Jena d. 31ten Mai 1823.   


Hochwolgeborener Her,
Hochzuverehrender Her Ober=Medizinal=Rath,



Ohne Zweifel hat Ihnen mein lezter Antrag der Übersetzung eines englischen Werkes über Persien, wozu mir zufällig urkundlichste Beihülfen offen standen, nicht annehmlich geschienen, daher mich Ihre Nichtantwort keineswegs befremdet. Für jezt meld'ich Ihnen, das mich diesen ganzen Frühling eine Arbeit beschäftigt hat, betreffend das volständigste uns übrige Werk Pindar's, welches ich seit Jahren mit Lust und Liebe in mich aufnehme, um womöglich die erste, das hier Wesentliche (Cäsur, Rhythmus und Klang überhaupt) beachtende Übertragung zu leisten. Die mancherlei höchst matten und ungenügenden Versuche ähnlicher Art, die ihr Glück im Buchhandel machten, kön̅en gewis hier nicht hem̅en. Auch getrau'ich mich durch Subscription bei philologischer Bekantschaft — ich würde mich selbst an Herman̅ in Leipzig zu wenden nicht schämen — die Drukkosten mehr als zu decken; wie ich den̅ seit 15. Jahren, nicht unbekan̅t mit den Alten, zugleich die deutsche Sprache mir gründlichst, und frei von precären Vorurtheilen, für eigne Produktion anzueignen suchte. Im Kom̅entar hab ich durchaus neue, auch für die höhere Kritik des Ganzen offenbar wichtige Ansätze aufzustellen; das Werkchen mus in 4° gedruckt werden und würde (in 3-4. Wochen druckfertig) 10-12. Bogen stark. Es ist zugleich bestim̅t [Blatt 2] als vorläufige — ich hoffe, beschämende — Gabe für die Wenigen welche auch meine (nun gröser ausgestaltete) Rhythmik pränummeriert hatten, und, wenig geeignet mit der Treue für geistige Arbeit auch die beson̅enste Sorge für Gelderwerb zu verbinden, würde Verlag mir das liebste sein. Ich frage danach, ob es mit Ihrem Geschäftsgang übereinstim̅e, das Sie das Ganze für 60 rh. [Gulden] in Verlag nähmen, wovon ich 30 rh. jezt zu empfangen wünsche, das Übrige bei Ablieferung der Arbeit oder nach vollendetem Drucke, dessen Correktur ich ehender übernehme, — erbötig, zu meiner Beglaubigung die Arbeit gerne einen der hiesigen (älteren u. vorurtheilsfreien) Gelehrten zu zeigen, wie ich den̅ bereits den Hr. Major von Knebel gezeigt habe. Könten Sie auch, aus Ihren Geschäftsverhältnissen heraustretend, bei nicht annehml. Vorschlage, zu dem erwähnten Vorschusse sich entschliessen, so dürfte ich dies von Ihnen nicht verschmähen, den̅ ich unternehm die Arbeit# izt, weil ich für eine drgl. Sum̅e in Anspruch genom̅en, mit einer gesindelhaften Gesin̅ung zu kämpfen habe, die mir nicht nur die vorhandenen Mittel versagt, sondern sogar an einem Orte mich aufhält, wo für meine besseren Zweke wenig zu erreichen ist. Seit Jahren, mit Aufopferung alles dessen was das Leben erfreulich macht, darauf bedacht, dem Vaterlande etwas zu leisten was (historischer Art) den Dank Aller verdiene, hab'ich mich darein ergeben, vom Haufen verkan̅t, still für den Zwek zu wirken, die Ansicht deutscher Neuthümler mit nichten theilend, doch auch gefast von grauköpfigen Kindern nach demselben Schema mich behandelt zu sehen. Thun Sie also was Ihnen möglich ist und frei steht. Ich hoffe einige Zeilen Antwort.
(Abzugeben bei Hr. Prof. Güldenapfel.) Ihr

Sr. aufrichtigst hochachtenden
KFWildenhain.
Privatgelehrter.






# die ich lediglich als bürgendes Äquivalent für diese Schuld betrachten würde.



Brief Wildenhain an Ludwig Friedrich Froriep - GSA 6/4363

mit freundlicher Genehmigung der Klassik Stiftung Weimar


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