einige Erläuterungen

           Kleinmeistereyen in deutschen Schriftsachen.         

(Beilage B. zu Kleinmeistereien No. II.)

Ein Bild1

von diesjähriger Dresdner Ausstellung. August 1819.




[145] Guten Abend Freund! Wohin? Du ziehst vorüber, so düster in Dich hineingebükt; kom doch herauf! – „schon Abend? Nun ja, der Himmel ist trübe genug. Du aber schaust so heiter heraus wie immer. Ich komme hinauf zu Dir.“ – So sei gegrüst, wenn gleich unfreundlicher als das Wetter drausen: Du trauerst wieder. O Freund, wie lange wilst Du doch den lichten Jugendhimmel Dir mit Flor verhängen und laublos dür und öde stehn, im Lenze, der nur einmal um Dich blüht. Kom, setze Dich: von Tagen las uns reden, die jugendlicher waren, und durch die Lieben hoch beglückt, um die Du in Einbildung Dich abhärmst. Heiter solst Du werden, froh. – „Das hass‘ ich, Freund, nenne mir herbere Qual, als, das Seligste hoffend, das Schwärzeste fast vor Augen sehen, und beim glücklichsten Ausgange doch wohl beweinen müssen, was ewig verloren bleibt – : und gönne mir meinen Harm.“ –
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O, ich weis, es giebt eine Wonne des Harms und die gönn‘ ich Dir, den sie gehört dem Ewigen an, aber nicht das süsliche Versinken in Schwermuth, das nimmer wagt zum Trost emporzusehen. Ist das der rüstige
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Glaube, der über jedem Hindernis den Sieg, über jeglichem Schmerz die Freude wuste? – „Das waren schöne Zeiten Freund, aber ich sah‘ es kommen, kalt und farblos wie jetzt die Sonne sich nach Westen wendet, werd‘ ich zu Ende gehn, sie wird sinken, und in der Nacht mir Liebe, Lust und Kunst verloren sein.“ – Nun wol Dir, wen Du trauerst um die Kunst: dan ist sie noch Dein und die Liebe dazu. Und siehe da wird es licht am Himmel: nur gleich hinaus ins Freie. Die Landschaft hat das Herliche vor den Menschen voraus, daß sie uns immer mit der Welt befreundet, weil sie, gleich als ein reines Blat, wie eine heitre Sele das Anvertraute treu bewahrt, und nie anders uns anspricht als wir sie. – „Da sprichstu ihr die Kunstbedeutung ab, und wahrlich, ich weis nichts Wüsteres als unsre Landschafts=Pinselei, die aus der Fülle des Einklangs aller Schöpfung ein paar Töne hinfingert und ewig wiederleiert und selber nie weis, was sie wil. Sind nicht alle die festgewordenen Irdformen und selbstkräftigen Pflanzgebilde in ihrem Miteinandersein und Ineinanderleuchten so viele Worte des Schaffenden? O, [146] wie nichts=sagend, mat, armselig sind Eure zusammengewürfelten Schildereien!“ –  Da halte Dich an treue Bildnisgegenden, wo Ueberreichthum nicht zu läugnen ist. Den redet da nicht jede uns mit andern Worten an? und giebt nicht jeder neue Standort ureigenthümliche Ortsamkeit? (Idiom der Landschaft). – „Das eben ärgert mich; dies Nachbuchstabieren von Worten und Halbgedanken die 3 – 4mal auf Einer Seite stehn im Schöpfungsbuch: den jene Immerneuheit ist so wenig wahr, das wir dieselbe Gegend mehrfach wiedersehn, ja, oft geträumte wirklich finden. Und wens noch allemal Gedanken wären; aber nicht einmal volständige Sätze sind es, geschweige kunstgültige, die als Gedicht den Urgedanken eines Abschnits, oder den Geist des ganzen Buches aussprächen.“ – Da bin ich einverstanden. Den, wen freilich die Gotheit auch hier nicht anders als dichten konte, so liegen doch jene Weltworte umhergestreut in aller Schöpfung; zu gros für unsre Ansicht; und geschieht es ja, das ein Kunstächtes einmal zusammentrit für einen Augenpunkt: was kan das anders heisen, als, im bunten Stein ein Bildnis von zufälliger Wahrheit finden? Der Landschafter mus, wie Du richtig forderst, erlebte Formen schöpferisch, wie der Dichter die Sprache, brauchen und aus dem Wirklichen das Schöne leisten. So freilich erscheint dies Feld ungeheuer, da sein Gedanke den Erdbal insgemein bildforschend umschweben mus, um die gegebene Stoffschau zu gewältigen zur Selbschöpfung. Sind aber Fleis und Liebe gar nichts werth, womit ein Meister das freundlich Nahe zu durchgeistigen ringt; hat nicht vielmehr das Einzelwort, schon im Sinne, den Gehalt eines Gedankens, dessen Entfaltung als Wortstam sich eine Welt sezt; wie die Bearbeitung einer einzigen Baumform in üppigster Mannigfaltigkeit Kunstwürde haben kan? – „Das geb‘ ich zu und weit mehr noch. Ich behaupte, das Deine al=irdische Landschafterei doch keine gesamtländische sein könte, höchstens in ortgemäser Reihe von Haupt= und Hochbildern gedenkbar, man müste den wilkürlich, kek einbildnerisch verfahren. Heimatliche Beschränkung ist demnach nothwendig; nur in der Muttersprache sol man dichten. Also erkenn‘ ich deutsche Landschaft an, wie [147] deutschen Volksang, und eine englische und nordische so gut wie Ossians Nebeldichtung und die skaldischen Weisen. Auch gesteh‘ ich, das es dem Malergemüth im bewustlosen Erfassen so geistreich gelingen mag als z. B. die Bedeutsamkeit des Heimisch=Ländlichen aus mehr als Einem Klengelschen Bilde mich anklang, ferner, das alles Wahre kunstfähig sei, aber viel zu selten find‘ ich das Bedeutende erfast, kaum irgend erschaffen.“ – Da regstu frühe Wünsche in mir auf und Dein Ausdruck „Hochbilder“ gemahnte mich tief, wie sehr uns jene Formgewisheit fehlt, die noch in Handwerkmäsigen Gebilden der Alten mit der Gebärdung hoher Urbilder durchblickt. –
