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Sie
[Lorenz Oken] haben meine Wortschreibung einiger Bemerkungen werth
geachtet, die ich zugleich mit für die Isis beantworte.
Allen Einwänden, auf Uebereinkunft oder
Einzelmeinung fussend, begegne die Thatsache, das unsre Wortschreibung,
von Sprachsinnigen vielfach als ungenügend befunden, in öfteren
Versuchen auf ein Bedürfnis deutet, welches theils im Wesen der Sprache
selbst, theils im Geschichtlichen deutscher Schrift = Bildung muß
nachzuweisen sein.
Wen nun „einfachste Bezeichnung des an
sich
Einfachen“ als das Wesentliche vernünftiger Schreibung, im griechischen
Muster vor Augen liegt, und ferner, ein Blick auf die Zeitfolge unserer
Drukbücher und die Handschriften der schwäbischen Zeit, fast in allen
Ueberladungen spätere Einschwärzung erkennen läst; die Schrift aber in
Wechselwirkung mit der Rede gebildet, verbildet und geläutert wurde: so
wolle man, stat ein Höchstes der Einfalt aus dem nothwendig
verzwieselten Wurzelgewir machtsprecherisch hinzustellen, nicht minder
almälig sichten und schlichten, lieber meidend als setzend verfahren,
nur offenbar Ueberlästiges ausstosen und
algemach die mögliche Klarheit
wiedergewinnen, mit immer klarerer Beachtung der Abstammung, weil diese
freilich in jeder selbschöpferischen Sprache den köstlichen Keim der
Lebendigkeit so gewis bewahrt, als Wipfelschos und Blat im Baume noch
den Wurzeltrieb. Jedoch werde hier nimmer dem geistigen Sinne des Auges
auf Kosten des leiblicheren Ohres gedient, welchem in Sachen des
lebendigen Wortes die Entscheidung allein gebührt. Ich werde mich hüten
ein h zu streichen, wo es als Dehnzeichen unschuldig oder, wie sie bei
Gemahl von Gemahel richtig erinnern, zur Sylbe gehört; wiewol im
Urworte zwischen jede zwei Klinger (Consonanten) ein Lauter (Vokal)
kommen dürfte, auser etwa, wo zwei Wortstämme in einen vergattet sind,
gleich als zwei in einandergeschobene [152] Krüstalle, wie Lauter samt h= Laut (h, ch,
(g, k) d. i. Lauter als Urstam, der in Klinger
hinüberstrebt, mit Lauter samt T=Laute, im Deutschen häufig (z. B. eh, ah,
ach, ih, mit at (= et, it usw.); in Echt, Acht,
nicht usw. - :
sofern es Neubewustheit alter Stammklänge vermitteln könte; je früher
aber in Vertauschung der urhaft runischen Bezeichnung mit der, laut
Otfried, ungenüglichen lateinischen, auch unserer Wortschreibung ein
Läuterungskampf in Umähnlichung des Fremden aufgegeben war, so lieber
gönne man dabei dem Ohre sein Endurtheil. Was aber kan fürs Ohr
geschrieben werden? - : das Tonliche nicht; den diese Sele des Wortes
klingt in der Brust des Volkes an, mit dem sie ausstirbt, wen auch der
Geist Jahrhunderte noch aus den erstarrten Zügen fortredet; - aber
worin findet nun der seine Gebärdung? oder was vom Worte kan die
Schrift versichtbaren? nichts als Fortbewegung in Zahl und Mas der
Tonfolge, die Succession, das Mechanische vom Musikalischen; Form,
Schnit und Fassung des wasserhellen Edelgesteins der Lautigkeit (des
Vocalismus), also Zeitverhalt der Lauter in Verbindung mit den Klingern
überhaupt (Consonantismus). Offenbar also wird man dichtmaslich
(metrisch) der reinsten Darstellung am nächsten kommen, so näher, als
ein Dichtmas selbst, worin ja ursprünglich die Sprache in höchster
Geltung erscheinen wil, die Bezeichnung der Bewegungsfristen, als lang
und kurz, oder des Ein= und Mehrfachen in Gegensetzung, ausschliesend
beabsichtigt. Kein Dichtmas aber leistet dieses ausschliesender als das
Mas = zählende, nicht blos der Griechen, wonach auch unsere Sprache
seit Klopstok die Sehnsucht nicht verläugnen kan: weshalb ich die
schönste Beglaubigung meines deutschgefundenen Wortmases darin
erblicke, das es sich auf die Sprache bis zur Forderung solcher
Schreibart einwirksam bewies, die übrigens blos das Masvernichtende
vermeiden wil.
Bis ich also mit und aus dem rhythmischen Ursatze
(Principe) selbst meine Wortschreibung begründen kan (in dem
versprochnen Werkchen „zur Wolbewegsamkeit d. d. Sprache.“) möge
folgende Rechenschaft ein Miskennen verhüten.
Alles bezweckt die Darstellung des Langen
als lang, des Kurzen als
kurz, mit bereits vorhandenen Mitteln.
