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Protokolle
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I. – Am
24sten November 1812 – Bernhardi las Gedichte (Die Leiden
der Blumen, Zu Ihm, Nach dem Tode; Glossen: „Vorher spielte man sehr lange Schneider um einen halben Laubthaler, wobei
Sz renoviert wurde, Gebauer saß die Sitzung hindurch als steinerner Gast da. Auch wollte man im Ganzen eine Abspannnung
bemerken, welche dem Mangel an Thee zugeschrieben wird.“
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II. – Am 26sten November – Gebauer las Gedichte
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III. – Am
30sten November – Schulze las; Glossen: Gebauer wieder
„steinerner Gast“, Schulze erbrach Postkasten und freude sich über Brustlatz mit blanken Knöpfen und
ein Paar Stiefelchen „hierauf brachte er dem guten Geschmack ein wohlgefälliges Brandopfer mit den Calendarium
Musarum Afranarum“
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IV. – Am
2ten Dezember – wegen kürze der Zeit war die von
Wildenhayn versprochene Abhandlung über das Wesen der Satyre noch nicht fertiggestellt; Glossen: „Diesmal ward
während der Sitzung Kaffe getrunken. – Siehe den Schluß von Guido Isidorus Orientalis, welcher die
Gesellschaft in ein unauslöschliches Lachen versetzte.“
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V. – Am 7ten Dezember -
„Wildenhayn las einen eigenen Aufsatz:
Über das Verhältnis der Satyre zur Poesie.
Der Ideengang des Verfassers läßt sich in folgendem Schema darstellen
Satyre
/ \
komische tragische
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Selbstbelachung Zerknirschung, Reue
\ /
Erhebung über sich selbst =
Poesie
Da Alle mit der in der Abhandlung gegebenen Ideen übereinstimmen, so würde es
überflüssig sein, dieselben wiederzukäuen und in andere Worte umgesetzt noch einmal zu sagen; es folgen daher
blose durch jene Vorlesung herbeigeführte Aforismen, die daruaf beruhen und nur durch sie verstanden werden können.
Langer Streit über Göthes römische Elegien. Wildenhayn preist mit Beistimmung aller die Objektivität
derselben; Bernhardie bemerkte, wie Göthe selbst ihr Misverhältnis zum Ideal bemerklich macht; Schulze erinnert an
die empörende Stelle, wo gegen die Römer wegen ihres Geizes gesprochen wird, und deren Widrigkeit selbst die
Vertheidiger Göthes nicht in Abrede stellen können. Ueberhaupt aber wird in Rücksicht des Gleichgewichtes
beider Kräfte im Menschen, als dem Produkte der Poesie an die Szene zwischen Vulkan und den beiden Umstrickten erinnert
wo die eine der beiden Kräfte sehr in’s Gedränge kommt.
Man hat noch keine Satyre im Sinne unserer Abhandlung gehabt.
Die höchste Satyre kann bis zum Atheismus steigen.
Die höchste Satyre ist in Gott.
___________________________
Hierauf wird festgesetzt, daß das nächste Mal
Bernhardi
lesen solle, und dessen Produkt Schulze’n zur Rezension übergeben.
Glossen.
Von Gebauer solle billig geschwiegen werden maßen er auch geschwiegen hat.“
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VI. – Am 10ten Dezember –
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VII. – Am 14ten Dezember – „Glossen. Einmüthig geäußerter Wunsch, in den
sechziger Jahren gelebt zu haben, um jetzt als Klassiger aufgeführt zu werden. Nach dem Thee ward viel Wein getrunken,
Schmelz alleine erzeugte sich keinen, weil er mehre male fate gelegen hatte;
Wildenhayn bekam für seinen heroischen Entschluß, in der Kälte 4 Treppen nach dem Weine hinabzusteigen,
[?]
außerordentlich russische Priese“ ... dann noch um Geld gespielt
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VIII. – Am 17ten Dezember
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IX. – Am
22ten Dezember – „Wildenhayn las zuvörderst eine
Entschuldigung darüber, daß er heute nichts Eigenes läse, versprach dieses für die nächste Sitzung
und gab heute: das älteste Bruchstück altdeutscher epischer
Poesie, herausgegeben von den Gebrüdern Grimm. die Erzählung vom Hildebrand und Hadebrand gehört
höchstwahrscheinlich in den Mythenkreis, wovon Karl der Große seine vielbesagte Sammlung aufzeichnen
ließ.“
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X. – Am 28sten Dezember – „Wildenhayn las folgendes eigene Gedicht:
Dichter Liebe. Es gehört dasselbe
zwar zu dem Zyklus, der durch „Dichters Antwort“ angedeutet worden ist, allein auf des Verfassers verlangen soll
es hier als Einzelnes, in sich Bestehendes angesehen und beurtheilt werden.
Die Idee des Gedichtes scheint Aehnlichkeit mit der Mythe des Pygmalion zu haben, es ist
jedoch an eine Nachahmung oder Bearbeitung derselben nicht zu denken, da die Tendenz jener Mythe doch ganz von der des
vorliegenden Werkes abweicht, auch hier alles idealisierter und geistiger erscheint.
In der Darstellung treten das Licht und der Frühling sehr bedeutend hervor, und zwar
nach des Verfassers Wunsche, daß beides im Folgenden mächtig in das Ganze eingreifen solle.
