einige Erläuterungen



Glückauf!
Ein Nachruf an Abraham Gottlob Werner.

 
— Mos. 1. 5. —  Und Gott sprach, es werde
Licht: und es ward Licht.   Luther. [1]







































[411]
   Nur hoch voran, ich folg‘ o Meister keklich,
Auf Kuppenschnee durch starres Eisgefilde;
In Wolken zürnt Altmutter See dort schreklich,
Und malmet an der eignen Schos Gebilde:
In Lüften heult die Braut, doch unerweklich
Schläfts hier im Hölenohr: die Fahrt wird milde.
Der Firne Wunder hab‘ ich satt betrachtet:
So zeige nun, was in der Teufe nachtet.
 
   Und seigre Fahrt gings ab in frischen Wettern,
Rad und Gezeuge schnarchten sehr und gossen;
Wol auf und ab sah man die Lichtlein klettern
In Ganges Strich wo die Geschicke sprossen;
Gezähe klang; fern hallte dobrig Schmettern:
„Glückauf“ erschol’s in Firsten, Ort und Strossen;
Glückauf, gesunde Schicht in Gottes Namen!
„Das walte ja Got Vater, Sohn, Geist Amen!“
 
   Und aus dem Tiefsten gings in andre Tiefen;
Im Flötz hinauf durch Pflanzgetrümmerschichten,
Drin Elephant und Mammuth feste schliefen,
Und träumten uranfängliche Geschichten:
Wie mälig ab die Algewässer liefen,
Seit Feste sich aus Meer begann zu lichten;
Vom alten Graus und Lebens erster Weckung
Und neuem Wust in neuer Flutbedeckung.
 
   Und weiter gings: o nicht so nah den Düften
Wo Wasser ächzt im Sud und Schwindel packen,
Weil ewig Feuer kracht in Hölengrüften,
Erdbebenschwanger, daß die Wände schlacken: -
Wo kühle Salzquelzüge gehn auf Klüften
Las uns hinunter, in die festen Wacken,
Da Muschel noch und Pflanzenthier sich halten,
Und stille See’n ihr stilles Reich gestalten.
  
   Da standen wir im Urgestein, wo’s mächtig
Und meilenfern gelagert söhlig streichet;
Der Ruh Gebild, gedruhsighel, so, trächtig
Des glauen Erzes, Alpentief entweichet.
Die Ruthe schlug: blickhelle quol’s, wie prächtig
Demantgeperl auf aus Smaragden steiget.
„Nun trinke hier!“ ich that’s; da ward in Jugend
Mein Auge heil von Urquels Eisentugend.


   Und sah den Agt in Schöpfung liebedienen
Mit Kusbegattung; Silberbäumlein krochen
Goldfrüchteschwer von Blüteglanz beschienen;
Sah blitzig Blut im Kiesgeäder pochen,
Kobolds Gefüge star in Geistermienen;
Weltauge schien in Wonnetod gebrochen,
Wie farbenhel sich los die Töne rangen:
Alda belauscht‘ ich was die Geister sangen.
 
   Wort war Gestalt und die Gestalt Bewegung.
Ein tiefes Lied weissagte, klar wie Träume,
Aus allen Werdekeims geheimer Hegung
Welturbegin: da jauchzten al die Räume,
Ward Sturmgesaus die geisterstille Regung,
Jegliches Sandkorn ward zum Weltenkeime.
Jach auseinander stob’s, in Himmels Dunkel
Aufkrachte Weltaussaten=Sterngefunkel.
 
   Und wie ich schau, versenkt in selig Ahnen
Aus Lichte Licht, Gestirn aus Sonne zücken
Und klingen aus in helgeschlifne Bahnen,
Und Gotgefühle, die mich hoch beglücken,
Nun an des Führers Mitgefühl gemahnen:
Da mußt‘ ich ihm die Händ‘ vor Liebe drücken.
Sein bieder Antlitz stralte von Gedanken:
Wie hub ich an, o Meister, sol ich danken?
 
   Dein Name gilt im Bau der Norderwende,
Ihn rühmt der Hütner am Potosi=Schachte,
Dich preist was einsam schift an Südens Ende,
Wer aller Ding‘ und Sterne Lauf bedachte:
Wilst du Gesang? arm ist des Armen Spende!
Ihn glom Gelächel an und ich - erwachte.
Was klopft? herein! so früh, und nasse Wangen?
„Ach ernste Botschaft: Werner ­­­– heimgegangen!“
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Bey Uebersendung dieses Liedes.






