Physiologie des menschlichen Geistes
nach allgemeinen Naturgesetzen.


Allgemeiner Entwurf zu einer künftigen
Psychologie und Pathologie.

Von
Herrn Professor Grohmann.

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Die Natur geht in ihren Bildungen und organischen Gebäuden stufenweise fort. Es entsteht dadurch ein Plan der Natur, den man schon früher, aber auf eine unrechte oder willkührliche Weise durch fremdartige teleologische Bestimmungen hat zu erläutern und nach einer gewissen Form der Zweckmäßigkeit anzugeben gesucht. Es werden dadurch nicht allein der Natur, nach der Beschränkung von Begriffen und menschlicher Einsicht, äußere und zufällige Zwecke aufgedrungen, sondern es wird ihr auch, nach oft so kleinlichen Zwecken und Dienstleistungen, ein Maaßstab vorgeschrieben, nach welchem sie zu dem Dienste einer sehr kleinen und bloß der Willkühr eines eigensinnigen Hausherrn hingegebenen [285] Haushälterin herabgesetzt wird. Die großen Zwecke der Natur sind innere und nothwendige Bestimmungen, die unmittelbar in dem Plane des Ganzen, in dem Wesen des Ganzen und der einzelnen verketteten Naturdinge liegen. Betrachten wir so die Natur, so entspringt allein die Einsicht dessen, was die Natur ist, will und gibt. So allein nach diesem Maaßstabe der Naturbetrachtung entspringt eine richtige Psychologie und Physiologie, die wie überall in Betreff des Lebens, so auch in Hinsicht des menschlichen Seyns nie getrennt werden sollten.
Es mag wohl in dem Anbau einer jeden dieser beiden Wissenschaften ein abgesonderter Stoff und eine für sich selbst bestehende Form liegen, welche durch Beobachtung und Untersuchung innerhalb ihres eigenen Gebiets erforscht werden müssen. Der Leib und die Seele sind ja nun einmal, wenigstens dem Sprachgebrauche und auch dem innern Bewußtseyn nach, solche getrennte Organe, die, wenn sie auch in einander bestehen, doch sich nur in dem Verhältniß der Psyche zu dem Gewebe, welches sie sich selbst spinnet, befinden. Aber was dem Scheine und den äussern Symbolen nach getrennt scheint, muß denn doch nach seinem innern Wesen in einer näheren und verketteten Vereinigung untersucht werden. Und so kommt uns hier die Einheit der Natur wieder entgegen, die selten oder nie nach abgetrennten Ideen, sondern nach einer Idee bauet und ihr großes, schönes, so zusammenhängendes Naturganzes vor Augen stellt.
Wir wagen hier eine solche Untersuchung des menschlichen Geistes nach den Bestimmungen des Naturganzen [286] und der organischen Einheit, welche in allen Bildungen des organischen Lebens zu erkennen ist. Wir hoffen durch dasjenige zu erläutern, was wir furchtsamer oder freimüthiger über die abnormalen Bestimmungen, über die mannichfaltigen Anomalieen eines unfreien menschlichen Handelns (in Beziehung auf Verbrechen, auf gerichtliche Erkenntnisse und moralische Beurtheilung) in den früher zu dieser Zeitschrift gelieferten Abhandlungen fragmentarisch oder nur andeutend ausgesagt haben.
Wir hoffen bei einem solchen gewagten Versuche auf die Genehmigung der Wissenschaft und auf die Nachsicht der Naturbetrachtung, welche nach vorliegenden, in Körper und Geist ausgedrückten Ideen selbst ihren Sinn und Geist zu verstehen giebt. Wir wählen bei diesem Versuche einen freien Vortrag der Untersuchung. Denn weit entfernt sind wir zu glauben, dasjenige erschöpft oder richtig ergründet zu haben, was wir nach dem Plan der Natur selbst auszulegen versucht worden.

