Dresden am 29ten Oktober 1819.
Wildenhain Dres.

Hochwürdiger Her,
Hochverehrter Her Kirchenrath und Professor,



Lediglich der Klarheit und Wahrhaftigkeit womit Vieles von Ihnen zeitgemäs Gesagte mich ansprach, wollen Sie das Vertrauen beimessen, welches die Inlage Ihrer gütigen Förderung zu empfehlen wagt.
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Nach 12jährigen Studien glaub’ ich, selbst im 28ten, mehr geben zu können als die Ankündigung verspricht, indem ich, unabhängig vom Herkömlichen, bisher vereinzelt = Unerschöpftes zu einer Wissenschaft gestalte, deren Umfang etwa das für den inneren Sinnenleib leisten mag, was Turnkunst für den äuseren.
Da nun kein Buchhändler sein Drukpapier mit solcher Aufschrift abzusetzen hofte, und ich der Meinung bin, man müsse algemeine Kunsthülfen schon deshalb gemein machen, damit nicht Unkraft mit ihnen blende: so bleibt mir übrig, das Werkchen denen zu empfehlen, welche aus der Sache selbst die anfänge eines, auch für höhere und höchste Schulen erwünschten, vielleicht nur für Deutsche möglichen, Bildungbuches erkennen. Freilich wird Altes umgestosen, doch nicht ohne Begründung eines Neuen das seine Geltung in sich hat; auch jedes ältere Verdienst, namentlich das unvergesliche Ihres J. H. Voß, wie kaum je zuvor, gewürdigt. Könte nun ihr Briefwechsel mit Einflusreichen im südl. und rhein. Deutschland die Bekantwerdung, und etwa ein jüngerer Freund das Ganze dadurch fördern, das er für Heidelberg die Gelder annähme und an mich selbst einschikte: so würde dies, da der Name der Buchhandlg. nur dem Scheine des Wucherlichen wahren sol, den Ertrag erhöh’n, der, wie dürftig immer, nur zu bedeutend für mich ist, welcher, nach Krankjahren hieher gekommen,
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um die geistigste Heilung durch Kunstanschauungen sich zu gönnen, die rechte Theilnahme selten fand, vielmehr der Abweisungen manche erfahren muste.Vielleicht weil ich von denen bin, die gar zu gern selbeigner Leib= und Geistigkeit von Gottes Gnade Alleinherscher sind. -
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Da ich nun Brilgläser schleifen nicht gelernt, einige Muse gleichwol sehr nöthig habe, so wäre mir die Übersetzung irgendeines mgl. Geschicht= oder Naturkundlichen Werks, das eine[n] Werth hat, ein wahrer Fund, was ich, bei Ihren vielseitig literarischen Berührungen mit einiger Hofnung äusre. - Die beigelegte aus Homer möge, so gut eine, und geruhig epische, das vermag, ein Urtheil vorzubereiten. Sie ist seit vorigem Winter zwar gelesen, doch nirgend abgedrukt worden, und ich wollte sie alsbald der Isis einsenden, wen ich wüste ob und wo dieselbe  noch erschiene. Die Vossische war weder zur Hand noch im Gedächtnis und der eine Vers ist Übereinklang.

Mit der Bitte um Gewogenheit verharr’ ich mit wahrster Hochachtung

Ew. Hochwürden

vertrauend Ergebensten

Karl Friedrich Wildenhain.
                  Privatgelehrter




Brief Wildenhain an Paulus - Heid.Hs.862

mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Heidelberg



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