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Drei Menschen weis ich die
Geschichte geschrieben: Thukydides, Tacitus, Johannes Müller. Letztere
nenn’ ich meine tief befreundeten Lehrer; was ich dem ersterem
verdanken kan ist mir weniger klar geworden: nur stükweis kont’ ich an
ihn gelangen, nicht einmal eine Handausgabe besitzen und Lesung ohne
die Ausbeuten und Apparate eben unserer Zeit schien unter der
Würde unseres Jahrhunderts, wenigstens wen man an Stapelorten
europäischer Literatur sich aufhält. Übrigens war es Grundsaz, mir
fremde Classicitäten nie geläufiger werden zu lassen als die Sehnsucht
nach eigener heimatlichen. -
Ich unterscheide sehr den
Geschichtskundigen vom Geschichtswisser. Die Menge der Notizen ist
gesichert in den Urkunden und ihren Auslegern, Sichtern. Ein reiches
Geschichterei=Gedächtnis hat mein zerrissenes Leben am wenigsten
begünstigen wollen. Dagegen war die Kunst des Geschichtsschreibens, in
Fortfindung einer zur künstlerischen Darstellung begnügbaren Forschung,
ein unversäumtes Augenmerk auf meinen Bildungswegen. Auch forderten
eigenthümliche Lernungen für epische Dichtung, als meines, wen
friedlichen, Lebens wahrscheinliche Hauptarbeit, ein rein
geschichtliches Lernstük.
Ich möchte nämlich, in Zeiten
freilich der höchsten Noth, wo Deutsches im Preise stand mit Wälschem,
volkthümliche Werke erhieschen nur die Kraft, reinen Willen und
Ergnügsamkeit, unter gebildeten Mitbürgern, nicht wissend, wie heute
noch so unmenschliche, uneigennützige, ja nur in Reinheit vollendbare
Werkthat, der Verrüktheit undeutschen Sinnes, dem Aberwiz nur
abgerungen werden. Das liebe Heimatliche begeistert; man kan lange
nicht daran glauben das es sich selbst verschmähen wolle, und diese
harmlose Gläubigkeit ein rein Gewollter werde ja nur genommen werden,
ist keiner von den schlechteren Zügen im Menschengemüth. Somit war
entschieden für deutsche Geschichte, wo wiederum Einzelgeschichten
dermalen Bedingung für jemaliges Ganze. Und schwierig muste die Aufgabe
sein. -
Verschrien als finster, konte
das 10te/. Jahrhundert den Übermuth reizen, der sich die
Kraft beimas, jedem Zeitraume soviel Licht und Farben abzufordern als
er nur schuldig ist und auch den dunkelsten durch blose Richtung seiner
eigenen Spiegel, überraschend aufzuhellen. Angegen vor allem die Kaiser
sächsischen Stammes, schon als Begründer des Örtlichen und vieler
Möglichkeiten die mir auch vererbte Bildung noch mittheilen solten. In
schöner Abgeschlossenheit, ein Meisterthum deutscher Geschichten,
stehen die Fünfe da, ihr Jahrhundert erfüllend. Heinrich I. reiht sich
an die grosartigsten Gestalten germanischer Herlichkeit, wie in gerader
Folge mit Karl und Alfred den Grosen. Ein Man des Volkes dem er die
eigne Thatkraft offenbarte, von ihm gewust und geglaubt: so dichtet
sich ihm sein Leben. Er that, was eines germanischen Herschers; oft
hab’ ich gemuthmast, er könne eine sächsische Edda niedergelegt haben.