I. Umriß des menschlichen Körpers.

Der menschliche Körper besteht aus so vielen zusammengesetzten Theilen. Schon die Alten erkannten in ihm den Mikrokosmus oder die Nachbildung der großen allgemeinen Welt in diesem kleinern Gebäude. Nicht ohne Grund finden wir diesen Ausspruch der Alten. Denn was nur das Weltall, so weit wir es kennen, in seinem Chemismus von sogenannten Naturalien, von dem un=[287]tersten und härtesten Mineralkörper an bis zu den sich verflüchtigenden Stoffen der imponderablen Kräfte oder bis zu dem Wasser Luft und Lichtkreise darstellt, das findet sich mehr oder weniger theilweise, mehr oder weniger elementar oder nur zufällig als ein primärer oder sekundärer Theil von den härtern oder weichern Stoffen des menschlichen Körpers. Der vegetabilische Proceß des Pflanzenlebens ist auch der Beginn des menschlichen Lebens und ein fortgesetzter, bald integrirender, bald wesentlicher Theil von dem organischen Leibe desselben. Es stellt sich dieses dar in den so vielen Ausscheidungswegen, in den mannichfaltigen tiefern Sekretion und Exkretionsorganen. Und wer dürfte es läugnen, daß selbst der menschliche Leib sich nur zusammenzusetzen scheine aus den mannichfaltigen animalen Gebilden, die ihm auf der niedern Naturstufe vorangehen und die gleichsam die Ansänge und einzelnen Organe seiner Gesammtbildung ausmachen! Wir verfolgen diese Idee hier nicht weiter. Denn sie muß sich durch das Folgende bestätigen, und sie geht hier auch nur als Einleitung, als ein Moment, an dem sich die weiteren Betrachtungen anknüpfen.
Der menschliche Körper, — dies zeigt ferner schon der Augenschein, und noch augenscheinlicher die nähere Zergliederung — theilt sich in drei wesentliche Theile, von denen jeder bei der genauesten Verbindung mit dem andern ein abgesondertes System von Kräften und Bestimmungen auszumachen scheint. Wir finden in diesem Baue des Körpers erstlich eine eigene Abtheilung, welche das Abdominalsystem aufbewahrt; eine zweite, in [288] welcher die Eingeweide der Brust wohnen. Und der Kopf thront, gleichsam eine höhere Bildung, auf diesen untergelegten Stufen, wie auf vorausgegangenen Bestimmungen seiner Entwickelung. Denn verfolgen wir die Bildungsstufen der organischen Natur, so wird das hier Angedeutete bestätiget, daß das Cerebralsystem eine höhere und in der Stufenleiter des organischen Seyns spätere Entwickelung einer vollkommneren Potenz ist, nachdem schon, wie sich künftig erläutern wird, mannichfaltige Generationsakte thierischer Bildungen und Organismen vorausgegangen sind. So erhebt sich der menschliche Körper in Vergleichung zu den übrigen thierischen Organismen, wie ein höherer und zusammengesetzterer Bau, der auf mannichfaltigen vorausgegangenen Bildungs= und Schöpfungsstufen des sich verbreitenden Lebens ruhet.
Diese Abtheilungen des menschlichen Körpers, wenn wir es so nennen wollen, sind selbst naturgemäß, wie wir es bei der innern Zergliederung seines Organismus finden, auf das bestimmteste angezeigt durch die abgesonderten Einwicklungen und Umhüllungen durch Häute, durch die besonderen Scheidewände des einen und andern Theils. Ein jedes System bildet gleichsam seine eigene Behausung und Kammer, aus welcher es nur durch vermittelnde Uebergänge zu dem Bau der höheren organischen Ausbildung fortschreitet.
Aber was noch mehr ist: nicht allein solche abtheilende Unterscheidungen finden sich zwischen dem Abdominal=, Brust= und Cerebralsystem des menschlichen Körpers, sondern auch, sonderbarer und merkwürdiger – [289] ein bedeutender Wink der Natur zur Aufhellung seiner Bildung aus dem Pflanzenreiche — ganz deutlich angegebene Theilungen und Absonderungen nach der einen und anderen Seite zu, wo jede Seite analog mit der anderen dasselbe Organ enthält und wiederholet. Das Encephalon theilt sich bis auf dem Grund seiner Lage herab, wo es wieder in Zwischenstufen zusammentritt, in zwei gleiche abgesonderte Hälften. - Wir bemerken dieses nicht minder an dem kleinen wie an dem großen Gehirn. Selbst das Cranium zeigt diese Abtheilungen in Hälften in seinen grössern und kleinern Knochen. Die Sutura frontalis bis zu dem Kinn herab, welches in den tiefern Thiergattungen noch mehr in zwei Hälften auseinander tritt, die Sutura occipitalis zeigt dieses augenscheinlich. Wir bemerken hier also ein sich aus zwei Hälften zusammensetzendes und bildendes Leben, wo jede Cerebralseite ihre eigenen Nerven, ihre eigenen für sich selbst bestehenden Sinnenthätigkeiten hat.
