarrer Christian Friedrich Gerschner1, welcher die Pfarrstelle des Vaters antrat und an seiner statt das Pfarrhaus zu Dohna bezog.





1 Nähere biografische Daten zu Christian Friedrich Gerschner finden sich in Marco Schröders Festschrift "Christian Friedrich Gerschner - Markersbacher Pfarrer in Napoleonischer Zeit".