So lebt er auch noch im Volke. Ja, skaldische Benamungen Spielen noch
um diesen Herscherstam, den auch die Kirche noch skaldisch feierte in
eigenen Liturgien. Das Lateinische Lied „Otting“ von der Hunnenschlacht
am Lech, lautet an als ein Stük aus der Purana deutscher
Kaisergeschichten. - Otto’s I. Heldenzüge, Italiens Erwerbung, dan die
Verbindung mit Konstantinopel - des‘ IIten/. Ritterlichkeit und
Lehensgewalt - der frühe Glanz des IIIten/. lux mundi begrüst, und sein
vorzeitig verdächtiger Tod in Italien unter grosen Entwürfen: alle das
erinnert an kühnste Gedanken von Gesamtherschaft, wie sie christlich
gedenkbar, geistlich beneidet, in Heinrich II. mehr in der geistigen
Welt, welche ja damals eine geistliche war, wie in Verklärung sich
abschlossen, um durch erhöhten Kirchenglanz, in Eintracht mit dem
Klerus ein gewis ehrlich gemeintes Reich des Heils auf Erden zu
begründen. -
Besonders lieb gewann ich mein
10tes/. Jahrhundert in Tagen gewaltsam ertödteter Theilnahme
nach
ausen. Mir schienen Blicke in Tiefliegendes damaliger Menschlichkeiten
vergönnt welche Durchdringen zur freien Überschau zum Beruf machten,
wie den nichts häufiger begegnet beim Wandeln in solchen Urwäldern, als
lichte Fernen ausgehen zu sehn, die mit dem Gefühl uralter Bekantschaft
anwehen. Und nirgends fand ich diesen Zeitraum durch eine Darstellung
lebendig nahe gebracht. - Freilich den deutschen Boden mit seinen
Landschaftereien in junge Augen einzuschauen, war WÜrdigeren vergönnt
worden: dagegen blickt’ ich mit ziemlich hellen in deutsche Vorzeit und
wünschte nur immer vergeblich auch das Vermächtnis der Berge, Burgen
und Auen dazu in Empfang zu nehmen, die mir gewis manches zu sagen
hatten. Eine mir undurchdringliche Weisheit hat anders gewaltet und
noch sol ich auf deutsche Gipfelhöhen den lezten Nachlaut unerlebter
Jugend vernehmen. Was ich in jenen verödeten Tagen, (vor nur 13
Jahren), beschäftiget mit den Urkunden, über die eigenthümliche
Bearbeitung aussprach, entzückte einen älteren Freund, der
Gelehrtesten, Belesensten einen die mir im Leben begegnet. Er verhies
mir neue Bahnbrechung und forderte dringend aus zu beharren. Der Beifal
solchen Freundes blieb aber auch die allereinzige Aufmunterung die mir
erinnerlich, wiewol, durch ihn und höher gestellte, sehr bedeutende
Männer von meinem Vorhaben Kundschaft erhalten mochten. Vermuthlich
erschien neben der hohen Intelligenz der Zeit, deren Eifer für
unmittelbaren Gewin so gern die Methoden überspringt, Erforschung einer
Vorzeit alzu unbedeutend welche man als tief unter der Würde damaliger
Überlegenheit anzusehen sich gewöhnt hat. Zumal neben den neuesten
Erfolgen.
Kurz, es komen Jahre, lange
Jahre des Elendes, die meine Gesundheit mishandeln, offenbar aber
Begonnenes unterdrücken solten, ohne das meine Überzeugung eine andere,
oder den Besichtlern etwas Anderes geworden wäre als die rohe
Versündigung am Geiste. -
Die Unterdrückung des einen, auch
höchstgeschichtlichen Hauptwerkes erklärt sich einfach aus der
gehässigsten und kleinlicht Verirrung solcher Halbgebildeten denen
Nichtbegreifen indifferenter Ansicht und künstlerischer Objektivität
auch nicht durch sitlichen Gehalt vergütet wird, aus kirchlichen
Wahnwiz, oder, wie die Queerköpfe wähnen, aus religiösen. Aber auch den
blosen Geschichtsschreiber nich aufkommen zu lassen, scheint mir tiefer
in der kranken Zeitansicht gelegen. Gewisse Wissende welche - mit
räthselhafter Befugnis - jedem von ihnen, (nach Masgabe eigener
Einsicht), geprüftem Kopfe seinen Beruf zuschieben, oder, - je nach
Ergebnis der Vielseitigkeit, Ausbildung und des Gesamtgehaltes einer
eben mitbezogenen Menge - zulasen wollen und jedem Fache die zeitigen
Repräsentanten erkiesen, als denen, bei löblicher Gedankengemeinschaft,
alle übrigen ihr Scherflein ja nun zu zollen hätten, damit nichts
umkomme, diese Dunkelweisen mögen es nicht an der Zeit finden, das
Geschichte, besonders deutsche, dermalen viel geschrieben werde;
vielmehr sei vonnöthen die disponiblen Köpfe und Hände zum Aufsammeln,
Ordnen und Sichten, freilich noch lange nicht erschöpften Urkunden zu
verwenden, auf das dereinst ein - von ihnen - erwähltes Rüstzeug eine
deutsche Geschichte - nach ihrem Sinne - zu schreiben im Stande sei.