   Dieses Glückauf wil nichts weiter sein, als etwa ein Stükchen edler Opal, niedergelegt auf den Denkstein eines sehr verehrten
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Lehrers, dem der Vf. sich hoch verpflichtet fühlt; wil ein Gedicht nur kein System heissen. Freilich ist das Dargestellte in die Gränzen
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bergmännischer Kunstsprache gebant, aber warum sol diese nicht auch ihre Dichtung haben wie jede andere, da sie volkthümlich ist? Darf man nicht fordern, daß auch den gebildeten Laien in unserer Krieger = Berg = und Waidman = Sprache” nichts fremd anklinge? Wol aber wird das Wissenschaftliche kunstfähig, nur so fern es [412] durchschaut und als Stof durchgeistigt ist, weshalb der Vf., selbst Laie, einige Rechenschaft seiner Bewustheit geben wil.
 
  Da der Gefeierte als Verkünder einer selbgeschafnen Wissenschaft hauptsächlich durch Lehre und Vorgang auf Tausende gewirkt hat, so muste er auch hier
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als Führer durch das Reich erscheinen das er geistig besas. Die Zuthat war in seiner Geognosie gegeben, und es kam darauf an, die höchste Bedeutung aus dem Erforschten heraus, und in das Unerforschte hineinzublicken, dem Ganzen aber Seine Eigenthümlichkeit bis zum Bildnishaften anzugebärden.

   Das erste Reimgesäz nun zeigt das Aeußere vom Aeußern, den eine Ueberschau des Erdbals im Ganzen als eines Schwebenden muste vorausgehen, und zwar werden atmosphärische Wirkungen zuerst erwähnt, weil sie uns in Schnee = und Eis = Gedruse, vielfacher Wolkenschichtung und Stürmen usw. noch täglich einen Wiederschein jener früheren Niederschläge in dichteren Massen und ihrer Zertrümmerung vorbilden.

   Das zweite zeigt das Aeußere vom Innern, und der Bergman ist in Stand und Würden bezeichnet, indem zugleich die etwas unheimlich angekündigte Fahrt ihr Schicksal und die gläubige Ahndung eines glücklichen Ausgangs findet.

   Die drei nächsten Gesätze sollen nun die drei Hauptbildungszeiten in umgekehrter Ordnung veranschaulichen, und besonders wird in der des Uebergangs auch W’s neptunistische Ansicht der vulkanistischen gegenüber gestelt, eine praktisch wichtige Entdeckung dankbar erwähnt; sein treues halten an Thatsachen nicht vergessen. So liegt die Urzeit in ihrer krystallinischen Bildung und Erzführenheit als Grundfestigung des Ganzen da, und hier, in diesem Demantkerne, quilt der wahre Geist der W’schen Ansicht und das rechte Krystalwasser der Dichtung selbst, welche von hier aus frey sich erhebend, das Todte zum Gipfel des Lebens hinaufläutert - Mit Magnetismus (der schon dem Ruthengänger in den Händen lag), wird begonnen eingedenk der unendlichen Beziehungen die an dem Worte haften, welches hier als Weltgedanke der Liebe im ganzen Umfange, als Attraction überhaupt, als Lichtgesetz der Schwere, in dem alle concentrische und stetige Gestaltung schon bedingt liegt, auftretend, die geheimsten Berührungen der stofflichen und der Geisterwelt zugleich andeutet. Nun wird durch Dendridenform ins Organische emporgestiegen mit namentlicher Erwähnung von Sonne und Mond, und bey dem scheinenden Blüthenglanze mag man nach Belieben an das blumige Anschießen, an Metalglanz, an Lichtverwandschaft überhaupt, oder an den Zeugungsgipfel der Pflanzenwelt gedenken, woraus hier der elektrische Funke durch die Kieseladern in den thierischen Organismus als ein lebendiger Puls hinüberschlägt, so das die bedeutsame Gestaltung bis zum Angesicht veredelt im Kobold erscheint, welcher Name hier als ein bergmännischer Microkosmos unmöglich fehlen durfte. Denn er giebt ja nicht blos Menschengestalt, sondern reicht sogar in die Geisterwelt, wo hinüber die Vollendung des Lichtempfänglichen Organismus auch hier als brechendes Weltauge leitet. Dieses, „der Elementarstein“ der aus der Dunkelheit (auch nep=
[413]tunisch) sich zum Lichte verklärt und alle Farben spielt, ist das Auge selbst, womit der Verklärte die Welt so hel sah, und der wahre Mittelpunkt des Gedichtes. In diesem Brenpunkte ist nicht nur Mikroskopisches und Teleskopisches, ist selbst Stoff = und Geisterwelt vereiniget, und an des Lebens äußerster Gränze, wo das Körperliche sich auflößt und alle Formen der Erscheinung ineinander rinnen, begint ein höheres. Das Wort vom Anfang thaut gleichsam auf aus der Erstarrung, und wird noch einmal Schöpfung. Und die Wollust dieses Gedankens, der Welten aus Sandkörnern schaft, und sich in Lichtstrudeln und Sonnenwirbeln badet, scheint so unsinnig nicht, wen wir bedenken wollen, das alles Masverhältnis in Zeit und Raum nur in menschlicher Anschauung bedingt, vor dem Alewigen aber nichts ist. Nur so konnte es gelingen, den schweren Stof zur Dichtung zu beselen und zugleich den Schöpfer eines Weltgültigen Systems, dessen treue, sogar poetisch tiefsinnige Andacht zur Natur ohne wahrhaftige Religiosität gar nicht zu denken war, in seiner höchsten Menschenwürde zu ehren. – Auch der altgeglaubten Beziehungen zwischen Planeten und Metallen mag man dabey sich erinnern.