Die Schönheit soll hier durch die Liebe verkörpert erscheinen; vielleicht begründet sich dadurch das Urtheil
Bernhardi’s und Schulze’s, daß das Ganze nicht die im Gemüth entsprossene Liebe des Menschen, sondern
mehr das erglühen des Künstlers für sein Ideal, welches dem Geist entsprang, darstelle, und das Ganze daher
mehr den Geist als das Gemüth anspreche. Eine Vereinigung hierüber dürfte um so schwieriger sein, da, um die
erhobenen Zweifel zu beschwichtigen, der ganze Zyklus vor den Augen liegen müßte, was doch jetzt nicht geschehen
kann. Vielleicht sind auch die Beurtheiler in Etwas durch die Kenntnis von Dichters Antwort befangen.
Das Einzelne der Vorstellung, besonders die vollendete Versifikation und die glückliche Wahl der Bilder wird gepriesen;
immer inniger und belebter werdend schließt das Gedicht belebend und beruhigend. Des Verfassers Furcht durch die
Länge der Schilderung zu ermüden, widerlegt sich durch das Gesagte. Die Stelle „fast so holden Schimmer
u.s.w.“ ist entzückend und möchte eine geheiligte göthische Schönheit genannt werden.
Festgesetzt wurde, daß das nächste Mal Bernhardi lesen solle.“
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XI. – Am Sylvesterabend
1812 - Glossen: fröhlich bei Bowle und Whistspiel; danach gelesen: Göthes römische Elegien.
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XII. – Am 11ten Januar 1813 – Bernhardi las.
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XIII. – Am
14ten Januar – Schulze las; Glossen. „Zu bemerken
ist, daß Wildenhayn während seiner Inquisizion der Distichen seine Dose ausgeräumt, sowie er diesen Tag
überhaupt für 2 Thaler Tabak aus dem Laden genossen, dazu seine eigne und Schulze’s Dose in dessen
Abwesenheit gelehrt hat. – Auch begiebt er sich freiwillig jeder Einwendung, immaaßen es allzu weitläufig
sein dürfte, alle lügenhaften Übertreibungen in dieser Ausstellung aufzuschreiben. – Gebauer ist schon
seit einiger Zeit außer Leipzig, und zweimal nicht in der Sitzung gewesen.
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XIV. – Am 17ten Januar – Bernhardi „las folgende eigene Gedichte:
1. Sängers Heimkehr. Wildenhayn gab
darüber folgendes zu vernehmen: „Das erste was ich über Bernhardi’s heute vorgelegte Gedichte zu
bemerken habe, ist ein Tadel, der beide im Ganzen treffen soll, vielleicht aber ebenso einseitig als geradezu heraus-Kommen
mag, indem er sich blos auf den Eindruck bezieht, den sie auf mein Gefühl im Allgemeinen machten. Ich gestehe
nämlich, daß ich selbst nach mehrmaligem Lesen noch in Verlegenheit blieb, was ich eigentlich darüber sagen
solle. Ich vermißte die warme Fluth lebendiger Gedanken: die beim Genuß eines vollendeten Gedichtes der Sele
zuwallt, aber das reine Bild nur schöner zurückstralt und so den Ahapsoden [?] aus kaltem Kritiken zu einem froh begeistertem erhebt. Diese
Empfindungen beim ersten Auffassen brachten mich auf die Vermuthung verfehlter Vorstellung, besonders da sich ihr Jede
Fähigkeit zur poetischen Behandlung gar nicht absprechen läßt, und vielleicht können sie, festgehalten,
ein Urtheil begründen.
Das erste, Sängers Heimkehr, beruht in der untadeligen Wahrheit, daß des Dichters ganzer Reichthum seine Kunst
sei. Er könnte die ganze Erde durchwandern und würde doch aus all dem begüterten Menschengewühl nichts
anheimbringen als Lieb’ und Lied. Dies wird durch Vermittelung der der Heimkehr recht gut in Kontrast gebracht mit der
gewirbigen Bürgerlichkeit, die handgreifliches Gut will, damit das reine Bewußtsein höheren Gewinns desto
freudiger hervortrete, und das Ganze einen Grund habe. Das find’ ich sehr gut und glücklich gedacht; daß
aber das Ganze dennoch nicht ansprach erklär’ ich mir so:
Erstens erscheint der Sänger im Eingang zu sehr als überhaupt ein Heimkehrender und läßt keine
Nothwendigkeit der Schlußwendung ahnen. Was die Überschrift wol nie ersetzen sollte. Zweitens scheint die
Schilderung, welche den größten Theil einnimmt (ohne Zweifel aber weil uns der rechte Mittelpunkt entgeht) zu
allgemein und zu breit, vorzüglich in Vergleich mit der Hauptsache, und eine höhere das Ganze selbst umfassende
Deutung hat mir nicht gelingen wollen.
Endlich klingt mir auch die durchgeführte Assonanz gar zu hart–an bei der gewählten einfachen Abendruhe. Die
Assonanz wird überhaupt bei uns leicht hart. Sie steht hier dem Reime lange nicht so nahe, als auf ihrem
mütterlichem Boden und wird von Konsonanten fast erstickt, und hat gar nicht das Zarte wie dort. Im gegenwärtigen
Falle wird sie durch den männlichen Abschnitt, der den leichtfließenden Vers hemmt, nebst dem durchklingenden
offenen a noch härter; überhaupt aber scheint sie mehr aus Liebhaberei als innerer Nothwendigkeit gewählt zu
sein.
