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Hektors
Abschied.
Ilias
VI, 390 - 496.
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Als er am
Skäischen Thor, die gewaltige Stadt herab, izo
Anlangt‘,
alhie wolt‘ er hinausgehn in die Gefilde –
Kam
die begabte, das Ehegemal, entgegengelaufen,
Sie,
Andromache, Tochter des hohegemuthen Aëtjon,
Welcher
Aetion wohnet‘ in Plakischer Flur, waldreicher,
Thebe
die Plakische samt Kilikischen Mannen beherschend.
Selbiges
Tochter besas Hektor mit der erzenen Rüstung.
Diese
begegnete ihm, beifolgte die Dienerin auch mit,
Tragend
am Busen das erst unmündig lallende Knäblein,
Hektor’s
Sohn den geliebten, gelich holdseligem Sterne.
Den
Hektor zunante Skamandrios, aber die andern
Astüanax,
Stadtkönig, – es schüzte ja Ilion Hektor.
Und
er lächlete nun und blikte das Söhnichen stil an.
Doch
Andromache stand dicht bei ihm, Thränenergossen,
Ward*
mit der Hand ihm an, und redete und began also:
Himlische Sel‘,
hinrichtet dich ach
dein Muth noch;
erbarmt dichs
Nicht
mit dem lallenden Kind, das ich Arme so bald sol Wittib
Werden
von dir? bald tödten gewis ja dich die Achaier,
Dringen
sie an alsamt, das mir’s nur besser gethan wär
Deiner
beraubt erdunterzugehn, den keinerlei andern
Trost
ja hätt‘ ich anoch wofern dein Los du erarnest**
Als
Weh, seit noch Vater ich hab‘ noch gnädige Mutter,
Den,
den Vater von uns den tödtete Gotman Achilleus,
Legte
die Stadt auch wüst, die Kilikische, wolzubewohnen,
Thebe
mit Thoren so hoch; den Aëtion aber erlegt‘ er,
Raubete
nicht die Gewaffen, er scheute davor sich im Herzen,
Doch
verbrant hat er ihn mit dem künstlichen Waffengeschmeide,
Und
sein Mal dan erhöht, woherum Orlbäume [D]
gepflanzet
Elfinen
aus dem Gebirg, Zeus Töchter, des Ägisschwingers.
Habe die
sieben
Brüder gehabt auch in Kemenaten;*
Al
die wallten hinunter an Einem Tage zum Ades,
Alle
ja hat sie ertödtet der rensame Gotman Achilleus
Beim
schlepfüssigen Rind = und silberwolligen Schafvieh.
Muttern
aber, die herschet‘ in Plakischer Flur, waldreicher,
Die
hat er eben anherogeführt wie’s andre Besitzthum;
Löste
sie aus dan wieder, empfing unermesliche Lösung,
Aber
in Vaters Haus trafs‘**
Artemis, die sich am Pfeil freut.
Hektor
o du bist Vater ja mir und gnädige Mutter,
Leiblicher
Bruder dazu, bist blühender Ehegemal auch,
Wol,
so erbarme dich izo, verharr‘ auf innerem Thurm hie,
Das
Volk stelle den auf beim Feigenbaum, da am meisten
Ueberzusteigen
die Stadt und wol zu berennen die Mauer.
Den
dreimal versuchten es dort andringend die Besten
Rings
ums Ajax = Par, dan um Idomeneus den Erlauchten,
Ferner
um Atreus Söhn‘ und Tüdeus rüstigen Sohn auch;
Oder
wo einer es sage, des himlischen Winks wol kundig,
Oder
wie auch sie’s eigne Gemüth antreibt und erreget.
Ihr
antworte*** dagegen der hoch
helmflatrige Hektor:
Alle
das härmt genug eben mich auch Weib; aber o grausam
Halten
in Furcht mich Troer und Troërinen mit dem Schlepkleid,
Wen
ich feiglicher Art fernab auswich dem Gefechte,
Noch
auch treibet das Herz, als der ich lernete from sein
Alzeit
und vornan mit den Troischen Kampf zu beginnen
Das
ich erhielt vom Vater den herlichen Ruhm mit dem eignen.