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Das macht, in jenen Sterblichen klang das Geheimnis der schönen Gestalt in hellen Tönen an und so heraus. Der Mensch, der Erdengot war das höchste Gebild, wozu der himlische sich auch bequemen muste, den man herabgezogen, so wie das Leblose darin unterging, das man heraufzog. Sie hatten Berg=, Feld=, Wald=, Baum= und Quel=Menschgötter und landschaftliche Sinbildung genug, aber kaum Landschaft in unserm, freilich ausgestorbenen Sinne.“ – O, nimmer ausgestorben! Deine Düsternis verschmäht nur das Heitre, was du selbst andeutest; jene befreite Begeisterung, die wol christlich heisen darf, weil sie, nicht mehr befangen in enger Menschenform, hinter aljeglicher Gestaltungen Fülle den Ewigen anschaut, der in Allem der Eine ist, und ihr Gebet an ihn nicht mehr in die kümmerliche Schrift der Menschgebärdung allein zu bannen sich begnügt. Doch für dies Loblied alles Erschaffenen das Urtonmas (Generalbas) herauszuhorchen, darauf, als festen Grundgewölben, die Klanggebäude sich erhüben: dazu wären jene Hochbilder, als so viele Geister unsrer Himmelstriche und ihrer Stätigkeit gleichsam in mythische Würde tretend, ein Anfang recht für unsre Zeit, der ja, wie das Tonschöne (Musikalische) überhaupt, so im Gemälde die Landschaft am nächsten liegt als derjenige Stof, den sie nach kunstgeschichtlicher Entwickelung vollenden sol. Freund unsre Kunst ist nicht selenloser, sie ist geistiger geworden in ihrer Aldeutsamkeit. – „Führwahr eine verheisungsvolle Ansicht; nur las die Formlosen sie nicht misbrauchen, die sich die Kunst erdeuten wollen und Sinbild geben stat des Bildes, deren eigne Entstaltung nie dahinauf gelangt, wo Gehalt Gestalt wird.“ – Das eben ists, und hier erinr’ich freundlich an Hartmans „Erlkönig“ vol werdender Gestaltung, wiewol nicht ohne Vergunst des Göthe’schen Gedichtes: denn freilich, aus dem Wahrhaftigen wil das Bedeutende erfast werden, das allein zum Ziele führt. Das Bild war vor Jahren auf der Ausstellung: Du hast doch die jetzige besucht, und was sagstu zu den Naturgemälden von Dahl? – „Ich war nicht in allen Zimmern, aber ein Streben nach Bedeutsamkeit hab‘ ich algemein wahrgenommen, und diese Gegenden sprachen mit dreister Naturwahrheit mich an. Sie sind gewählt, erfast und geben Handlungen, ja Thaten der Welt im Freien, und an dem Schiffbruchmorgen lob‘ ich besonders den Man, der rettungsmüd entkommen, auf dem Felsgestade sitzend in sich hineinschaut, recht als ein Geist und Spiegel der Ortsele des Bildes. Den ich tadle die nackte Landschaft, die immer den Beschauer sein eignes Ich in ihrem Augenpunkte zu spiegeln zwingt, der doch nur in Bezugsetzung auf Menschheit menschlich verstanden wird.“ – Auch da begegnen wir uns, Ich halte die einsame [148] Landschaft für seltener ächt, und fordre sie zumeist als wahren Leib einer Menschenhandlung, eines Gemüths, wie die mitgeltende Oertlichkeit im Gedichte. Ja, sofern wir allerdings die äusre Welt im Freien nur im Einklange mit unsrer Ausenheit verstehn, die eigne Gestalt, den ihren unwillkürlich eingebärdend: wäre zu forschen, wiefern das Gliedmasliche in Verhältnissen der Formen, wie das Gebärdige, wieweit das Menschformliche (Anthropomorphische) überhaupt in der Landsch. anwendbar sei, damit alle Gestaltsamkeit menschlichen Wesens, in mächtigen Urformen dargelegt, darauf in den engeren Kreis der Mithandelnden zusammengetreten, zuletzt in einer Hauptgestalt ein Antliz fände, daraus die innere Schau uns mit der Gewalt jener himmel=höllischen Welt= und Christusbilder, wie sie vor Michel Angelo und Rafael nur unsre Altdeutschen gewagt, verklärt entgegenleuchtete. – Doch wie, hastu den Friedrichs Winterlandsch. mit gesehn? – „Nein.“ – O so las uns eilen, noch ist es Zeit, wir gehen hier rechts die grose Treppe hinan auf den Garten. Ich wil es nur gestehn, das ich dahin dich geleiten wollte, zu einem Kunstgenus, der dich so recht empfänglich fände. Sieh da, die Sonne wirft noch warme Lichtblicke über die Brücke dort am Elbgehäge hinüber, das die Gehänge hinten im Glanze deutlich stehn. Wir haben wol die volle Stunde noch. So las uns vollends hinauf und eintreten; hier immer durch, links ins Professorzimmer. Nun stell‘ Dich her, schau und befreunde Dich! –