Vielleicht läßt sich der Tadel überhaupt zusammenfassen in dem, daß im Ganzen vorzüglich die
elegische Form zu verwerfen sei. Mehr Wirkung würde gewiß eine lebendige Erzählung gethan haben, die das
unmittelbar dargestellt hätte, was hier mittelbar gegeben wird. Diese würde gleichsam positiv zu nennen sein, wie
die jetzige negativ. Dadurch hätte freilich das Ganze einen anderen Charakter angenommen und wäre vielleicht
Romanzenartig geworden, nach meiner Einsicht aber ansprechender. Z.b. der Sänger zog aus – kam heim – Frage
– Antwort; oder überhaupt nur die Antwort, als wirkliche, nicht anticipierte.“
Hiermit stimmte Schulze völlig überein. Der Vfs erkennt den gerügten schon vorher selbst gefühlten Mangel
in der Motivirung des Schlusses, und ist entschlossen diesem auf eben einen oder eben anderem Wege abzuhelfen. Was dabei
über das Mißverhältnis des Idealen und der Wirklichkeit gesprochen worden, läßt sich hier wegen
der Weitläufigkeit der mündlichen Unterhaltung nicht füglich wiedergeben. Die Darstellung ist alles Preises
würdig, abgesehen von dem schon gerügten Anstoße, den die durchgeführte Assonanz bietet.
2., Der Gelehrten Streit. Wildenhayn sagte darüber:
„Eine launige Parodie des beharrlichen Zwistes aus einseitigen Meinungen entsprungen, den Niemand besser
repräsentirt als das Gelehrtenthum. – Ich tadle daran, daß sich die Herren gar zu albern gebärden,
ohndaß die Ungereimtheiten einen unbefangenen Betrachter durch unwillkürlichen Witz entschädigten. Beim
Schluss bin ich zweifelhaft, ob ich darin blos eine Ammenbeschwichtigung des kindischen Streits sehen oder eine weit
höhere Ansicht nehmen soll, wozu ich im Ganzen nicht genug Einladung finde. – Die Strophe scheint mir nicht
musikalisch genug, und der vierte Vers nicht von selbst so holprig hemmend eingeschlossen zu sein. Uebrigens preis’ ich
den munteren Ton.“
Die Ungewißheit, von wem die Ironie der letzten Zeile ausgehe, wird durch des Verfs. Erklärung gehoben; der Vfs
überläßt übrigens die höhere oder niedere Deutung dem höheren’ oder niedrigern
Standpunkte des Lesers; und macht zum Verständnis des Schlusses auf die Worte auch – trefflich –
freudevoll aufmerksam, welche aber Wildenhayn just das Gegentheil anzudeuten
scheinen.
Die gewählte Form ist nach des Verfassers Ansicht nicht unabsichtlich, indem sie sich zu dergleichen neckischen
Darstellungen am besten schicke.
Glossen.
Verschiedene Gespräche über die Satyre und Klagen, daß jetzo die nackte
Wahrheit jede noch so kühne oder derbe Satyre überklinge; ein Beispiel in Körners vaterländischem
Schauspiel, das zu Wien aufgeführt worden.
Hierrauf ergötzte sich die Gesellschaft an J. v. Voß Satyren und Launen, die Zeit beachtend.“
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XV. – „Am 21sten Januar.
Wildenhayn
las folgendes eigene Gedicht:
Mondenschein. Bernhardi gab darüber Folgendes zu vernehmen:
„Die Natur ist dem Dichter sein eigentliches Leben, das er unbewußt empfing und
erst durch die höhere ihm inwohnende Kraft zur klaren Anschauung, zum Ideal erheben soll! Ganz bedeutungslos erscheint
zwar die Natur keinem Menschen, auch dem ungebildetsten nicht; aber den ganzen unendlichen Sinn der Erscheinungen mag nur der
Dichter fassen und erkennen. Er trägt gleichsam einen ewigen Kommentar zu dem ewigen Recht in seiner Brust, und, da
jenen wie diesen Gott selbst geschrieben hat, so muß sein Ausspruch unfehlbar, seine Deutung, bei aller möglichen
Verschiedenheit der Form, immer eine und dieselbe, immer die einzig wahre sein. So wird der Mondenschein z.B. allem
Empfänglichen immer und ewig ein Bild der Ruhe, der Versöhnung, der Wehmuth oder vielmehr ein Gemisch von allen
diesen Gefühlen darbieten, freilich unter den mannigfaltigsten Modifikazionen, wie vorliegendes Gedicht auffallend
deutlich beweist, indem es eine mir wenigstens, ganz neue Deutung des Mondscheins ausspricht. Dieser ist nehmlich als ein
Engel Gottes dargestellt, der die Erde endlilch von allem Uebel losbeten wird, oder als ein Zeichen von Gott, daß er
endlich ausgesöhnt die Erde verjüngen und verklären werde. Wie herrlich dies gedacht sei, fühlt Jeder
selbst, und ich erinnere nur noch, daß mir die Idee wie JeanPaulisch geschienen, nicht etwa von ihm entlehnt, sondern
in seinem Geiste gedacht. In dem Gedichte selbst ist Alles Mondenschein: Idee, Szene und Darstellung. Denn wie soll ich die
milde Ruhe, die weiche Klarheit, die über das Ganze ausgegossen ist, treffender bezeichnen? Wenn die Exposizion, die
Szenerie Anfangs ein wenig an Erlkönig erinnert, so verwischt doch der Fortgang des Gedichts diesen Eindruck
gänzlich. Die Haupterzählung ist sehr gut eingeleitet, möchte aber doch als Kindermärchen nicht leicht
und verständlich genug ansprechen. Noch ist mir aufgefallen, daß das Kind, wie wohl natürlich war, nicht nach
dem frommen Greise fragt, der doch ihm und dem Leser sehr bedeutend entgegentritt. Das Kind mußte, wie der Dichter
wollte; aber der Betrachter tadelt das gänzliche verschwinden des Greises in doppelter Hinsicht, einmal von Seiten des
Kindes, dann aber auch von seinem eignen Gefühl aus. – Dikzion und Versbau sind des Verfassers würdig:
Vorzüglich thun die lieblichkräftigen, ungezwungenen Jamben wohl, welche zu solchen halbdramatischen überhaupt
sehr geeignet scheinen.“
Was über das Verschwinden des Greises mißbilligend gesagt worden, beseitigt der Vfs befriedigend genug durch die
Entwickelung seiner Ideenfolge und die Darstellung der Ausbildung des Gedichts. Schulze saß dabei stumm wie ein Fisch,
indem Nichts zu tadeln, das Rauchfaß zu schwingen hier nicht räthlich und endlich Alles, was sich Gutes
darüber sagen ließe, von Bernhardi schon weggenommen war.
