Am 31.
Januar 1809 richtete Ludwig Gotthelf Wildenhayn an die Bergakademie
Freiberg ein Schreiben mit auszugsweise folgendem Inhalt:
„Mein Sohn Carl Friedrich Wildenhayn, den, Hochdenselben
persönlich vor zu stellen, ich schon einmal das Glück hatte,
behält die in ihm früh entstandne, vorzüglichste und
entschiedenste Neigung zu dem Studio der Bergbaukunde. Als
Fürstenschüler in Meißen hat er sich in vier Jahren
nicht unbeträchtliche Schulkenntniße erworben und daneben
selbst in der Mathematik einige Fortschritte gemacht, auch im Zeichnen
sich nicht ohne Erfolg geübt. Er steht jetzt im achtzehntem Jahre,
sein Körperbau hat eine ansehnliche Stärke gewonnen und seine
Gesundheit scheint fest genug, das Beschwerliche bey dem Bergbaue
ertragen zu können. Welch ein Umfang von Wissenschaften ihn dabey
erwartet und welche Anstrengung erfordert wird, die nöthige
Vollkommenheit darin zu erlangen, ist ihm oft vorgehalten worden; bey
der größten Lust aber und in einer Königlichen
Landschule zur Mühe und zu strengem Fleise gewöhnt,
läßt er sich dadurch am wenigsten schrecken. Allein, ich,
Vater von Neun unversorgten Kindern, vermag nicht, die ansehnlichen
Kosten des theuren Studii zu bestreiten und bitte daher Ein
Königliches Höchstverehrliches Ober=Bergamt sehnsuchtsvoll
und ehrerbietigst, für meinen Sohn den unentgeldlichen Unterricht
auf der Königlichen Berg=Akademie in Freyberg und die Aufnahme
unter die Beneficiaten bey derselben allerhöchsten Ortes
Gnädig und Hochgeneigt aus zu wirken“
Q
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Die Bergakademie zu Freiberg war zu damaliger Zeit die bedeutendste
Studienstätte für Montanwesen. Dies war nicht zuletzt das
Verdienst der Anwesenheit Abraham Gottlob Werners an dieser Schule. Als
Sohn des Eisenhütteninspektors Abraham David Werner wurde er am
25. September 1749 in Thomendorf-Wehrau geboren. Er erhielt nur den
einfachen Schulunterricht in der Waisenschule zu Bunzlau und diente
nach seiner Konfirmation im 15. Lebensjahr als Hüttenschreiber im
Betrieb seines Vaters. Auf einer Reise zum Besuch der Heilquellen zu
Karlsbad machte er Station in Freiberg, „wo der Anblick der
großartigen Berg- und Hüttenwerke, sowie der prächtigen
Mineraliensammlungen einen so mächtigen Eindruck auf den
empfänglichen Geist des jungen Mannes ausübte, daß in
ihm der lebhafte Wunsch entstand, sich weiter in der
Bergwerkswissenschaft auszubilden“
Q. Mit
Einwilligung seines Vaters bezog er zu Ostern 1769 die drei Jahre zuvor
gegründete Bergakademie. Sein Fleiß und Eifer lenkten bald
die Aufmerksamkeit seiner Lehrer auf ihn. Er selber verspürte den
Drang die Versäumnisse seiner Jugendausbildung nachzuholen und
besuchte zu diesem Zweck in den Jahren 1771-1775 die Universität
Leipzig. Dies waren auch die Jahre, in denen Wildenhayns Vater und
Onkel hier studierten, daß eine wenn auch nur flüchtige
Bekanntschaft dieser mit Werner nicht auszuschließen ist. Dies
ist auch mit der im Studiengesuch des Vaters erwähnten Tatsache zu
bekräftigen, daß Karl Friedrich Wernern bereits vorgestellt
wurde
1,
denn vor allem
an ihn richtete sich das Studiengesuch. Werner wurde nämlich nach
seinem Studium in Leipzig als Inspektor und Lehrer der Mineralogie an
die Bergakademie berufen und galt nach seinem 1791 erfolgten Beitritt
in das Königliche Oberbergamt als Direktor der Bergakademie, dem
auch alle die Studenten betreffenden Maßregelungen oblagen
Q.