„Nun, trübe genug ist der Himmel, und grel ists auch: die zwei dunkelnakten Baumstämme vorn aus dem Schneegrunde, und oben wie abgesägt vom Rahmen, stosen ab mit ihren beschneiten Zackenästen. Sie schneiden das Ganze so schrof dreitheilig durch. Doch in der Mitte die gothische Bogentrümmer, so überhoch in dreifaltiger Durchbrochenheit, trift mich; sie steht recht ehrwürdig über dem verfallenen Gemäuer um den Eingang unten.“ – Und siehe, wie dahinter das letzte Abendrot verglüht und im Verlöschen durch dickvernebeltes Waldgeäst im Hintergrunde schimmert, das die seltsam rotblauliche Dämmerung gleich einer Ahndung auf dem Ganzen ruht. Und wie malt sich der Gedanke, auf den blendweisen Schnee die schwarzen Trauermäntel zu setzen, die unten links heran ins Kirchlein ziehn, beim offnen Grabe vorn vorbei. Dieser Zug allein verbände ja das ganze, das auf die Kirche sich bezieht, und dieses Bild im Bilde solten die Stämme davor uns aufthun. Auch stehn dergleichen Bäume rings herum. Las uns nur heimisch werden auf diesem Kirchhofe. Man möchte herumwaten im harschen Schnee durch die Gräber und sehen wie alles öd, ein Bild des starren Todes ist. Sehr einsam mag es sein im Walde hierausen. Da sieht man keinen Fustrit und Niemand denkt daran, die umgesunkenen Kreuze aufzurichten, die steinere, angemoste, die lezte Kunde längst zerfalner Herzen sind. Nur hie und da im Vorgrunde sind falbe Grasspitzen, aus warmer Schnedecke hervorsprossend und grelgrünes Mos an schwarzem Gewurzel des Lebens Zeugen, das im Verborgenen quillt, auch in den Baumgerippen, die den freien Waldplaz einschliesen. Aber dort nach dem Kirchlein zu ist ein Ast herabgebrochen und eingeschneit; die Stürme mögen oft hier sausen, und grimkalt mag es sein, das sieht man den Ge= [149] sichtern an. Sie aber schreiten langsam in Wendungen des Gesprächs: die Trauer mus ja ihr Recht behaupten, und, feierlich gemessen, den Frost durchschneiden. – „Sie ziehen parweis, alle schwarz gekleidet: mir scheint das Ordenstracht.“ – So ist es. Die Väter eines benachbarten Klosters mögen dem Bruder hier die lezte Pflicht erweisen. Den einen Sarg tragen die Vordersten, die auf dem dritten Stuffensatze schon im Eingange selbst den Rücken wenden. Und bedeutungsschwerer konte sein Anblick nicht gewählt werden, weil er, des ganzen Zuges Endursache enthaltend, erst seitwärts hinter dem Stamme her, dan gewendet nach den Stuffensätzen, die gradaus hinanführen, alle Fristen des Hintragens in eine Stellung zusammenfast, wo er, in seine Rückseite geschwunden, in die Sichthöhe (Augenpunkt) des Bildes selbst gehoben würde, als freilich aller Erdenaussicht letztes Ziel, wenn nicht das gothisch=hohe Thürgewölbe die innere Welt des Heiligthums erschauen liese, alwo über dem Hochaltare der gekreuzigte Mitler herniederblikt, vor dem die Kerzen lodern, und unter ihm der älteste Bruder mit gesenktem Buche wartend steht. Er ist hinaufgetreten in Würden des Hochamtes und wil den Segen des Himmels aussprechen über den Geschiedenen, den sie wol alle geliebt haben. Ja, wie dieser Verklärte selbst scheint er mir dazustehn, des herschauendes Antlitz die Gedanken aller Hinziehenden spiegelt, die den geliebten Geist noch festhalten in Andacht. – „Du redest wahr. Es ist die Abendfeier allen Seins, die Wende zwischen Tod und Leben, und wie der Sarg izt über der Schwelle schwebt, so stehen Zeit und Ewigkeit im Gleichgewicht.