Beschlossen ward, daß das nächste Mal
Schulze
lesen solle, welcher sich aber dabei vorbehielt die Gesellschaft nur zu amüsieren, indem zu etwas Gutem jetzt Zeit, Ort,
Lust, Liebe, Umstände, Geschäfte u.s.w. nicht passen.
Glossen.
Schulz produzierte den empfangenen Steuerschein von 500 rh. – – in originali und erweckte dadurch in den
Herzen seiner anwesenden Gläubiger große Freude, indes bei Anderen andere Hoffnungen und Gedanken erregt wurden.
Beide Theile, und überdieß noch einige ganz Unbefangene, genossen jedoch die augenblickliche Frucht des
eingekehrten Glückes, nehmllich zwei Bowlen Nikus, die der frohe Freund den Freunden opferte.“
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XVI. – Am 25sten Januar – Schulze las
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XVII. – Am 28sten Januar – Schulze las
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XVII. – Am 1sten Februar – Bernhardi las
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XIX. – „Am 5ten Februar.
Wildenhayn
las folgendes eigene Gedicht:
Der Minnesinger. Bernhardi ließ sich darüber folgendergestalt
vernehmen:
„Die Idee vorliegenden Gedichts in einem Satze auszusprechen hat mir nicht gelingen
wollen. Ich versuche daher, ihr auf einem andern Wege beizukommen; dadurch nehmlich, daß ich in mehren Sätzen
Alles das angebe, was sich mir bei mehrmalligem aufmerksamen und wahrhaft gemüthlichen Lesen aufgedrungen hat, um so
vielleicht vom Unbestimmten zum Bestimmteren und Bestimmten zugelangen.
Die rechte Sehnsucht findet ihre Erfüllung erst jenseits, aber gewiß.
Lieb’ und Lied sind das würdigste Ziel der Sehnsucht und das einzige Ziel der rechten Sehnsucht.
Alle Lieb’ und alles Lied ist Eins in Gott, dargestellt durch Marien, welche als das Symbol der Weiblichkeit
Lieb’ und Lied auf die Erde herab und in den Himmel hinaufleitet.
Noch manche Gedanken fallen mir zwar bei, aber entweder kann ich sie nicht zur Klarheit bringen oder ich will sie
unterdrücken, damit sie mir den einmal erkannten Ideepunkt nicht verwirren.
Daß das Gedicht zu der Gattung der mystischen gehört, bedarf keiner Erwähnung. Mir aber soll diese Bemerkung
gleichsam als ein Anhalt dienen, an welchem ich mich aus der Fluth eines unerklecklichen Gewäsches auf das Ufer einer
besonnenen Rezension schwingen möge. Die Mystik also ist eine zarte kitzliche Person, die eine ganz eigene Behandlung
fodert. Oft greift sie der dichter zu täppisch an; dann erscheint sie wie ein gemeines Frauensbild in vornehmen
Schmucke; oft aber auch wagt er sie kaum zu berühren und dann hüllt sie sich in ein Nebel= und Rauchgewirr,
daß kein Mensch etwas anders erkennen mag als eben Rauch und Nebel. Unser Vfs hat die Behandlungsart gewählt, die
mitten inne liegt, also, daß man seine Maystik ganz in der lieblichen göttlichen Gestalt erblickt die sie
ursprünglich trägt. – Aber ich sehe, daß ich damit schon einige Schritte in die Beurtheilungder Form
gethan habe und, was das Beste ist, nicht wieder zurück kann. Im Grunde freiilich ist Idee und Form Eins im Dichter,
denn die Form, die der Idee ursprünglich beiwohnt macht ihn ja eben zum Dichter, da formlose Ideen ja jeder
Bauernbursche hat. Allein der Rezensent liebt nun einmal beide zu trennen, und darum fahr ich fort:
Die Ausführung ist sehr gelungen, vorzüglich durch den alten herzlichen lieblichen Minnesingerton, der so wie hier
Jeden erfreuen muß, da sich im Gegentheile Jeder Minnelieder, die den alten schwäbischen zum Verwechseln
nachgemacht wären, bei aller Anerkennung ihres ursprünglichen Werthes höflichst verbitten würde.
Um nach hergebrachter Ordnung auch über das Einzelne Etwas zu sagen, so bemerke ich nur, daß mein Gefühl beim
Lesen sich einigemal von dem durchgehende Grundtone verlassen fühlte. Da sich aber das Gefühl weder beweisen noch
rechtfertigen läßt, so weigere ich mich im voraus der Anfoderung, jene Pausen oder unharmonischen Töne
nachzuweisen, und schließe somit recht abgeschlossen.“
Die Gesellschaft vereinigte sich übrigens zum allgemeinen Preise dieses Gedichtes, und enthält sich um so mehr
einer Zergliederung, da das Ganze so lieblich und das Einzelne auch so vollendet ist.
Gebauer
wird das nächste und diverse andere Male wegen seiner abscheulich langen Abwesenheit lesen.