Was wir hier in diesen sich theilenden Kammern und Hälften des Cerebrallebens finden, entdeckt sich nicht weniger deutlich in den Theilungen der Brust, so wohl was das venöse und arterielle System, als auch seine Centralorgane, Lunge und Herz, betrifft. Das venöse und arterielle System der Blutgefäße tritt zu beiden Seiten, jedes von einem Hauptstamme ausgehend, in zwei gleiche sich theilende und verzweigende Hälften, sowohl in aufsteigender als abwärts gehender Linie. Die Centralorgane, sowohl Lunge als Herz theilen sich in zwei Hälften, von denen jede in ziem=[290]lich gleichen Verhältnissen ihre eigene Seite behauptet. Das Knochengebäude der Brust verfolgt nicht minder diese Theilung, indem von dem Rückgrathe aus zu jeder Seite die Rippen sich vorwärts beugen und an dem Sternum, welches auch in den niedern Thierordnungen mehr getheilt ist, die zwei zusammenschließenden Hälften zu erkennen giebt.
Das Abdominalsystem, selbst bei seinem scheinbar verwickeltern Daliegen der Eingeweide zeigt diese Theilung durch Hälften, wo jede Hälfte ihr gegenseitig korrespondirendes Organ hat. Wie die Lunge, so breitet sich auch die Leber in zwei bedeutende Lappen über das Abdominalsystem aus; und wenn wir auch diese Theilung weniger in der menschlichen Milz bemerken, so ist doch nicht weniger, — wie überhaupt die Sonderungen und vereinzelten Bildungen der Organe in den untern Thiergattungen oder in der anfangenden Bildung dieser Organe größer sind — diese Theilung und Paarung in manchen Geschöpfen, sowohl der Säugethiere als auch mehrerer Reptilien, sichtbar.
Was wir hier von dieser Theilung und Ausbreitung der Lebensorgane nach zwei Hälften oder Seiten, ausgesagt haben, das zeigt sich auch bestätigt durch die zwischen jene Hälften oder Theilungen eintretenden Häute. Das Gehirn theilt sich augenscheinlich durch die oberwärts eintretende Haut (falx cerebri) in zwei Theile. Selbst durch die unterwärts eingesenkten Seitenknochen und die der Mitte aufwärts steigende Sella turcica mit dem Fortgange nach dem Foramen occipitale ist dieses sichtbar. Die Brust theilt sich offen=[291]bar durch das dazwischen tretende Mediastinum, und nicht minder sind auch die Eingeweide des Abdomens durch die sich einsenkenden Häute, besonders des Gekröses, in zwei deutlich sich theilende Hälften unterschieden.
In der Mitte dieser Theilung steigt dann die Columna vertebralis hinauf, die Einheit der Lebensfäden, — so möchte ich sie nennen, — von der die Verzweigungen und Halbirungen ausgehen. Sie umspinnt in dem Knochensysteme, in der [dem] Nervensysteme, in den Arterien und Sehnen, in den Muskeln, in den lymphatischen Gefäßen und Endungen, das Ganze, welches wie in zwei Hälften von dem Rückgrathe aus an der Linea alba des Abdomen und dem Sterno der Brust bis zum Kopf, wie der Mantel der Mollusken oder die Schaalen der Konchilien zusammenschlägt. An dieser Columna vertebralis steigt dann von dem Os sacrum und Os pubis zwischen jenen Theilungen der gesonderten Hälften der Vegetationsprozeß herauf, der jenem Leben, wie die Wurzel dem Stamme und der Krone, Nahrung und Gedeihen giebt.
Es genügt uns hier nur den allgemeinen Umriß unserer Ideen und Anschauungen, wie sie sich selbst durch eine flüchtigere Betrachtung des menschlichen Körpers erläutern, ohne genauere Bestimmung der anatomischen Theile, und noch weniger ohne eine genauere uns mehr ins Einzelne gehende anatomische Beobachtung angegeben zu haben. Ist dieser allgemeine Umriß richtig, und wir zweifeln auf keine Weise an der naturgemäßen Bestätigung desselben durch die allgemeinen Gesetze der organischen Bildung selbst: so läßt sich das Allgemeine leicht [292] auch bis zu dem Einzelnen verfolgen und in den kleinsten Unterscheidungen des menschlichen Körpers nachweisen.
Sonderbar und von großer naturhistorischer Bedeutung sind diese organischen insektenartigen Theilungen des menschlichen Köpers in Abdomen, Thorax und Kopf; merkwürdig und von der höchsten wichtigsten Bedeutsamkeit für die Erklärung sind die Theilungen des menschlichen Körpers gleichsam in Kotyledonen der Pflanzenbildung, zwischen welchen das Leben oder die Pflanze in gedoppelter Ausbreitung heraufsteigt; merkwürdig die Theilung der organischen menschlichen Bildung in zwei solche Hälften, die von der Natur selbst durch Hüllen und Scheidewände unterschieden werden!

