Katull’s Atüs.

(deutsch nachgebildet.*)

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D. D. D.
Isidi - Cybelae.
„Tua Mater initia.“
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  υυ Ι υυ υ υυ υ Ι — — ΙΙ υυ Ι — υυ, υυ Ι.



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  Es erhub die Segel Atüs;   jach heran=schif’et‘ er i’Meer,
  Bis er rasch den Hain zu Frügland   mi‘ dem hastigem Fus erreicht:
  Zu der Huldin Heim, von Wildnis   die beschattete, trit er ein.
  Der Gepeinigete mi’Tolwahn,   al=errast, Sin’es ir i’Muth,
5. Wälzt mit gespiztem Flint‘ ihm   das so Lästige da sich ab.
  Wie er izt die Glieder also   Man’es ohne noch ach erfühlt
  Und schon so frisch das Erdreich,   wie er blutete, nu beträuft.
  Hat er rasch, mit Händen schneeweis,   dich o Pauke so dün, erfast,
  Dich o Pauk, Tromet, Kübelle,   die o Mütterliche du weih’st.
10. Und es schmis die starre Stierhaut   so behendiglich um und um,
  Es erhub an ihr Gefolg so,   die Erbeberin, nu Gesang: –
  Rasch hinauf, zu Wald, o Galfraun,   zu Kübellischem brechet auf;
  Brechet auf, was um die Frau schwärm’t,   die Didümische, du Gethier,
  So in andre Heim gewandert,   wie Hinausgewies’ne thun,
15. Zur Schar, so mein, geschar’t ihr,   das ich habe du, du Gefolg,
  Das empörte Salz du grüstest,   ja des Sturms da genug i’Meer,
  Und Leibes euch verunmannt,   mi’der Lust Genus al in Has:
  Wek’et auf dem Herrn mit Ansprung   irschweifende nu das Herz.
  Las i’Muth die träge Säumnis,   brechet auf den al um und um,
20. Zu dem Früger=Haus Kübelle’s,   zu der Frügerischen im Hain.
  Da die Schellen ihr Getön schrein,   da die Pauke zurük=erhallt;
  Da frügische du hel aufklingst,   vor’m Mund krum, o Schalamei,
  Da das Haupt die Mänas hoch auf=   zük’et, Eppiches al=umhüllt,
  Die geweihte Weih mit Anschrein   al=al=heulende zu begeh’n
25. Da es ie das Heer der Huldin   sich erfleuget alum herum
  Hin aus die Tritte trotweis   zu beschleunigen nu geziemt.
  Wie im Hauf um und um es Atüs,   der Erweibete, stim’et‘ an:
  Hat es straks mi’Zungen scharweis   zum Erbeben al=al=erheult;
  Die gespannte Pauke dröhnt auf,   die gehöhlete Schel‘ erhallt:
30. Wo er grün, jach hinum am Ida   sich erschwangen die Füs‘ im Reih’n.
  Die Erwüthete, die al=aufkeucht,   ren’et irr’hin, unaberlöst,
  Mi‘ der Pauken Aufhal Atüs,   in Umschattungen da voraus;
  Ja es scheu’t die Färsin also   ’s unerduldete Joch am Hals.
  Jach in Eil dahinterherzieh’n   Galfrau’n, wie er ran empor.
35. Wie anun das Haus Kübelle’s   sie erreichen, lässiglich,
  Hat in Übermüdigung Schlaf   sie umfah’n, anoch unerquikt;
  Mat umbebt, mat hat zu Schlumm’rung   sie am Aug‘ herum er umhüllt.
  Da wich auf i’milder Ausruh   das erwüthigete Gemüth.
  Da nu goldgemündet hie Sol,   mi‘ dem Strahlenergus im Aug,
40. Durchblickt die helle Heitrung,  die Gestade, Gerol i’Meer;
  Schrek’et ein die Nachtbeschattung,   da vom Huf=Getrot es erschol;
  Vom Erwachten flohst, vom Atüs,   jach in Eil du dahin o Schlaf. –
  Glit empor, vol Huld befing den   die Pasithea sich im Schos. –
  Wie er erst, vo‘ milder Ausruh,   unerrafft noch und unerrast,
45. Sich im eig’nen Herzen Atüs   was er übetete sin’et aus,
  Mit erhelltem Muth er einsieht   wes er ohne, wohin er irr’t:
  Da im Ungestüm noch einmal   zu dem Meere wich er hinab.
  Wie er in alum=off’ne See schau’t,   ja mi‘ Thränenergus im Aug‘
  Hat er angeredt die Heimat,   vol elendiglichen Oweh’s:
50. O du Heim, du meine Schöpferin,   o du Heim so du mich erzeugt,
  So ich Armer ach zurüklies,   wich hinaus, die etwa vom Herrn