   Aber der Sturmflug der Phantasie wird sogleich in Bewustheit gebändigt, und es sind nur die Gesätze des Weltgerichtes die in dem Wetgesang der Sphären scharf und bestimt anklingen. Die Dichtung kehrt zur Wirklichkeit zurück, und nach dieser reingeistigen Würdigung durft‘ ich Ihm wol dankbar die Hand drücken, welche Kühnheit leicht in der Aufschrift selbst durch den Beysatz „in Vieler Namen“ um so lieber zu mildern wär, als das Gedichtchen Vieler Beyfal fände. –­­ Endlich kehrt das Lied in den Grundton heim, und sein Weltgedanke wird noch einmal am Erdganzen auch hier mit Erwähnung der Polarität, gemessen, während die freundliche Weckung vom Schlummer auch die Todespost bedeutsam mildert. –

  Wen ich den Grabstichel führte, so wolt ich Ihn in alter Ehrentracht abbilden in einer Felsenbrüstung, etwas zurückgelehnt wie Er wol oft zu stehen pflegte, vorn das Gesicht vom Lichtgus einer abgewandten Blende seitwärts heran beleuchtet, den Blick in den gestirnten Himmel nördlich hinausgewandt, die Rechte auf dem Ellenbogen und mit dem Stufenhammer ruhend, in der Linken aber ein streifiges Gangstück wägend, worauf ein Tessularsystem – in Krystallen halbsichtbar eingewachsen wäre.

   So mögen Schlägel und Eisen, ganz ohne Zierrath und recht typenhaft im Holzschnit vorn darüber gedruckt und das Hüttengezähe darunter – Anbruch und Aufbereitung in schlichter Einfalt am würdigsten versinbilden. – Der Druck mus deutsch seyn, was auch der Man war; und wären alterthümliche, urkundlich ehrenfeste Buchstaben zu wünschen, wie man sie im Bericht vom Bergbau und alten Berg = und Landchroniken so gern sieht. Die Schreibung ist die vereinfachte, welche jezt algemein werden möchte. Er pflegte ja selbst auch auf so etwas mit Rücksicht zu nehmen, und da Er die Bibel, und besonders die Genesis fortwärend in der Ursprache zu lesen liebte, so dürfte es bezeichend scheinen, wen über Luthers Schöpfungsworte die Urschrift [414] gesezt würde. – Viele Kleinigkeiten bestimmen den Gesamteindruck, und an einem Denkmale solte alles bedeutend seyn. Hier aber solte Sein Bild gegeben werden und kein anderes. 

  Karl Wildenhain.




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1 
Daß er so spät kommt, ist die Schuld oder Nichtschuld derer, die um die Besorgung ersucht waren, womit jedoch sehr werthen Freunden auf keinerley Weise ein Vorwurf gemacht sey.











Isis: oder encyclopädische Zeitung / hrsg. von Lorenz Oken. - Leipzig : Brockhaus, 1819. - Sp. 410-414

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