II. Der Mensch die höchste organische Ausbildung.

Findet sich in dem Bau des menschlichen Körpers, in seinen Abtheilungen und Scheidewänden eine eigene Hinweisung auf allgemeine naturgemäße Bildungen, in diesem Mikrokosmus des menschlichen Skelets die Bildung aller der vorausgegangenen stufenweisen Fortbildungen in den verschiedenen Naturordnungen der Thiere: so bestehet nicht minder das Analoge und Unterscheidende dieses menschlichen Typus in der Umkleidung, in der Potenzirung der festern Theile zu Knochen, der beweg=[293]lichen und flüssigen Theile zum venösen und arteriellen Gleichgewichte, und besonders in der Potenzirung aller niedern organischen Bildungen zu dem ausgebildeten Cerebralsystem.
Die Unterscheidung des menschlichen organischen Karakters darf nicht einseitig oder symptomatisch nach diesem oder jenem einzelnen Organe, wie z. B. nach dem Sömmering’schen Maaßstabe des verhältnißmäßigen Gehirns zu den Nerven, auch nicht bloß skeletartig nach der Form und dem Baue der Knochenbildung, sondern durchdringend, wie das Leben selbst sich in allen seinen Theilen durchdringt, aufgefaßt werden. Und so bemerken wir, was unsere Ansicht und physiologische Beobachtung betrifft, ausser jenen Grundbestimmungen der ganzen Eintheilung und Scheidung des menschlichen Körpers folgende charakteristische Momente des bis zum Menschen gesteigerten Lebens:
Erstlich das nach der Stufenbildung der übrigen Säugethiere sich in dem menschlichen Körper mehr in’s Gleichgewicht setzende Verhältniß des arteriellen und venösen Systems, wodurch der niedere Vegetationsprozeß noch mehr geschieden und abgeworfen wird.
Zweitens den in dem menschlichen Gehirne höher potenzirten Karakter aller tiefern Naturbildungen, wo die tiefern vitalen Organe des menschlichen Leibes ausgebildeter, selbstständiger und selbstthätiger sich in diesem höhern Gebilde wiederholen, und auch [294] das Vegetations=, Irritabilitäts= und Sensibilitäts=Leben hier eine höhere Ausbildung, Ausbreitung erhält.
Doch aber diese hier angegebenen Untersuchungen und Eigenheiten des menschlichen organischen Lebens können erst ins Licht treten und ihre Bedeutung erklären, wenn wir nun nach diesem allgemeinen Umriß, der uns zu weiterer und näherer Untersuchung ermuntert, einen Blick auf das Naturganze aller aufwärts steigenden Bildungen geworfen haben. Wir verlassen jetzt den Menschen; — wir kommen zu ihm zurück. Denn die Natur bildet nach einem festgesetzten und fortgehenden Plane.