Glossen.
Leipziger Elegien von Schulze. Dann durch Schmelzes Güte ein ansehnliches Nikus mit freundschaftlichem
Gespräch.“
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XX. – Am 9ten Februar – Gebauer las
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XXI. – Am 12ten Februar – Gebauer las; neues Mitglied: Bräunlich
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XXII. – Am 15ten Februar – Bräunlich las; in Glossen: Bräunlich hat sich
„durch einen schlechten Witz schlecht in die Gesellschaft“ eingeführt.
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XXIII. – Am 18ten Februar – „Wildenhayn hatte versprochen, in dieser Sitzung eine
Einleitung zu dem Nibelungenlied zu geben, ward aber durch das Konzert abgehalten sein Versprechen zu erfüllen. Da nun
diese Unterbrechung zu spät bekannt wurde, als das ihr noch von einem anderen Mitgliede gehörig hätte
abgeholfen werden können, so so brachte man den Abend in freier ästhetischer Unterhaltung zu. S. Beilagen sub. Lit.
D [Diese Beilagen liegen den Protokollen nicht
bei.]
Glossen.
Vacat.“
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XXIV. – Am 22ten Februar – „Wildenhayn gab eine einleitende Vorlesung über das
Nibelungen Lied; zu allgemeiner Erbauung.
Glossen.
Vacat.“
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XXV. – „Am 25sten Februar.
Schulze
las folgende eigene Gedichte:
1., Erweckung an . .
2., Der Wanderer
Darüber ließ sich Gebauer vernehmen wie folgt:
„Da vorliegende Gedichte zu der Gattung, über welche schon so oft und so viel gesprochen worden ist, gehören,
so möge es mir erlaubt sein nur in ein paar Worten mein etwaniges Urtheil darüber auszusprechen.
Sie ergreifen das Gemüth weder durch Neuheit noch Überraschende Ausführung; sie gehen vielmehr ohne jene
Wärme, welche mit sanften Strahlen Gefühle und Empfindungen hervorlockt, ohne inniges Ergreifen, wo nicht kalt ihm
vorüber und ergötzen blos das Ohr durch Lieblichkeit und angenehme Versifikazion.
Die Ideen beider Gedichte sind allgemein und oft dagewesen, daß sie in unsern Zeiten schwerlich mehr glück machen
dürften. Schon Vater Gleim und früher Opitz beschwerten den armen Zephir mit Grüßen und sonstigen
Aufträgen an die Geliebte und so hat er sein Botenamt bis in die neuesten Zeiten behalten.
In dem ersten Gedichte (Erweckung) war mir das
„Von neuem schwüllt der Quell der Lieder u.s.w.
anstößig weil es nur eine Erweiterung der zweiten Zeile:
„Die Musen zogen freundlich ein.“
zu sein scheint. Die nehmliche Bemerkung drang sich mir bei den letzten Zeilen der ersten Strofe auf.
Wäre es nicht vielleicht im zweiten Gedichte (Der Wanderer) besser gethan, wenn der Gruß an die Liebste anstatt
dem traurighinschleichenden Zephyr der Nachtigall, welche zu Eingange des Gedichts klagt, aufgetragen würde!“
Der erkleckliche Satz fiel dahin aus: es seien flüchtige poetische Ergießungen, die ihr höchstes Interesse
nur für den Dichter selbst haben können.
3., ohne Überschrift. Wildenhayn las darüber:
Wenn man gewöhnlich die Charakteristik eines Gedichts damit anhebt, daß man dasselbe einer gewissen Gattung
und Untergattung beizählt, und aus der Vergleichung der anerkannten Grundsätze mit dem Gegebenen das Urtheil
abzieht, so weis ich bei gegenwärtigem Produkt auf diesem Wege kein Ziel zu erjagen. Es scheint vielmehr zwischen den
einfachen Grundformen zu schwanken, und so wie es einzeln hier steht, keiner recht eigentlich anWenn man annähme,
zugehören.
Die Grundidee ist: Sehnsucht, die Stimmung, welche über (auch den reinsten) irdischen Leben noch ein höheres glaubt
und danach hinstrebt. Als Grundzug der gesam̅ten neueren Poesie muß sie allerdings unzähligemal vorkommen in
der Darstellung, und wird sich bal erhaben, bald zart, bals weichlich aussprechen. Unser Dichter hat das mittlere
gewählt.
Lyrisch ist es demnach wohl zu nennen, aber es ist weder Lied noch Elegie, wiewohl elegisch. Ich: würde das Ganze eine
Allegorie der Sehnsucht heißen, doch dazu scheint es mir nicht durchgeführt, nicht motiviert, nicht mystisch
genug. Ich möchte es eher’ ein poetisches Bild, eine Skizze nennen.
Mit dieser Ansicht stimmt auch die äußere Darstellung überein, die so frei, so wenig individuell gehalten
ist, daß sie sich mehr der dramatischen zu nähern scheint.
Wenn man annähme, daß das Ganze nur Bruchstück wäre aus einem Drama, das bei gleicher Zartheit, etwa in
so geruhiger Schwebung fortschritte, wie Torquato Tasso, und das sich etwa ein weibliches Gemüth durch diese lyrische
Rede vertraulich aussprechen sollte, so würde das Unbestimmte und flüchtig vorüberschwebende eine tiefere
Bedeutung erhalten als jetzt bei seiner einzelnen Erscheinung sich aufsschließt.“
Als Hauptmange wurde noch bemerkt das zu große Ineinanderfließen, und das nicht genugsame hervortreten der
Gegensätze; vorgeschlagen ward, die erste Strofe mehr zu materialisieren und allen höheren Bezug daraus zu
verbannen.