“ – Ja, dieser Sarg ist ein Schneidepunkt des Todes, der das ewige Hinschwinden des starren Erdewinters, den aus der Raumunendlichkeit uns der Rahmen ausen vorhält, zu einem unendlichen Werden jenseits steigert; und sühnt dieser himlische Zündstral aus kaltem Schneelichte, nicht allein mit allen Schrofheiten in Form und Färbung dich aus? – „Volkommen, mich deucht ich fühle ganz das liebe fromme Bild, ja, diese Schrofheiten offenbaren mir sich nun als nothwendig, um aus dem Tode das Leben zu verklären. Erscheint ja doch der freie Lindhof als milde Friedstätte in der Wildnis  und ragt das Kirchlein nicht inmitten der gesunkenen Male und sturmgeneigten Stämme mit der Ernste der Ewigkeit fest himmelan? Und wen das düstre Erdschwarz umher freilich das schwer getragne Todesleid versinlicht, worin die blühendsten Gestalten untergehn, so mag das weitverschleierte Gefild wol jene Wonne des Harms, die leuchtenden Thränen bedeuten, darein lebendiger Liebe Gedächtnis, als in ein köstlich Leichentuch den theuren Leichnam einhüllt, gern dem weisen Schnee zu vergleichen, da es so unschuldig rein ist, als wahr die Liebe gewesen. Doch im rosigen Lichthauch oben, schwebt über allen der Entrückte noch mit Weihen der Andacht nah. Es ist der lezte Flügelschlag des Engels, der bald, wen nur die Nacht vorüber ist, in Morgenglut verjüngt aufleuchten sol!“ – So ist es. Und wen sich nun zeigen läst, das dieses Schwarz, Roth, Weis genau zusamen stimme, das, wie Nacht und Licht die Bedingung aller Farbheit sind, das Roth zuerst als Farbe in der Mitte steht, das dieses Verhältnis urhaft in aller Welt begründet, und im Irdreich (welches allein uns feste Musterfarben giebt) am ersten Urgestein (Granit) vor Augen liegt? In diesem ersten Dreiklange ist alle Far= [150] benwelt beschlosen. Das Schwarz vergattet sich mit Weis zu Grau; mit dem Roth aber wird es Braun; hinter dem Weis zu Blau, das wiederum mit dem Roth zum Violet verdämmert. Wie zart sind diese Übergänge hier gehalten, wie dreist wahrhaftig die Färbung an allem, an den umgetretnen Stuffen, an Stam, Gemäuer, Himmel, Schnee, Mos und dem frostfrischen Erdgrabe, an Brettern, Seil und Spaden daneben. Und jener Dreisaz waltet hier durchaus: 3 Räume, 3 Gründe, 3 Stuffensäze; dreifach überragt das Bogenwerk die Halle; 3 Lichter brennen; auf zweien ruht getragen der Sarg, gleichwie der gothische Bogen so sich abschliest. Das Mas der Räume dürfte Wurzel= und Würfel=Zahlen ergeben. – „Das fühl‘ ich alles, und welche Enden hier gebunden sind; vom Grabe, das unten dem Rande nah sich aufthut, bis wo der Eiszapfen herabhangt im Bogengipfel; vom Schneegeflimmer drausen bis zur Kerzenglut; von den Todtenkreuzen zu dem Kreuze des Altars, und wie da Bild in Bild sich unabsehlich spiegelt; das Dunkel im Licht; die Trauer in Wonne; die Zeit in der Ewigkeit. Den der Sarg, was ist er anders als das lezte Gotteshaus, das der Mensch sich bauen läst hienieden, und die Kirche selbst, die wie ein festes Eisgedrus zusammentrit aus zweifelhaften Formen ringsumher, was anders, als ein heiliger Schrein um den Leib des Hern; uns aufgethan, damit alles ins Heiligthum verschwindet und als in inrer Anschau wiedergeboren zurückstralt vor ihm, des Klarheit sich in uns allen spiegelt mit aufgedektem Angesicht, und wir werden verklärt in dasselbige Bild von einer Klarheit zu der andern, als vom Geist des Hern.““ – Und sieh nur, wie so schlicht das Ganze? – Was hie erscheint, ist wahr, es kan, es mus sein, und trit zusammen ungesucht in höchste Bedeutung: das Schöngedachte ist wahr geworden, das Wahrhaftige wirklich. Auch die leergelasne Seite rechts hat ihren Zweck als ein Gedanken=Hintergrund gleichsam die hohle, tiefe Grabaussicht einer Zukunft, die kein Bild mehr hat, nur Todenmale. Du siehst, der Gedanke ist nicht anmaslich in die Schwebe gestellt mit Bleigewichten, er hat sein Gesäs[D], wie jeder menschliche, troz aller Ausgewogenheit. – „Ja, alles ist hinaufgeläutert zum Frieden aus herben Gegensätzen des Lebens, das Freude nur mit Schmerzen giebt und zu der Liebe den Has. So will ich den gern glauben, das hier ein reiner Geist geschaffen habe, freiständig über der gemachten Frömmelei, die auch den geschaffensten Stof nur – antasten kan. Aber wie heist den das liebe Bild?“ –  Da bitten wir den Hern hier neben uns um Auskunft aus seinem Büchlein.

