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Erläuterungen siehe Zuschrift
an den Herausgeber | | [64]
| AUSON’S
BISSULA.
AUSONIUS
SEINEM PAULUS ALLES
HEIL ZUVOR.
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| | Obsiegstu
endlich: ins Verhüllte von meinen Musen, so ihrer
Einweih’
Umdunkelung verschleierte, obwohl nicht ein Laie, brichst ein du,
Paulus, mein Theuerster. Den ob ich wol dich nicht jenem Volke
gleichachten mag, das Horatius abhemmt vom Eintrit: ist doch jedem das
Seine heilig, noch selbes der Ceres, was
dem Liber,
wenn auch bei den denselben Verehrenden. Die Gedichtlein, die auf das
Schoskind von mir ich gespielt, rauhe nur und angefangene, zu des
häuslichen Gesanges Trosterholung, da ohne Furchten verborgner
Sicherheit sie genossen, zu Tage zu fördern, hast, umnachtete,
du
gezwungen. Hast der Schüchternheit an mir freilich ein
Beutestück angemuthet: auch, wieviel du an mich des Rechtes
habest, wider Willen die Bezeigung. Nur nicht Alexanders von Macedonien
Keklichkeit von dir überschritten! der des Schicksal-Joches
Riemen, da lösen er nicht konnte, durchgehau’n: [65]
in
Püthias Höle, am Tage da Unfug war das Aufstehn,
eingedrungen. Brauche du es also wie Deines, gleichen Rechtes, nur
ungleicher Zuversicht: masen Deines vermag, alle Welt nicht zu scheuen,
des Meinen ich auch immer mir schamerröthe. | |
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1.
Wie
du woltest, Paul, da hastu Bissula’s Verslein zumal, Die
gespielt wir für die Schwäbin, ihr zu Lieb, dem
Mägdelein, Unsre Ruh vielmehr geniesend, als
beflissen Ruhmeshalb. Nun du Lästiger, du Mahner,
lies Du lästigen Gesang. Warum es eingebrockt, is aus
den, wie der alte Spruch gebeut: Bande, die er selb gefertigt,
trage selbst ein Schmidt sofort.
—————
Wie du g’wolt, o Paul,
da hastu Bissula’s Verslein zumal Die wir hingespielt zu hulden
einem Schwäb’schen Mägdelein, Mehr der Muse hingegeben, als
bestrebend unserm Ruhm. Nun, du
überläst’ger Mahner, lies die
läst’gen Lieder auch. Was du dir eingebrocket, is aus,
wie ein alt Sprichwort befiehlt: Trage, der sie selbst gefertigt,
selbst die Fessel auch der Schmidt. Wer
schmucklosen Gesangs Büchlein gern läse, das schmale,
Glätte
die Braue am Aug.
Ernster Dichtungsart
auswäge, die Stirne gerunzelt,
Thümelen
folgt man alhie.
Bissula soll dies Streifchen
besingen, und
auch Erasin[2]
wol.
Erst
noch ermahn’ ich, o trink.
Nüchternen
nichts ich schreibe; wen meins
thät auf die Pokal Eins
Lesen,
nur er begrif es.
Bas begrif er’s jedoch
erst, wen
er einschlief, meinte, das Alles
Komme geträumet an
ihn.
—————
Welcher das Büchlien
liest, kunstlosen Gesangs, das geringe,
Hebe die Braue vom Aug.
Magst ernsthafte Gedicht
auswägen, die Stirne gerunzelt,
Thümelen folgt man
alhier.
Bissula ist’s, die
Besingt dies Blättlein, nicht Erasinus.
Trinke, so mahn’ ich
zuvor.
Nüchternen schreib ich
nichts; will hinter Pokalen mich Einer
Lesen, der Eine
versteht’s.
Besser versteht er es noch, wen
er einschläft, meinend, es schweb’ ihm
Alles wie Träume heran.
————— 3.
Bissula
jenseits Rheins heimatlich erzeugt, des umeisten,
Welche die
Donau weis, Bissula, wie sie erquillt,
Beute der
Hand, doch
erlassen der Hand, obherschet in dessen
Wonnen aniz, der sie
kriegerisch hatte gefah’n.
Mutterberaubt,
Aufnährerinlos, nicht wuste sie Hausfraun-
Obergewalt.
. . . . . . . . .
Welche der Heim Schiksal
als Vorwurf
nimmer empfunden,
Machte
die Dienstbarkeit frei, unerkannte,
sogleich.
’s Latische Gut verwandelte
so: Germanin
am Antliz
Blieb
sie allein, mit des Augs Bläue, dem
blonden Gelok.
Zwiefach an Art macht itzo Gestalt,
nun Zunge die
Jungfrau,
Die
spricht rheinischen Stam, die die Lateinerin aus.
—————
Bissula stammend an Heim und
Geschlecht vom frostigen Rhein her,
Kundig des Donaustroms Bissula,
wo er entspringt,
Beute der Hand, doch entlassen
der Hand, herrscht jetzo in dessen
Freudegenus dem sie kriegrische
Beute zuvor.