Bernahrdi, der zunächst lesen wird, übergab seine Produkte Bräunlich zur Beurtheilung.
Glossen.
Bräunlich wurde wegen eines ganz abscheulichen Grammatikalers angedutet, was Schmelzenn schier ärgern wollte.
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XXVI. – Am 1sten März – Bräunlich nicht erschienen;
„Ein neues würdiges Ehrenmitglied:
Volhard
saß heut zum ersten Male bei, und tauschte die
Glossen,
um sich trefflich einzuführen, mit einigen Flaschen Weines.“
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XXVII. – Am 4ten März – Bernhardi las, Bräunlich hatte seine Rezension schlecht
vorbereitet
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XXVIII. – „Am 7ten März.
Ohe! Bräunlich beharrte in der Hartnäckigkeit und lieferte heut den versprochenen 24sten Februar[*] nicht,
auch nichts Anderes. Was man darüber sagen könnte, bleibt lieber ungesagt. Durch Schulzes unermüdliche Sorge
ward der Fehler Bräunlichs einigermaßen gut gemacht, indem jener vorlas:
aus dem befreiten Jerusalem übersetzt
von Gries, die Episode von Armida
und
Rinaldo Geh. 15 [?]
Glossen.
Bräunlich hatte einige Tage vorher die Gesellschaft durch eine außerordentliche Weinsitzung zu versöhnen
gesucht. Heut trank man wieder einige Flaschen, aber aus eignen Mitteln.“
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XXIX. – „Am 11ten März.
Gebauer
las folgende eigene Gedichte:
1., Sonett. Wildenhayn gab darüber folgendes zu vernehmen:
„Ist freilich ein Sonett, angesehn das wohlgerechte Reimgebäude und die
schönen Redensarten, sonst aber scheint mir’s auch Nichts zu sein. In der größeren Hälfte tritt
der Vers bald da bald dorthin, um den anbrechenden Morgen in Augenschein zu nehmen, bis er herausbringt, daß Alles
miteinander aufwache, auch die Blumendüfte, und merkt schließlich an, daß zwei Liebende auf einem Berge sich
zusammengedrängt haben.
Alsbald kommen in der zweiten Hälfte Engel herab, die Alles voll blumen machen, des Him̅els schönste Gaben
(welche?) umduften sie und es lassen sich Lieder vernehmen. Und die Liebenden? bleiben ruhig als ungestörte Figuranten,
als Statisten oder Iacisten [?] liegen, denn
die ganze Herrllichkeit ist aus, dieweil das letzte Terzett nun abgelaufen.
Mehr weis ich nicht zu sagen, denn schon zu oft ist von den tauben Leuthen, von der weichlichen Grund= und Gestaltlosen
Bilderüppigkeit, von der nebelartig zerfließenden oder vielmehr verdunstenden Traumpoesie dieser Zeiten auch unter
uns die Rede gewesen, als das ich hier wiederholen möchte. Noch ist zu bemerken, daß sich für den Betrachter
aus höherem Standpunkt solche unorganische Reimconflute selbst parodiren.“
Dieser Kritik ward allgemein beigestimmt, das vorliegende Sonett dem gemäs für wenig mehr als gar Nichts
erklärt, und auf des Vfs Angaben, daß es ein Produkt früherer Zeit und mehr Studie der äußeren
Form besonders durch das überschwengliche – gesündigt worden.
2., Liedchen.
„Scheint mir das bessere von allen. Was in ihm wirklich gut und wahres Lied ist, appellirt an die Empfindung, und ich
will es nicht zwingen der Kritik Stich zu halten. Daß es durchaus der Neuheit ermangelt, ist ein Tadel, der in unserer
Zeit Millionen trifft, daher aber auch nie geschenkt werden soll. Ganz aus dem Herzen scheint mir’s doch nicht
gequollen, weil ich darin die innigmahnenden Töne vermisse, die nicht durchs Ohr an’s Herz, sondern aus dem Herzen
herauf an’s Ohr schlagen, die eigentliche Melodie der Empfindung.“
Die angenehme Darstellung des nicht neuen Gedankens ward nach Verdienst anerkannt und das Lied mit Wohlgefallen aufgenommen;
einige Einzelnheiten aber dem Verfasser zu gelegentlicher Aenderung empfohlen.
3., Für die liebe Jugend.
„Diese möchte sich wohl am wenigsten daran ergötzen, wenigstens hat mir’s Mühe gekostet in der
unklarenn schwankenden und doch wieder gar zu greiflichen Darstellung mich zu finden. Was wirklich poetisch daran ist,
fällt dem Volksglauben anheim, und bedurfte keines weiteren, am wenigsten eines lang ausgesponnenen Schmuckes.
Merkwürdig schien mir die heldenmüthige Schlußresignazion der Mutter. Das Ganze aber wollte mich mahnen an
eine der herderschen Legenden, die in keuschem Schmucke so lieblich prangen.“
Das Gedicht wird unbezweifelt nicht wenige Leser der Jugendzeitung außer sich setzen, und somit ist die Kritik
erschöpft.
Glossen.
Heut war’s nach der Sitzung angenehm: Bernhardi las zuerst ein eigenes Spottgedicht auf die Jugendzeitungsdichter, das
Alle zum herzlichsten Lachen brachte und sub l.E beiliegt; darauf theilte Bräunlichh ein Geschichtlein eines gewissen
H. mit, welches im entgegengesetzten Wirken nicht weniger die Zwergfelle erschütterte.“
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XXX. – „Am 15ten März
Bernhardi
las aus
Schellings allgemeiner Zeitschrift von
Deutschen
für Deutsche 1. Heft
Die Kämpfer aus Drontheim,
Idyllen von Fr. Baron de la MotteFouque,
zu allgemeinem Beifall.