Wilkommen daher jedes eigenthümliche Bestreben, jeder neue Gedanke;
werden dankbar eingeharkt für die Treibkästen woraus die Blüthen
gedachten Genius hervorbrechen sollen. Wen aber schon Bewahrung und
Läuterung des blosen Materials für so richtig erkant wird, ist es nicht
lächerlicher Irthum, die Fortbildung der Form und Methode, deren
Geheimnis nur immer mit dem unergründlichem, götlichem,
unwiederbringlichem eines Ich’s in Eins fallen mus, nicht weit höher
noch anzuschlagen? Doch jener Genius wird Flügel haben und den Gipfel
des Münsterthums deutscher Geschichten erreichen, wieviel man auch
Stuffen aus der Wendelstiege ris. Freilich, wo alles prämeditiert,
prädestiniert wird, ist alles auch im voraus abgewürdigt, sogar jede,
noch nicht im Werk offenbarte Originalität! -
Vieles hab ich fortwährend
angemerkt, Einiges gesammelt. Abschliesendes Umfassen, auch nur Anlage
der Werktat blieb verschoben; versagt. Aber die Neigung ist
fortgewachsen und hoff’ ich merere, bisher kaum berührte
Urkundlichkeiten für den höheren Zwek der Geschichterei zu gewältigen,
und selbst nach der langen, bitteren Erfahrung, das solche
Errungenschaften wenig Achtung und Beachtung bei den Zeitgenossen
vernahm, könt’ ich aus einer Liebe zum Zweck eine Förderung nicht
verschmähen die nur der Sache, nicht dem Manne gilt. Übrigens kan ich
meinen Beruf zum Geschichtschreiber wenig beurkunden. Keiner von den
Glücklichen war ich die im 20ten/. Jahre mit etwas Mittelmäsigem
überschwängliche Hoffnungen erregen. Gestaltungen wie die Beabsichtigte
kan man nur werden lassen, nothwendig, von innen aus, und wen es zum
Schaffen komt, vil auch der Erbtheil gesunder, vom Elend unerdrückter
Selen ist. Ja es mag tiefere Anlagen und wichtigeres Gefühl bewähren
wen werkthätiges Gelingen nur in einem an Begnügung sich steigerndem
Dasein überhaupt möglich erachtet und befunden wird. Mein ganzes
Verdienst bestand sonach in Beharren auch ohne Aussicht, .... „eremtis
e media vita tot annis“!.... und das ich nie Vorlautes gab. -
Nicht kleine Vorarbeiten hatt’
ich mir auferlegt; es waren ganze Gebiete dafür zu erobern. So war die
Sprache selbst Urkunde; ihr damaliger Stand aber ums vermittelt werden
aus Nordisch und Angel=Sächsisch, dürftigen Denkmalen, Ort= und
Menschennamen, tausend Einzelheiten. Eine wichtigste Rücksicht. - Die
Neublüthe der höheren (Steinernen) germanischen Baukunst, fällt in
diesen Zeitraum, und mahnt an Forschungen die weniger vorbereitet sind
als es scheinen möchte. - Byzantiner und Angelsachsen vermehrfachen das
Quellenstudium. Slawen und Madscharen [Magyaren], ihre Sprache pp.
wollen erforscht sein. -
Selbst das deutsche
Geschichtswort wil fortgebildet sein für unsre Zeit auch vielfacher
Rükbildungen zum Besserem. Es hat selbst eine ununterbrochene
Geschichte, hat ächtesten, sagischen Anfang, was alles viel zu wenig
bedacht scheint von heutger ausländerischer Gelahrtheit. Ich hätte gern
dafür gethan, bin noch erbötig, ja mus unwilkürlich, sofern Thätigkeit
überhaupt noch erlaubt hiese. Politisch=Umseliges hat man von solcher
Arbeit wol nicht zu befahren. Aber anziehend wär’ es, die Anfänge des
neuthümlichen, so wunderlich verwickelten Lebens und Bildens bei dem
nördlichem, damals entscheidendem Hauptvolke Deutschlands aufzuspüren
das der freiere, kräftigere Stam und vor der Bekehrung wol schon so gut
wie christlich war, in seinem uralt indischem Buddhaglauben.