„„Sehr gern: Grabtragung des Bruders zu der Kapelle Trümmern am Waldesende, Winterlandschaft im Dämmerlicht, Oelgem. erfunden von C. D. Friedrich. Wir theilen, seh‘ ich, unsre Neigung.““

„Ja, es scheint algemein anzusprechen, doch, erlauben Sie, Ihre Aussprache erinnert mich Sie in A. bei meinem Bruder gesehn zu haben, und ...“

„„Ich komme daher, und sind Sie es selbst, so mus ich nur um einen dritten Ort bitten, um Ihnen Nachrichten mitzutheilen, die Sie höchst angenehm überraschen dürften.““

[151] Nun siehe Freund, wie konnt‘ ich glücklicher Dich führen?
„Ich danke Dir; Du hast mich erheitert, indem Du mich erhobst; das Erfreuliche trift mich in schönster Stimmung, und ungern trenn‘ ich mich von diesem Bilde. Man ruft, geschlossen!“
Ja, es ist 6 Uhr, und heute wird die Ausstellung geschlossen.
„Für immer?“
Auf dieses Jahr für immer.

Gotlieb Heldunkel.*









*   Nämlich, gegen den Abendblätler Theodor Hell, war im Merkur ein Ferd. Dunkel aufgetreten. – Noch mus ich ausdrücklich erwähnen, das eine Zeichnung von diesjähriger Ausstellung mit meinem fälschlich beigedruckten Vornamen nicht von mir gewesen, als dem man sein Gesuch um Zutritt zu hiesiger Zeichnerschule nicht verwilligt hatte.
W.






1   Das darin besprochene Gemälde Caspar David Friedrichs „Grabtragung des Bruders zu der Kapelle Trümmern am Waldesende, Winterlandschaft im Dämmerlicht“, findet sich bei Geismeier unter dem Titel „Klosterfriedhof im Schnee“. Seinen Angaben zufolge zählt es zu den KriegsverlustenQ. Ich füge es hier bei:

Anklicken: dann wirds größer










Isis: oder encyclopädische Zeitung / hrsg. von Lorenz Oken. - Leipzig : Brockhaus, 1820. - Sp. 145-151


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