III. Der Tellurismus in seinem dreifachen Aufsteigen.

Wo fängt denn das Leben an? Bestehen denn wirklich die Unterscheidungen, die zwischen dem mechanischen, vegetabilen und animalen Naturreiche da zu seyn scheinen? —Schon der Begrif der Bewegung der sich ordnenden Naturkräfte des so genannten mechanischen Naturreichs zeigt ja eine innere, selbstständige und ewige Kraft, die mit der des höher gesteigerten Lebens eins ist. Die allgemeinen Symptome der Materie, nach welchen diese in dem Weltall kreiset und immer wieder auf sich zurückkommt, die Gesetze und Erscheinungen der Expansion und Kontraktion verfolgen uns überall bis zum ersten sich ansetzenden Pflanzenstaub herauf, bis zur sich weit verbreitenden Krone des Baumes, und von der ersten animalen gelatinösen Materie an bis zu der zum [295] aufrechten Stande sich erhebenden Bildung des Menschen. Die besonderen namentlichen Uebergänge der Materie von der untersten Stufe der Kontraktion bis zur höchsten Expansibilität in stufenweisen stöchiometrischen Verhältnissen sind das Wasser=, Luft= und Lichtreich, in welchen sich nach und nach wie in aufsteigenden Ordnungen die verhältnißmäßigen Kontraktions= und Expansionskräfte zusammensetzen und verflüchtigen. Eine pythagorische Stöchiometrie der mechanischen oder materiellen Natur, des so genannten todten Naturreichs, in welchem aber doch immer das Leben der Bewegung herrschend und in welchem zugleich wie in den auflösenden Akkorden die Dreiheit eines Rhythmus, einer bedingenden und alles beherrschenden Zahl erscheint. Die Materie nach ihren Krystallisationen in Metalle, Steine, Erden, wo die Alkalien und Säuren nur in ansetzenden Formen noch die bestrebende Materie nach Condensität und Dichtigkeit zeigen, gehet von diesem Aequator, in welchem sich die Schwerkraft häuft, über zu dem Ocean, der die ganze Erde umspült und die materialen Verhältnisse nach den Polen hin einer größern Verflüchtigung zuführt. Die stehende, ruhende, erstarrte Materie wird nun beweglich und in einem Ocean von Silberfluthen beweget sie sich jetzt auf den Säulen des ruhenden Continents. Wer könnte hier den Uebergang der Natur von ihrer untersten und ersten Stufe der Escheinung und Wesenheit verkennen bis zu jenem Wasser=Elemente, über welchem ein höherer Geist der Erweckung und Schöpfung schwebet! Ein Luftkreis dehnt sich bald um und über das noch an die Erde gefesselte Wasser [296] aus. Ein neuer Chemismus, Galvanismus oder Elektrizismus der Natur beginnt. Die Wärme breitet sich aus und bereitet alles vor zur neuen aufsteigenden Verjüngung und Auflösung. Ist denn nicht in diesen elementaren Verhältnissen noch Tiefe, Breite, Höhe herrschend, das Gesetz der materiellen Welt und Ausdehnung, sich als Tiefe, als erstarrender Punkt der sich in sich selbst zurückziehenden Kontraktion anzusetzen, dann sich auszubreiten in der Breite und Fläche und dann sich zu erheben zu der Höhe! Die Stammglieder gleichsam aller möglichen extensiven Kraft und Ausdehnung! — So gehet die Materie von den ponderabeln Elementen durch die bewegliche Fluth des Wasserreichs über zu dem Chemismus der imponderablern Elemente, und schon sehen wir hier eine Wirksamkeit, die kaum haltbar nach allen Seiten sich ausdehnt, sich dem innersten Wesen und Materialismus einpflanzt, und doch aber auch nicht anders wirksam ist und seyn kann, als nur in und durch die Materie. So erhebet sich eine elementare Stufenleiter über die andere. Eine kreiset um die andere, und schon finden wir um die Erde solche Regenbogen, die wie Kreise einer über den andern geschichtet sind, bis den obersten Kreis, alles durchdringend, alles erleuchtend, die Sonnensphäre einnimmt, ein neues Element der aus der Schwerkraft aufgestiegenen höheren Kräfte. Elektrizität, Galvanismus, Magnetismus, sind dieses nicht die Kräfte, die nach jener aufsteigenden Reihe der Materie eben so auch nur entweder nach der Tiefe, Länge oder Höhe spielen; Kräfte, welche die aufsteigende Ordnung der Materie nach ihren Uebergängen von [297] der tiefsten Verhärtung bis zur höchsten Verflüchtigung und Durchdringung zeigen? — Doch wir halten hier ein in diesen Andeutungen, die nur dann erst Bedeutung erhalten könnten, wenn sie zu erläutern hier der Ort wäre. Wahrscheinlich zählt die Erde eben so viele Perioden ihrer Entstehung und Umwandlung, als in jenen Processen des Elektrizismus, Galvanismus und Magnetismus selbst nach und nach sich entwickelnde zeitgemäße Perioden der Aufeinanderfolge und der Voraussetzung liegen.