  Die Bedientin oft, zum Ida   den, in Haine, die Füs‘ erhub;
  O das Schnee zu Wildes Anstand,   wo es eist, mich alum empfing,
  Ja das al deselben Einflucht,   ich Erwüthigete beträt:
55. Wohinaus, wes Ort’s von Heimat,   da du liegst, sin‘ ich ach umher?
  O es späh’t der Augbal aus dich   mi‘ der Sehe doch al=allein,
  Da das Herz der irren Wuth frey,   ach in Kürze nur, anoch ist.
  Mach ich, ha, vom Hause mein fern,   mich in Haine davon alhie?
  Mis ich Heim, Besitz, Gefreundschaft,   die Erzeugerin mis ich ach?
60. Mis ich ach, den Markt, die Turnschul,   mi‘ der Ren= die nakte Bahn?
  Mit Oweh, mit Ach beklag du’s   al= und immer o du Gemüth.
  Den o welcherlei Gestalt ist,   die ich Einige noch embehrt?
  Ich ermannet‘, ach ich erwuchs jung,   ich erreifete, nu Gesel,
  Ja i‘ nakter Bahn die Blum‘ ich,   ja die Zier gewan ich im Öl.
65. O besuchte Thüren hatt‘ ich,   o die Schwellen hat‘ ich erwärmt‘
  Von erblühten Blümelein hing   die Bekränzung herum am Haus,
  Verlies zu Sonnen=Aufgang   da das Schlafgemach ich etwa.
  Bin ich, ha, die Gotbedientinn,   die Kübellische nu genannt?
  Die menadische; bin ich unganz;   der erödete Man anun?
70. Bin ich ach am ergrünten Ida,   in der Fröste Geflok umhüllt?
  Har‘ ich aus, wo hoch du Frügland   dich im Fels=Gekup, ach, erhöhst?
  Da im Hain die Hindin umgeht,   ja das Schwein daherum im Forst?
  Nu o nun gereu’t die That mich,   nu o nun bejammr‘ ich erst! –
  Da der Rosen=Lippen Hauch so   aufschwankt, das es schol umher;
75. Zu gezwietem Ohr die Mähr gleich,   zu den Himlischen, schik’et auf:
  Vom erjochtem Gejoch erlöst hie   die Kübell‘ o Löwen euch,
  Sticht links dich, o du Gethier=Feind,   sodan also hat es ertönt:
  Ren‘ o spricht sie, o du Gewild,   flugs, das ab hinnen wüthiglich,
  Das ab hinnen, Wut=gegeiselt,   sich in Haine zurük erhebt,
  So in Ungebühr da weit flieh’n   die Gebietigerin i‘ mir.
  Ja rüküber hau die Schweifung,   ja so peitsche du dich alum,
  Ja das al die Gegend hochauf   zu Gebrüll’s Krache rük erhallt;
  Schüt‘ o Wild die Mähne goldroth   ums knoll’ge Genik herum.
  So erhub die Droh Kübelle,   jochet auf sodan mi‘ der Hand:
  Wie er izo so sich anfacht,   grim erhitzet er sich i‘ Muth.
  Da rennt, da brüllt, da bricht er   durchs Waldgebüsch hin in Hast.
  Wie am End‘ er auch die Schäumung   der Umuferung hat erreicht,
  Hat erschau’t so jung den Atüs,   da am glimmerigem Gewog:
  San er Anfal; Er, im Unsin,   jach in Wildnise ran er auf;
  Wo er al die Lebezeit war   zu den Dienerinen gesellt. –
  O du Göttin, o du Kübelle,   du Didümische so da herscht,
  Weg o weg vom Hause bleib mir   mi‘ dem Wüthen al, o du Frau:
  O mach Andre jach mit Ingrim,   o mach Andere jach in Wuth!


(Dr. Neujahr 1821.)
Karl Wildenhain.




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Die Schreibung: schif‘et an stat schiffet an, bei einer, auf nächsten Überton des Gesamt=Wortes bezüglichen Stamkürze, so wie die Anschleifung: i’Meer st. im Meer; mi’Zungen st. mit Zungen
verlangt nur vom Aug‘ aus, was gute Vorleser und gewandte Sprecher vom Mund‘ aus leisten, für’s Ohr. – Auch die Sprache wüthet in der Urschrift zwischen u und i; dröhnt mit r, [322] wubert, und saust mit s, durch kühnste Wortwahl die Betonung gewältigend, bey dieser so einzig vollendeten Darstellung, wol vom gesamten Alterthum. Das vorgezeichnete Dichtmaas (Metrum) mus, eingeübt, die Stimme so fest und sicher tragen wie das Tongefäl einer Sangweise (Kadenzen einer Melodie)–





Isis: oder encyclopädische Zeitung / hrsg. von Lorenz Oken. - Leipzig : Brockhaus, 1821. - Sp. 321-324