Mutterberaubt,
Aufnährerinlos, nicht kannte sie Hausfraun-
Obergewalt. . . . . . . . . . .
Die des Geschicks und der Heim
nie Schmachvorrücken empfunden,
War gleich aus Knechtschaft,
nimmer gewohnter, befreit.
So hat römisches Gut
sie verkehrt, das deutsch sie geblieben
Aeuserlich nur,
tiefblau’n Auges und blonden Gelocks.
Wechselnd erscheint durch
Zung’ und Gestalt zwiefältig das Mädchen
Eine verkündet des
Rheins Tochter, die andre Latins.
————— 4.
Wonnigliche,
Schmeichlerische, Tändel, o Lieb, o Wollust, Wilde,
jedoch so du besiegst Latische Püpchen, Schoskind; Bissula
nennt man dich o Maid, bäuerlich ach, du Zarte, Grauerlich
ha, wem’s unerhört, aber dem Herrn vol Anmuth.
—————
Wonnespiel, Schmeichelgekos,
Tändel, o Lieb’, o Wollust, Barbarin, doch so du besiegst,
Pflegling, Latiner-Püpchen; Bissula nam’t sich,
die so zart, bäuerlich gnug, das Mägdlein, Grauerlich traun,
wem’s unerhört, aber dem Herrn, wie lieblich! Bissula,
durch Wachs nicht nachahmlich und
einige Schminke, Giebt
urhaftige Zier nicht an die verlogene Kunst hin. Mennige samt
Bleisweis, o erheuchelt andere Mägdlein: Solche
Gesicht-Mildheit kennt keine Hand[3];
auf den, o Maler, Schütte
zusam purpurische Ros’ und Lilien misch’ ein, Und
was Farbe die Luft hat im Anbliz, habe das Antliz[4].
—————
Bissula noch durch Wachs
nachahmlich noch einige Schminke, Weis ursprüngliche Zier
nicht trüglicher Kunst zu bequemen. Mennige sammt Bleiweis wolt
andere Mägdelein bilden: Solchen Gesichts Mildheit ist
der Hand fremd; auf den, o Maler, Purpurschimmernde Rosen ergeus,
auch Lilien misch’ ein, Und was Farbe die Luft daran
hat, die habe das Antlitz.
————— 6.
Maler,
wofern du von mir die Gepflegte zu malen
bedacht
bist,
Ahme die
buhlende Kunst Bienen, Cecropische, nach.
—————
Maler, wofern die Gepflegete
mein du zu malen bedacht bist,
Thu wetteifernde Kunst Attischen
Bienen es nach.
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Anmerkungen.
1) Das
Horatius
abhemmt vom Eintrit. Volk sonder
Einweih hass’ ich und hemm es ab;Mit Gunst die
Zung’ an; Dichtungen nie zuvor
Erhörte
will, ein Musen-Ewart,
Singen, o Mädchen,
ich euch, o Knaben. Horat.
III., 1. Der
Verf.
2) Nicht Erasinus.
Andere Lesart. Der
Verf.
3) Kennt
keine Hand. Hand als
Kürze in dieser Stelle, oft vermieden, wählte immer
das Ohr von neuem, und da die Betonung auf keinen
noch durch den Anklang (Alliteration) gehoben, durch Tonstellung aber
nach meiner Ansicht bei uns das Beste gethan wird, auch das nd fast ein
Buchstab ist und unsre Participia dasselbe kurz geben; so urtheile beim
Vortrage Gehör und Zunge selbst. Der Verf.
4)
Anbliz - Antliz. Schlus und Kern des Singedichtes (color
aeris ipse sit oris) blieb unübersezlich. Den
„Lufts-Anbliz habe das Antliz“ reicht nicht aus,
Gesicht und Luftschimmer auch in Bewegung, Reim und Wort ineinander zu
verschwemmen. Der zarteren Kunststückchen eines, womit Auson
bei den Schöngesinnten seiner Zeit mag Glück gemacht
haben, und wenigstens unser Feingehör beschämt. Der
Verf. Wir sind der Meinung, der Uebersetzer habe
hier zuviel gesehn. Denn da aeris
und oris
in den Grundlauten verschieden sind, so ist der Anklang viel zu
schwach, als daß man glauben dürfte, der Dichter
habe ihn beabsichtigt. Uebrigens machen wir unsre Uebersetzer auf die
von den Römern so sehr und von Plautus an in allen heiteren
Dichtungsarten so häufig angewendete Kunst der Alliteration
aufmerksam, welche bei Griechen und Römern weit mehr ein
Gegenstand des Dichterischen Studiums war, als man zu glauben geneigt
sein dürfte. D.H.
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| Die
Lyra: Eine Sammlung von Übersetzungen aus dem klassischen
Alterthume nebst Beiträgen zur Vervollkommnung der
Übersetzungskunst; Zweites Bändchen / hrsg. von
Friedrich Lindemann. - Meissen: Goedsche, 1824. - S. 64-72 |
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