Mit Beginn des Sommersemesters Ostern 1809 wurde Wildenhayn als
Benefiziat in der Matrikel der Bergakademie geführt. Die Stellung
als Benefiziat bedeutete, daß er abgesehen von einer
Jahresgebühr unentgeltlich an den Vorlesungen teilhaben konnte;
Wildenhayn nahm hier an denen über Bergbaukunst, Oryktognosie
(Mineralogie), reiner Mathematik, Physik, Zeichnen und Zivilbaukunst
teil und machte sich mit der Ausübung des praktischen Bergbaues
bekannt
Q.
Die Vorlesungen über Oryktognosie und Bergbaukunst hörte
Wildenhayn von Abraham Gottlob Werner, welcher „die ganz
außergewöhnliche Gabe eines begeisterten und Begeisterung
erweckenden Lehrvortrags“ besaß
Q.
Bereits zu seinen Lebzeiten galt Werner als berühmter Mineraloge und
begründete eine besondere, von ihm als Geognosie beziehungsweise
Gebirgskunde bezeichnete Wissenschaft. Großes Interesse hegte
Werner auch an der Sprachwissenschaft und trennte sie nicht von den
Montanwissenschaften, sondern bediente sich ihrer als
bergmännische Hilfswissenschaft
Q.
Seine nicht nur an montanwissenschaftlichen Werken in deutscher und fremder Sprache
gut bestückte, sondern ebenso an Wörterbüchern und
Sprachlehren reiche Privatbibliothek, stellte er auch seinen Studenten
zur Verfügung. Auf viele seiner Studenten machte Werners
Persönlichkeit nachhaltigen Eindruck. Wildenhayn widmete dem
„verehrten
Lehrer, dem [er] sich hoch verpflichtet
fühlt[e...]“
Q,
nach dessem Tode am 30. Juni 1817 das Gedicht „Glückauf! : ein
Nachruf an Abraham Gottlob Werner“. Man wird beim Vergleich der
sprachwissenschaftlichen Untersuchungen Werners mit denen Wildenhayns
leicht einige Parallelen im Verlauf der Forschungsrichtung erkennen
können. Warum Wildenhayn den Besuch der Bergakademie bereits nach
einem Jahr abbrach und seine Studien an der Universität Leipzig
fortsetzte, bleibt ungeklärt. Möglicherweise war Wildenhayns
Gesundheitszustand für den Studienwechsel verantwortlich, denn in
der Studientabelle ist in Spalte 11: „Ob sie hinlängl. Gesundheit
besitzen“ hinter der Bejahung noch ein Verweis „nach Bl.11“, welcher
sich bei keinen anderen 1809 inskribierten Benefiziaten finden
läßt und möglicherweise Vorbehalte gegen Wildenhayns
gesundheitliche Eignung für den Bergmannsberuf ausspricht. Es
muß aber bei der Vermutung bestehen bleiben, denn dieses Blatt 11
läßt sich im Hochschularchiv der Bergakademie Freiberg nicht
mehr auffinden.
Seit dem 10. Juni 1808 studierte an der Bergakademie auch der am 23.
September 1791 in Dresden geborene, also nahezu gleichalte Karl Theodor
Körner. Auch er brachte es in Freiberg nicht zu einer Graduierung,
sondern brach das Studium in Freiberg nach zwei Jahren ab. Dazu
vermerkt sein Biograph in der ADB: „Lockte den phantasievollen jungen
Dichter anfangs zu diesem Berufe mehr die eigenthümliche Poesie
des Bergmannslebens, wie sie ihm vielleicht durch Novalis erschlossen
war, so erfuhr er bald, daß der praktische Dienst für ihn
minder anziehend sei und weniger ideal, als er sich gedacht“
Q. Auch Wildenhayn schrieb sein Vater noch entschiedenes Interesse an der
Bergbaukunde zu, vielleicht aber rührte auch sein Interesse aus
Illusionen und zerstob mit ihrer baldigem Zerfall.
In dem vom 25. April 1810 datierenden Testimonium bescheinigten seine
Lehrer ihre Zufriedenheit mit seinen Leistungen und versicherten,
„daß er sich während seines hiesigen Aufenthalts stets gut
und sehr gesittet betragen“
Q hatte.