Daher wird den Lautern ihr Dehnzeichen gelassen, wo
eines
vorhanden, doch keines eingeschaltet, wo es herkömlich fehlte, dieser
mangelhaften Bezeichnung jedoch damit nachgeholfen, das man dem oft
endenden th und s, welches mehrere Formen bietet,
eine Rückwirkung auf
den unbestimmten Lauter zugestehen kann, gegründet auf die
Erstgestaltung des Wortstams aus Lauter mit hinten angetretenem
Klinger, gleichwie auch das Kurzlautige in den Mustersprachen Positione
gelängt wird durch Antrit, nicht Vortrit von zwei Klingern. So bleibe
das verschollene th einsweilen
hinter Langlauten, wie Gluth, Muth,
roth, Rath usw., wo es einmal steht: im Anfang ohne dies als
unschädlich. Von unsern ⌠, ⌠⌠, s,
ß
aber, deren
Unterschiede viel
weniger noch auszumitteln gewesen als tausend Wichtigeres vom heillos
verwahrlosten Tonischen der Sprache,
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wähl‘ ich das gefällige End=s
auch
für die Mitte hinter Langlauten, um, in „Mase“ z. B. mit 4 Buchstaben
zu sagen, was man durch „Maaße“ mit sechsen auszudrü=[153]cken pflegt.
Auch hinter
Zwielautern setz‘ ich gern das s, wen ein Lauter antrit, stat des
bisherigen ß (als: hausen, drausen,
gleisen usw.), um den etwaigen
Sonderlaut noch freizustellen, während das ⌠ am bequemsten in
doppelendiger Lautung sich anfügt (wie in wach⌠ en, Räth⌠ el u. dgl.),
zumal wo es voransteht. Endlich mus mir das s, besonders bei verbal=Endung auf t
nicht nur hinter Längen allemal in seiner
Zusammengezogenheit ein Häkchen (Apostroph), sondern auch hinter
Kurzlautern überdies den Doppelklinger ersparen (tost = toset; saust =
sauset - mist = misset, müst = müsset, besre = bessere. Endlich lieb‘
auch ich das s als flüssigste
Löthung in unserer strengflüssigen
Sprache, und möchte es nicht
Wolke’sch unbedingt verbannen als
Bindelaut. Das häsliche ß aber
verwerf‘ ich gänzlich als zu den
grundfalschen Doppelklingern am Ende gehörig. - Diese, den freyen
Tonschwung hemmend, sich selbst zur Last, wie durch schnöden
Geisterzwang zusammengebante Doppelgänger, sind wol die unglükseligsten
Misgeschöpfe der neuen Heterographie. Den: -
: Warum und wo giebt es Doppelklinger? - : Der
Kurzlauter wil, um deutlich gehört zu werden, meist höheren Ton, also
heftigeren Hauch, dessen, hier plözliche, Hemmung den Endklinger
dermasen [D]
anschnellt, das er an Inkraft im Ohre gewint, was dem Lauter
an Dauer enzogen ward. Der strenglautige Stof wird anerklungen und so
getroffen (vom Accent, vom Ictus gleichsam tonbegeistiget) erfüllt er
nun inbeharlich im Gehör, als Tonkugel ausschwankend denselben
Zeitraum, welchen man Positione
lang nent, was ich gelängt nenne;
dafern nämlich ein unmittelbar antretender Lauter den Anklang
fortleitet, so das dem Ohre die nächste Sylbe mit gleichem Klinger
anzuheben scheint. Den dan allein ist es der Zunge bequem, die
beschleunigte Lautkraft auf den Klinger zu werfen; auserdem verklingt
sie stumpf darin; so das es unmöglich, den Endklinger als doppelt
auszusprechen, und jedes dagesch
forte (wie unsere Doppelung) nur
rückwärts die gehöhte Kürzung des Lauters bezeichnet. Das Bewustseyn
dieses Verhältnisses macht auch die ungehemte Kürzung der Aussprache
möglich, wen man den Lauter entschieden kurz, und den Klinger als
haftend am folgenden Lauter spricht; z.B. mi’teninne u. dgl., was die
Griechen wol fühlten und thaten, nach Bedürfnis des Dichtmases. Noch
inniger vielleicht als dort haftet der Klinger am Folgelauter in
unserer Sprache, die das lebendige Quelwasser ihrer Lautigkeit über das
Felsgestein der Klinger dahinrollt, während die griechische geräuschlos
= heller aus sich heraus in lautere Klangwogen überquol; wo dan auch
bei uns die Position soviel
an Geltung einbüst, als der Vortrit der
Klinger vor dem Nachtrit gewint. Ich deute auf die Gewichtigkeit des
Anklangs (= Alliteration, nicht des Ausklangs = Assonanz), welcher bey
uns von uralters her in den grosgemalten Anfangsbuchstaben fortwirkte,
wie in den grosgedruckten heute noch.
Doppelklinger also können stehen, nur am
kurzlautigen Stamme, wen noch ein Lauter antrit, oder, wen dieser noch
übliche ausfiel, zu seiner Bezeichnung und zum Unterschiede von
ähnlicher Stamlautung wie hallt =
hallet und halt! u.
dgl., und das
hier Gesagte gilt für alle Buchstabenschrift.
[154] Wer wie gesagt geschichtlich unsre Schreibung,
von der Einfalt uralter Handschriften an bis auf die neuen Neuerungen
durchgehen wil, der wird im eben Entwickelten die Herkunft unsrer
Adelungisch = misverstandenen Doppelklingerei befinden, und nach Lesung
meines Abschnits „vom Wortmase“ wird es einleuchten, das eine
Schreibart wie die gewählte sprachgefordert, nothwendig nicht gesuchte
Sonderbarkeit oder Nachahmung war.
Verfahre in Dingen der Wilkür ein Jeder frey mit
sinbewustem Urtheil, so werden wir die rechte Wortschreibung bald haben!
(Dr. im Febr. 1820.)
Karl
Wildenhain.
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