Glossen.
Schulze und Bernhardi strengten ihre Fantsie in abenteuerlichen Erzählungen zur
Unterhaltung der Gesellschaft an, die gar zu bald aus der Sitzung in die Glossen übergegangen war. Wildenhayn gab ein
einziges Mal eine Episode, die ironisch sein sollte.“
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XXXI. – „Am 20sten März
Bei völlig erleuchtetem Hause.
Wildenhayn
las folgendes eigene Gedicht:
An Odila. Sentimentalelegie.
Bernhardi ließ sich darüber also aus:
„Wenn gegenwärtige Rezension über Gebühr erbärmlich
ausfällt, so mag’s die literarische Arbeit verantworten, die mich noch zu guter Letzt bis auf’s Blut
gequält hat. Ich bitte um Schonung.
Wildenhayns Gedicht hat mich nicht angesprochen. Ich wandelte immer darin umher, wie in einer üppigen Fläche mit
blühenden Wiesen und Bäumen, aber ohne Höhe, ohne Berg. Ich fand keinen Punkt, an welchem ich die Betrachtung
sammeln könnte, der gleichsam das farbenreiche Gemälde zussammenhielt. Allerdings mag, wie oft besprochen, eine
gewisse Gestaltlosigkeit wesentlich zum Charakter der Sentimentalelegie gehären, aber ob sie in dem Maaße
herrschen muss und dürfe wie hier, eine andere Frage. In der Beschreibung des Traums scheint sie mir beinah gesucht, um
der Natur des Traums gemäs zu sein, dessen Gebilden allerdings dieses Verrinseln, Verstieben, Verfluthen, Verfunkeln
recht eigentlich zukommt. Aber darum eben möchte ich dergleichen Beschreibungen als ungemäs der Elegie erkennen,
weil diese ohnedieß schon an einer gewissen Träumlichkeit leidet, die man lieber durch festere Umrisse
einschränken als noch mehr in’s unbestimmte verwaschen sollte. In Gedichten anderer Gattung dürften
vielleicht die Träume eine schicklichere Stelle finden, und ich erinnere dabei an desselben Vfs herrlichen Mondenschein,
dem eine gewisse Aehnlichkeit oder Verwandschaft mit vorliegendem Gedichte nicht abzusprechen ist.
Was das Technische betrifft, so ist die schöne Kunst eines Geist= und Gemüthvollen Studiums nicht zu verkennen, und
dennoch habe ich mich in dem Rhythmus des Gedichtes nicht immer recht behaglich gefühlt. Ich fand zuweilen kleine
Härten oder auch kleine Mühseligkeiten, die mir das ruhige gleichmäßige Fortwallen der Darstellung zu
hemmen schienen. Doch wie gesagt: die literarische Mühseligkeit hat vielleicht meinen Sinn verwöhnt, das ich das
Schöne nicht erkenne. Dem ungeachtet aber hielt ich für besser, mein Urtheil zu geben wie es ist, als ein
erheucheltes oder gar keins.“
Schulze hielt das Gedicht für reine Satyre, welches Urtheil durch den Metameieran, den Wildehayn nachher zu wahrer
Erbauung vorlas und der sub I. in Abschrift
beiliegt, einigermaaßen begründet wurde.
Glossen.
Bernhardi las seine bekannte literarische Arbeit, mit Beifall.“
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XXXII. – Am 22ten März – Bräunlich las
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XXXIII. – „Außerordentliche
Sitzung am Marientage den 26ten März.“ – Schulze
las
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XXXIV. – „Am 27sten März.
Bräunlich
las folgendes eigene Gedicht:
Entrückte Liebe
Wildenhayn las darüber also:
„Dies ist, offen gestanden, von Br. mir bekannten Studien das erste, was mich
wirklich ansprach und dem ich Idee nach meiner Ansicht zugestehen möchte, und doch wieder, wenn ich auf die
Ausführung, die eigentliche Darstellung sehe, so kann ich das übertragene Richteramt nicht anders als strafend
üben!
Das zusammentreffen der Braut= und Gewitternacht ist in unzählichen Romanen benutzt worden, von den Meisten wohl,
unbewußt der tieferen Bedeutung, als bloßer Kontrast, auf jeden Fall aber ist es eine herrliche Idee, den
gewaltigsten Kampf der Elemente mit dem innigsten Liebesbunde, die kalten Schauder der Furcht mit bräutlichem
Wonnezittern zu identifiziren, und auf diese wahre Natureinheit hat hier der Dichter offenbar hingestrebt. Aber nur gestrebt;
denn erreicht hat er sie in der Darstellung, die durchaus unbeholfen, matt und gezwungen erscheint, keineswegs. Ich gehe
sogleich, um dies zu erörtern, zur Beleuchtung des Einzelnen über.