Auch scheint es nicht auser der
Zeit einmal zu mahnen an die sächsische Kaiserwürde. Man vergist in
Deutschland alzugern wie sehr man sächsische Provinz gewesen. - -
Das Wichtigste nun um was ich
itzo, beschäftiget mit andern, obwol nicht abartigen Arbeiten, dafür zu
thun wüste, wär’ Ansamlung aller nur irgend bezüglichen Urkunden des
Zeitraumes, Vor und Nach mit bedenkend. Verzeichnung des Vorhandenen,
möglichst volständig. Gewissenhafte Abschriften durch einen nicht
Unkundigen. Ich behalte mir mehrfache Collation, auch mit andern
Abdrücken vor, wegen der Lesarten. Jedes Diplom erhält einen Bogen der
zum Heft werden kan.
Einordnung in Mappen nach der
Zeitfolge. Fortwährendes Vergleichen, Erklären, Anmerken,
Vervolständigen. Vergleichung mit den Originalen durch Versendung und
auf geschichtlichen Reisen. Besonders aber ist der Inhalt jeder
einzelen Urkunde nach einem alseitig erschöpfendem Wahrhaft
historischem Verfahren auszutiefen und auszueinzeln, was überraschende
Ausbeuten und Folgerungen gewähren mus, so das die Zusammenfassung
allein schon ein Urkundenbuch ergäbe vom gediegenstem, bleibendem
Werthe. Fortwährende Vertrautheit mit den erzählenden Quellen wäre dan
mitgefordert. Unablässiges beachten der Örtlichkeiten und Sachdenkmale
reiht sich an. Auch die Methode, das Aleinfache der Leistung, wird oft
sich ihrer selbst besinnen müssen. Gewis aber können die meisten
Samlungen für hundert Einzeles, wie Geographie, Statistik, Münzkunde,
Kostüme pp. nur spielend angelegt und in begnügten, vielthätigen Tagen
fortgeführt, bis dahin gedeihen wo eine methodische, abschliesende
Gewältigung möglich wird. Dagegen läutert auch das Ganze in solchen
Nebenheiten sich spielend aus und bedarf nur glücklicher Umstände zum
plözlichen Silberblik und reinem Ausgusse.
Für die Werktat bliebe sehr
viel zu wünschen. Unter anderm eine Samlung möglichst vieler deutscher
Städtechroniken, noch so zweideutigen Gehaltes, schon wegen der Sagen.
Die wichtigsten CoÁren müste man selbst besitzen und von neueren
Schriften nicht wenig. Auch möchte man viele Zeitschriften mustern
lassen. Aufenthalt in damaligen Hauptorten. Von dort am sichersten
besucht einen Andächtigen der Geist des heimgerufenen Zeitraumes; und
gäb es, ohne dies Elfische (dämonische) eines Wiederkommens in
fortgezeugter, albeschaulicher Sinlebendigkeit, wol wirklich eine
Geschichte? Ich möchte keine schreiben mit deren Wesenheiten ich nicht
solchen Umganges gepflogen. - Nachforschungen an Ort und Stelle und
gleichsam Besitznahme des gesamten geschichtlichen Terrains. Eine
gesicherte Heimkehr inmitten Deutschlands, die zugleich Heimat wäre
durch Samlung und Ordnung und vor allem ein heiteres, ungekränktes
Dasein.
