St. Afra war neben
den Fürstenschulen in Grimma und Schulpforte eines der unter dem Kurfürsten Moritz von Sachsen bereits 1543 (Grimma
erst 1550) gestifteten Gymnasien. Diese wurden sämtlich in Gebäuden säkularisierter Klöster eingerichtet
und waren dazu bestimmt, jungen Knaben unentgeltlichen Unterricht, Kost und Aufenthalt zu gewähren. Die Zahl der
Schüler war ursprünglich auf 60 festgesetzt, doch schon 1555 auf 100 erweitert worden
Q. Die Zahl der Lehrer hingegen,
welche „nicht nur das politische Regiment, sondern auch das Privatleben ihrer Untergebenen führen
sollten“
Q, beschränkte sich auf
fünf. Dies konnte nur mit strikten Verhaltensregelungen verbunden sein. So war der gesamte Tagesablauf straff
durchplant. Der Freistunden waren wenige: „des Tags, außer Dienstags, wo von halb 1 bis 5 Uhr keine Lektion
[war], nur drey“
Q. Selbst an Sonntagen wurden nach
der Nachmittagskirche zwei Unterrichtsstunden gehalten, und an Feiertagen fielen die öffentlichen Lehrstunden zwar weg,
aber an deren Stelle trat eine Studierstunde. Bereits nach acht Uhr mußten die Alumnen zu Bett gehen. Die Zeit bis zum
Einschlafen sollte mit dem Repetieren des am Tage besprochenen Lehrstoffes gefüllt werden. Dazu wurden die üblichen
Dreibettzimmer so belegt, daß je ein älterer, im Stoffe weiter fortgeschrittener Mitschüler, darin mit
untergebracht war. Die Obacht über die Einhaltung der Vorschriften oblag neben den Lehrern und Hausangestellten auch
dazu ausgezeichneten Schülern: den zwei ersten einer jeden Klasse, deren vier waren, sowie den sieben ersten Primanern.
Das diese Maßnahmen den Aufenthalt an einer Fürstenschule nicht zu den angenehmsten werden ließen, steht
außer Frage. Dies kann aber von Schulen deren Ziel und Aufgabe es war „im Lande einen Nachwuchs an gelehrten
Beamten und Geistlichen mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten auszubilden“
Q auch nicht verlangt
werden.
Die wichtigsten Lehrgebiete waren Religion, Geschichte, Logik (besonders die philosophische Terminologie), Geografie und
Mathematik. Ganz besondere Aufmerksamkeit aber legte man seit Gründung der Schulen auf die Erlernung der alten Sprachen:
„Latein und Griechisch standen im Mittelpunkt des Unterrichts. 1565 kam Hebräisch hinzu, was den philologischen
Charakter der Einrichtung verdeutlicht. [...] Erst 1773 wurde Deutsch nach dem Beschluß der Schulordnung von Joh. Aug.
Ernesti vom 17.3.1773 (Ernestinische Schulordnung) als Unterrichtsfach eingeführt“
Q. Eine Neubearbeitung der
Ernestinischen Schulordnung erfolgte erst im Jahre 1812. Die lateinische Sprache herrschte auch im alltäglichen Gebrauch
vor: es wurde den Schülern zur Pflicht gemacht, sie nicht nur mit den Lehrern bei Erklärung der alten Dichter,
sondern auch dann zu sprechen, wenn sie außer aller gelehrten Verbindung sich mit ihnen unterhielten, und selbst in
ihren Erholungsstunden wurden sie halb und halb angewiesen, lateinisch mit ihren Kameraden zu plaudern
Q.
Angesichts des Bildungserfolgs der Fürstenschulen, belegt durch die Vielzahl noch heute berühmter Absolventen,
scheint Kritik an den erzieherischen Maßnahmen kaum gerechtfertigt. Dies war aber gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts
der Fall und hatte im Jahre 1812 die Neubearbeitung der Ernestinischen Schulordnung zur Folge. Selbst ein Verfechter dieser
Ordnung wie Hußell mußte einräumen: „Es ist nicht zu läugnen, daß manche Einrichtung zu
mönchisch, und die beständige Clausur nicht ganz zu billigen ist“
Q. Den schwerwiegendsten Kritikpunkt
bildete, neben der beständigen Klausur, die Abgeschiedenheit von der übrigen Gesellschaft, welche den
Fürstenschüler „etwas scheu gegen Fremde macht“
Q. Der Alumne durfte den Bereich des
Klosters nur mit besonderer Erlaubnis verlassen und diese konnte ihm, „ist das Haus in das er gebeten wird, nicht in
Rücksicht anständiger Sitten bekannt [...], ohne Umstände verweigert“ werden
Q. Zur Sicherheit waren die Fenster
vergittert und Zuwiderhandlungen des Verbotes wurden „jedesmahl streng geahndet“
Q. Der anonyme Verfasser des Artikels
im „Deutschen Patrioten. Monat August 1802. Nro.1“ bemerkte:
„Wenig oder Nichts wird den jungen Leuten von sittlicher Aufführung, von Lebens=Art, vom Umgang mit Menschen, von
gutem Tone u.s.w. gesagt, nicht einmal solche Bücher, woraus sie dies lernen könnten, giebt man ihnen in die
Hände [...]. Daß eine Unterweisung in der Kunst mit Menschen umzugehen, und sich sittlich und fein zu betragen,
durchaus in solchen Schulen besonders statt finden sollte, lehrt schon die Natur der Sache, denn da die jungen Leute durch
immerwährende Einkerkerung nur selten Gelegenheit finden, andere Menschen als sich selbst zu sehen, so erlebt man seinen
Greuel, wenn sie die Schule mit der Akademie vertauschen“
Q.
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Wildenhayn selbst schreibt in knappem Telegrammstil
über diese Zeit der
„Befängnis [...:] Anspruch auf
vielseitige Ausbildung, leibliche Kraft in Fülle, Beharren - aber Eingehen in Unbefriedigung aller
Art“
Q. Inwieweit die angeführten Umstände
auch auf seine Charakterbildung wirkten, läßt sich nur vermuten; fest steht, daß er manchem seiner
Mitmenschen in späteren Jahren durchaus als „wunderliche[r] Kauz“
Q erschienen ist.