Die dramatische Form scheint mir glücklich gewählt, oder vielmehr hier, wie sie allemal sollte, aus innerer
Nothwendigkeit hervorgegangen. Ueberhaupt belebt dieselbe durch größere Individualität und schützt somit
vor dem Zerdunsten. Diese gegebenen Vortheile hat aber der Dichter meines Bedünkens schlecht benutzt. Es fehlt durchaus
das Präcise, Fließende im Dialog und die Personen scheinen bisweilen den Reim zu beachten. So gar vieles ist
Flickerei, Lückenbüßer, Leichnam und Nebelwort. So im zweiten Verse: „Wie Feuer dort die Nebel
glühn“ giebt mir kein Bild. – Die Zeilen auf „leuchten“ und „beugten“ drückt
eine bängliche Reimesgewalt. – „Es war der erste Liebeskuß“ warum der erste? Die folgende Zeile
giebt mir kein Licht aus ihren Wolken. – „Der Sturm ist ja das Brautlied nur“ heißt auf Latein und
zugleich auf Deutsch: „ reg satii nota, procellam nihil aliud esse, nisi cantilenam
nuptialem,“ als welches meinem Gefühle hier widersteht. – „Laß eilend uns zur Heimat
ziehen“ Einflicksel. – So lange die Liebenden sprachen, ging es noch leidlich ab, aber mit den Versen, die der
Dichter spricht, kommt die Redensart unaufhaltsam hereingeschossen. Da kommt „Glutverlangen“, da das
„trunkne Herz“ welches bereit schon vor Klopstock taumelte pp. pp. – Mit Misfallen sieht man darauf, wie
die Laube sich gleichsam aus dem Stegreife auf den Felsen setzt, obgleich das „himmelwärts“ uns
einbläst, was der Dichter uns damit vorstellen wollte, und – nicht konnte. – Bis zum vorlezten Verse bin ich
wenigstens in der Tendenz des Ganzen mit dem Vf. einverstanden, aber meinen Abscheu vor dem letzten kann ich gar nicht
ausdrücken. Hier muß auf einmal der heilige Geist der Poesie gänzlich gewichen sein, denn hier, wo es einzig
darauf ankam, den vollendenden Schlußstein einzufügen, bricht plötzlich das hohle Gebäu in sich selbst
zusammen, indem statt der Einung Vernichtung, statt der Vergötterung Verteufelung, statt der himmlischen Liebe das
wüste Verbrechen endet, und die Ueberschrift lügt nur in sofern nicht, als „entrückt“ von
zweierlei Richtung gelten kann.– Daß der steile Pfad versinkt, könnte von hoher Bedeutung sein, erscheint
aber hier nur Bedeutungslos. Aber warum stehen die Felsen traurig, warum ziehen düstere Wolken drüberhin, warum
müssen gar noch am Ende ganz fremde Liebende Liebende kommen um nicht
mehr hinzugehen? – –
Ich hätte nicht anders zu schließen vermocht als so, daß die physische Verklärung am Morgen nur der
Wiederschein gewesen wäre einer hochgeistigen, welche die Entrückten selbst als ausgestrahlte Glorie umflossen
hätte. – Vielleicht ändert dies der Vf. in einer bessern Stunde selbst noch einmal.
Noch muß ich bemerken, daß ein höchst unangenehmes Gefühl den Leser überfällt bei dem
durchaus unconcinnen, gar nicht harmonischen, nicht gleichgegossenen in Bild und Wort und Vers. Es ist durchaus kein Stil in
diesem Werke, worin ein so reiner sein könnte, und bei dessen Mangel die gesuchtesten Redeblumen nur Armut verrathen.
Vielleicht kommt dies bei unserem Freunde hauptsächlich von technischer Unbeholfenheit her, und ich empfehle ihm
dringend, sich durch eigene Studien in diesem Theile der Kunst mehr Gewandheit zu verschaffen. Wo sie fehlt, da erlahmt und
erliegt der Geist unter der drückenden Masse, und der Zagende geräth so leicht auf den tollen Wahn, daß die
rhythmische Rede nicht der wahre angeborne Leib der Poesie sei (welche ohne den Geist freilich ewig leblos bleibt) sondern
ein steiffaltiges Kleid, das man als Grille der Willkühr wegwerfen müsse. Aber die Sprache ist nun einmal das Meer,
das den Dichter von den glückseligen Inseln trennt, dahinüber soll ihn die Woge tragen, und – wer nicht
schwimmen kann, ersäuft! ––– “
Die Gesellschaft stimmte damit überein, erkannte die Tiefe dess Gedankens, mißbilligte aber die Ausführung.
Schulze schlug vor die dritte Strophe vom Ende zu kassiren; Wildenhayn rieth zu einem Umguß; allgemein ward aber das
Gedicht für das beste von Bräunlichs bisher gegebenen Produkten erklärt.
Das nächste Mal wird
Bernhardi
lesen, und
Schulze
rezensiren.
Glossen
Vacat“
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XXXV. – Am 29ten März – Bernhardi las
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XXXVI. – Am 1sten April – Gebauer las
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XXXVII. – „Kriegerische Sitzung
am 5ten April.
Wildenhayn
las:
Properz dritte Elegie; aus der Uebersetzung
versuchte Darlegung derselben mit Gegenstück zum Metameieran; s. Beilagen sub. lit. K.
Wegen des bevorstehenden Kreuzzuges war alles sehr zerstreut und dachte mehr an die
Preußen als an Properz.
Glossen.
Bräunlich entwich abermals zur Ungebühr sogleich nach der Sitzung.“
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XXXVIII. – „Abermals kriegerische
Sitzung
am 8ten April“
Bernahrdi las
„Gespräche über Kavallerie- und Jägerdienst. Hoffen und Harren.“
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* Gemeint ist sicherlich Zacharias Werners Drama „Der vierundzwanzigste
Februar“, dessen Uraufführung zwar bereits am 13.10.1809 in Coppet im Privattheater der Madame de Stael stattfand,
dessen Erstdruck allerdings erst 1815 bei Brockhaus in Leipzig erschien. - ?
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Protokolle
über die Sitzung einer literarischen Gesellschaft (Mitglieder: Bernhardi, Bräunlich, Gebauer, Schulze, [Volhard],
Wildenhayn). - GSA 67/158
mit freundlicher Genehmigung der Klassik
Stiftung Weimar
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