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Wol
ja bewust mir weis ich im Herzen das und im Gemüthe,
Der
Tag komme dereinst, da es sinke das Ilion heilig,
Priamos
auch mit dem Volke des Schäftegewaltigen Priam.
Doch
nicht rührt mich also Troja’s zukünftiges Elend,
Noch selbst
Hekabe’s noch König Priamos seines
Noch
der Gebrüder dazu, der gleichwol wakre genug schon
In
Staub sänken danieder, bevor mordgrimmigen Männern
Wie
deins, ob Jemand der Achaier im Eisengewande
Weinende
dich wegführte, den Tag dir raubte der Freiheit.
Thätst
wol dorten in Argos am Baume der anderen weben,
Trügst
wol Wasser vom Quel Messëis und Hüpereia[D]
Zwangwilfährig
anher, weil hart obläge die Nöthung,
Und
etwa eins thät sagen, ersäh’s dich Thränenergosne:
Siehe
des Hektors Weib, der’s Beste gethan hat im Kampfe
Troischer
Rossebezähmer um Ilion so da gekämpfet.
Also
sagt etwa Eins; dir wird neu werden das Wehe
Des
Mans ohne zu sein der Hülfe vom Tage der Knechtschaft.
Aber
es sol mich Todten die Erd‘ einhüllen des Hügels,
Ehe
den ich dein Schrein und dein‘ Entführung erhörte.
Sagte das und sein
Kind langt‘ aus
der umleuchtete Hektor,
Aber
zurück an den Busen der schönumgürteten Amme
Fuhr’s
und schrie dabei auf, lieb Vaters Anblick erschreckt ihn.
Fürchtete
sich vorm Erze, den Helmschmuck, der mit dem
Rosschweif,
Schrecklich
herab vom Scheitel des Helms herschwankte,
gewahrend.
Drob
lachet auf lieb‘ Vater zumal und gnädige Mutter.
Aber
vom Haupte den Helm nahm ab der umleuchtete Hektor,
Setzete
den zur Erden hinab, den schimmerig = hellen,
Sein
lieb Söhnchen sodann küst‘ er und wägt es in Händen,
Sprach
und flehte dabei Zeus an mit den übrigen Göttern:
Zeus,
alsämtliche Götter, o last dieselbige werden,
Mein
Kind, so wie ich auch, fürtreflich unter den Troern,
Beides,
an Thum und Glimpf und ob Ilion mächtiglich Her sein,
Das
etwan Eins mag sagen: er ist weit über dem Vater!
Komt
vom Krieg er anheim, blutfarbige Waffen in Händen;
Schlug
gotähnlichen Man; des freu‘ sich im Herzen die Mutter.
Sagte das, und dem
geliebten Gemal
in die Hände befahl er
Sein
Kind. Jene, daselb‘ am duftigen Busen empfangend,
Weint‘
und lächlete doch. Ihn Gatten erbarmte der Anblick,
Liebkost‘
ihr mit der Hand, und redete und began also:
Himlische Sel‘, ie
nicht woll‘ also
dich erängsten im Herzen!
Kein
Man wird Geschiks ohne hinab mich senden zum Ades,
Aber
dem Schicksal sag‘ ich, enteilt nicht Einer hinieden,
Ob
schlecht oder gerecht, wie er einmal wurde geboren.
Aber
begieb dich anheim das Deinige da zu besorgen,
Webegebäum
samt Kunkel und al den Mägden befiehl auch
Rüstig
am Werke zu seyn. Krieg aber gehöre den Männern,
Allen,
am meisten jedoch mir wol, wenn in Ilion Du bist.
Sagte das und
auflangte den Helm der umleuchtete Hektor
Rosharbuschigen.