Ist nun bei vorrückenden Jahren
und manchem anderem Vorsatze, beim Mangel beherschender Mittel, auch
bei dem sehr algemeinem Unglauben an das Einfache von woraus Vielfaches
am sichersten zu leisten, indes der Einseitige sich die Mühe
vervielfacht; ist endlich bei der heimtückischen Misgunst ehrbarster
Selbstersessenheiten und der moralischen Unmöglichkeit sich unter mich
herab zu versetzen, wenig Aussicht zu alle dem: so geb’ ich dennoch die
Möglichkeit auch dieses Werk zu beenden nicht auf, sofern ich es
erlebte, das vor den Jahren verwelkender Sinnenblüthe, mein Leben noch
aufhörte etwas anderes zu sein als ein pflichtmäsiges hinfristen in
Ermattungen erstickter Kräfte, wo seltner die Nothdurft als die Sorge
darum mit dem Gefühle verlorener Jahresreisen vol unabgethaner Aufgaben
erkauft wird und etwa dem Bewustsein ehrlichen Kampfes mit
verderblichem Zeitfrevel; sofern auch mir, unter Mitbürgern die sich
keiner Verwahrlosung meiner heiligsten Menschenrechte, keines
erhellschaueten Betruges um höchste Güter zu bezüchtigen hätte, der
erste, leiseste, aber entscheidende Beweis humaner Anerkennung in
gegönnter Selbständigkeit für uneigennützigen Beruf, noch zu Theil
wird; sofern demnach der, aus überschauen groser rhythmischer Reisen,
an die Anschauungen künstlerischer Ineinsbegegnung des Mannichfaltigen
verwöhnte sie es noch der Mühe werth finden kan, eine Werkthätigkeit in
Gang zu setzen, die Fortgang und Beschleunigung dem eigenem Gewicht
verdankt; sofern überhaupt mein Ich sein errungenes Selb hinfüro nicht
blos an Spannungen des Leidens gewahrend, noch irgend verstosen unter
die Parias, vielmehr übermögend eine nimmergeachtete, kleinhindische
Miswilligkeit, rein ausgeprägten Angesichtes im frei beruhigtem
Minenspiel, sich, ein unberaubtes würken und al sein Bestermochtes der
Gegenwart als mitgewonnen anbietet. -
Gar manches sah ich in in
unserem Kunst= und Schriftereiwesen sich nach und nach andeuten, was
ich mit klarem Bewustsein ursprünglicher zu leisten; gar manche
Möglichkeit sich halb und halb herausgestalten, die sich, als
mitbedungen im Gange der Zeitbildung erkant, entschieden in Ganzheit
hinzustellen, vor 10, vor 20 Jahren mich befugt fühlte. Auch an unserer
Geschichtsschreibung mag mir das Ähnliche begegnen. Solchen Verlust
ersetzen die Jahre nicht.
Ob grosartige Anlagen in der
Bildung der Gegenwart nach ihrer Bedeutenheit sollen ergriffen und
ausgebildet werden zur unbemesbaren Würksamkeit oder verfehlt, und
wieder untergehn, langweilig behemmend, erfolglos: das beruht oft nur
in kleinsten Gaben des ersten Würdigens. Aber die Halben sind voreilig
und alle Besonnenen drückt eine Überlast unabweisbarer Stofmittel, die
meisten Tüchtigen die eigne Mittellosigkeit. Darum bezeichnet sich
deutsches Thatwort mit Leichtfertigkeit, Halbheit, Ungenüge.
Ich wolte der Sünde keinen
Theil haben und hoffe nicht zu viel von einer instinctischen
Heimfindung dieser Zeitelfin zum Besserem: dazu möchte man der
Verbrecherin aus Weichlichkeit die nöthige Gesundheit absprechen. Nur
Einzele vermögen Ganzes. Mag die Geschichte uns wenigstens erziehen
helfen. Die Geschichte ist die Besonnenheit im Menschengeschlecht. -
Jedenfalls nun wird meine
Geschichtsandacht ihre Hallen sich träumend anbauen, in Grund= und
Aufwissen bis in die Verzierungen getreulich auswürken, sich bewust
bleiben in tausend Zetteln und Niederschriften die nach meinem Tode
kaum Jemand nutzen kan - mir selbst aber zum Zeugnis, wiefern ich den
schöneren Anforderungen einer miterlebten Zeit und frühen Erwartungen
vielen treflichen auch hierin zu genügen vermocht hätte. -
Was übrigens an diesen
Erinnerungen als ungemildert hervorstechen mag, vergütet vielleicht ein
Gepräg’ unbetheiligter Wahrhaftigkeit womit ein lauteres Bewustsein das
Wesen eines Zustandes nur in sich selbst zu beschauen, sonst
absichtlos, bedacht ist und wen erduldetes Misgeschik vor allem fies
ist in Erinnerung, so wird ja die Meinige dieser Würze des wenigsten
ermangeln.
(Dresden. Frühlingsanfang 1830)
KWnn.
am 24. Nov. 1830.
Karl Friedr. Wildenhain
Privat.-
Gelehrter zu Gruna bey
Dresden
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