Geographische Kunst.[A]

(Landschaftliches aus der Wirklichkeit)




   So oft mir die Ahndung einer Erdbeschreibung für Deutsche recht hell wird, wie solche dereinst, aus aller Welt= und Völkerkunde gemüthvoll erfaßt,  als ein Geist der Geschichte aller Reisen gestaltet, und mit ächt geographischer Kunst in so lebendigen Schilderungen durchgeführt, wie etwa die v. Humbold'schen dies angedeutet, die Würde des Epos erschwingen müßte: so fühlt sich auch das Bedürfnis einer Reihe landschaftlichen Anschauungen, welches, im Großen, durch ein überreich ausgestattetes Panoram allein zu befriedigen wäre. Wir verlangen fast zu guten Reisebeschreibungen auch urkundliche Landschaft und erfreuen uns, gleichsam Besitz nehmend und einwohnend, an gelungenen Einzelgegenden.

   So gewähren die noch so kleinen Schaugegenden in Kupferstich, wie tausend bücher und Büchlein sie zur Unzahl liefern, doch immer ein werthes Bild, zumal in Reiseberichten. Mit Ätzung vorn und kaltem Stift hinten, zart und leicht gehalten, so hat die Bauform den Reiz bewuster Bestimmtheit. Nur schadet der Urkundlichkeit, was dem Bilde nützt, der Rahmen; welcher das stätige Ganze, was jede Wirklichkeit nur Vollständiger darbieten muß, einseitig, wenn auch künstlerisch ächt, heraushebt. Es sind ins Buch gelegte Pflanzen; entrissen der Umgebung ihres Fundortes.

Sollten nicht also Rundbilder im hohlem Kegel zu entwerfen sein, worinn die Spitze den Standpunct in oder unter dem Bilde verträte und für die schräge Lage und Einsicht die Vordergründe eingekürzt, die Fernen entfaltet würden? was die Sternkegel nur umgekehrt leisten. Die Augenlinie (statt des Augenpunktes) würde nach malerisch genommenen Hauptsichten nicht gewaltsamer umher ausgeglichen als durch die schwebende Temperatur der Tonstimmung das Ähnliche geschieht; eine Beleuchtung gewählt und durchgeführt; frei offner Himmel, grösere, doch entferntere Hinter= und Mittelgründe gewonnen; die Abweichungen seitwärts durch die Rundung selbst übertragen, und,

bei einer klaren, kecken Färbung (Lassur) könnte man das lebendigste Gesammtbild alseitig herumdrehen, während die schräge Stellung so viel gemäßer, als die Hochsicht der Vogelperspective näher, — für jede bequemste Einschau die Umgränzung in Kurven=Ausschnitten abschlöß, gleichwie unser Doppelauge die zwei Brennpunkte eines elliptischen Umkreises deutlichen Schauens von außen zu setzen scheint. Der Rand oben könnte, in Grade getheilt, die Himmelsgegenden; die innere Grundscheibe den Namen oder Grundriß des Standortes; die äußere den Tittel, die Außenfläche endlich die Namen der inwendigen Gegenstände, etwa bezüglich auf ein geographisches Netz, zur Orientirung enthalten.

[321]   Der jetzt in Taschenbüchern und Tageblättern an nichtige Gegenstände, dem Künstler zu Qual, versplitterte Trieb, müste uns bald die Bildschau des eigenen, ja allen Landes nach seinen Hochwarten verschaffen. Mit der Ausführbarkeit aber dieses Vorschlags gewönne der Vorschlag der Erdbeschreibung, so traurig an Namen und Zahlen, nach Grundfalschen Buchstabencharten, verwiesen, ungemeine Belebung und die kindliche Einbildungskraft die vielseitigste Schule der Wahrheit. Der Historiker, der Landschafter, der Geognost und Botaniker bekämen Übersichten im Großen, die auch der Kriegsmann vom Handwerk nicht verschmähen dürfte; der Freund der Erdkunde endlich vermöchte im engen Raume und ohne übermäßige Kosten, die fremdesten Schausichten (Prospekte) bequemlich übereinanderzuschichten.

Möchten wenigstens Maler und Kupferstecher, und Andere der Perspective aus Übung Kundige das Nähere der Verhältnisse: welche Schrägstellung mit der Senkrechten am besten auszugleichen wäre; wo der Grundriß in Bild überträte; die Stellung des Auges usw. meiner Prüfung unterwerfen.
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Isis: oder encyclopädische Zeitung / hrsg. von Lorenz Oken. - Leipzig : Brockhaus, 1821. - Sp. 320f.



Anmerkung: Ob dieser Text wirklich von Wildenhayn stammt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Dafür spricht:
  • daß der Text in Heft IV der Isis umschloßen ist von Wildenhayns "Revolution" und "Odüssee"-Übertragungen vorn und seiner Nachbildung "Katull's Atüs" hinten
  • daß die Formung der Aussagen der wildenhayn'schen sich stark naht
  • daß die Textunterschrift Wildenhayn zu ergänzen ist.

Dawider:
  • daß der Text nicht in gewohnter Heterographie abgedruckt erscheint (wobei aber eine starke Uneinheitlichkeit erkennbar ist (punct - punkt, müßte - müste etc. Warum?: ??)).
Eine Entscheidung via Thematik kann kaum zu fällen sein, spricht aber ehr für eine Zuordnung, hält man die betrachteten Aspekte zum Nutzen solcher Panoramen vor das überkommene Fragment seiner Biographie.



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