Heim gieng da die geliebte Gemalin,
Ofte
zurückegewandt, die gelind in Thränenergosne. |
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[52] Vorstehende
Uebersetzung wurde unternommen, um unsere
Sprache von dem Vorwurfe rauher Ungewandtsamkeit zu rechtfertigen. Sie
begiebt
sich allen Anspruchs auf kritischen Verdienst; noch minder wollen diese
Zeilen
früheren Leistungen zu nahe treten; vielmehr mus es gleich voraus
anerkannt
werden, wie entschieden vornehmlich das Vossische Machtwerk und
desselben
Anforderungen altsprachlicher Strenge der Form auf deutsche
Sprachbildung im
Ganzen zu einer Zeit eingewirkt habe, da das erwachende Volksgefühl
dieses
Zügels gegen rohe Ueberderbung so sehr bedurfte; und wer hätte in
diesen Formen
sich versucht, der ihn nicht dankbar Lehrer nennen müste? So wie Er
aber der
Erste gewesen, welcher den deutschgewagten Hexameter kunstmäsig machte,
so
scheint es jezo an der Zeit, den kunstbewusten volksmäsig zu machen, in
welchem
Sinne diese freiversuchte
in
Gang und Klang unsrer altsagischen
Volksweisen
gehaltene Verdeutschung geboten wird. Zugleich mag das Wortmasliche
(Prosodische) darin eine andeutende
Probe sein, wie Unterzeichneter dasselbe, aus der Eigenthümlichkeit
unsrer
Sprache erforscht, demnächst in einem Schriftchen über Rhythmus
aufzustellen
gedenkt, welches, unabhängig von früheren Theorien, selbstgefundene,
algemeingültige Grundsätze darbietend, ein gesichtetes, schon jezo „viellautigeres“ Wortmas als Theil
enthalten wird.
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Wer übrigens
Homer ohne Rhythmus lesen wolte, der könnte
ihn nicht vollkommen verstehen, weil er vieles in Rhythmen sagt, was er
in
Worten verschweigt. Den das Dichtmas ist ja nichts wilkürlich
Angenommenes,
sondern dem Epos eingeboren; die gesunde Wolgestalt der Sprache, in ihr
selbst
bedingt liegend, wie alle (Mensch=) Gestalt im Wuchse zur Schönheit
strebt. So
ist den auch die unermüdliche, im freiesten Wogenschlag alzeit
gehaltene
Bewegsamkeit des homerischen gleichsam der Herzschlag des Dichters
selbst, der
durch das Ohr auch[D]
unser Herz trifft. Wer also diesen Vorzug unserer
Sprache im
Obigen geniesen wil, der wolle, laut lesend, die Gleichgemessenheit im
Wollaut
der Empfindung wägen, und im Vergleich mit dem griechischen Volklange
bedenken,
das unsre tonlosen Endungen durch die Mitlauter selbst einige Färbung,
und für
den guten
Vortrag Verflösbarkeit gewinnen, auch, das höchste
Wollautigkeit mehr dem Lyrischen anheim fällt, jede Sprache aber ihre
ureigenen
epischen Grundlaute hat, die sie da in grösern Gliederungen entwickelt.
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[49]
* Ward
mit der Hand ihm an: (εγ τ' αρα οι φυ χειρι)
klingt alt und
episch an mit unserm vormaligen, durch ward u.
wurde, mit dem Infinitiv gemachten Aorist; als welcher überhaupt die
Wordenheit der Handlung anzeigt.
** erarnest,
erwirbest, gewinnest (ereilest).
[50]
* So hiesen
vormals die wohnlicheren
Zimmer; wie etwa die Stube hausherlicher ist als die Kammer
** trafs’ für
traf sie,
und dgl. im Volke gewöhnlich.
*** Antwuorte
f. antwortete (Nibel.)
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Isis:
oder
encyclopädische Zeitung / hrsg. von Lorenz Oken.
- Leipzig : Brockhaus, 1820. - Sp. 49-52 |
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