IV. Die ersten Ansätze des Lebens.

Die Erde ist noch wüste und leer. Aber in ihrer Kraft, in ihrer Wesenheit ruhet auch der schlummernde Keim anderer und neuer Wesen. Die ganze Entwicklung ist eine sich fortsetzende und verlängernde Zahl, wo sich immer Eins zu dem Eins hinzusetzt, und das, was entstanden ist, wieder zurückkehrt als Basis einer neuen Entstehung. Um die Erdrinde, um den Inhalt und Boden der schwereren Elemente kreisen Wasser, Luft und Licht. Sie sind die in der Materie selbst liegenden Momente ihrer Entwicklung. Aber sie sind entstanden, und so geben sie wieder zu neuen Entstehungen Stoff und Form. Neue Verhüllungen und Einkleidungen entstehen. Das Sonnenlicht senkt sich in die Materie ein, und schon eröffnet sich ein neuer Sonnenbogen des Lebens und Regens: — der Stammpunkt der Pflanzenwelt setzt sich an. Und auch hier spielt die Natur ihre Rolle wie=[298]der nach Tiefe, Breite und Höhe. Ein zusammengesetzterer Proceß beginnt. Die einfach fortschreitende Zahl der sich verflüchtigenden Materie hört auf. Die höchste Verflüchtigung gattet sich wieder mit ihren Grundtönen. Das die höchste Sphäre einnehmende Licht setzt sich nun wieder in mannichfaltigen Prozessen der Organisation u. s. w., in tausend Formen und sich bildenden Strahlensonnen von Blüthen und Blumen um die Erde an. Das Pflanzenleben ist die neue Geburt der Vermählung des Lichts mit dem tiefern Grade der Materie. Die Materie ruhet nun nicht blos, sie verflüchtiget sich nicht blos, sondern in einem Mittelgrade von Ruhe und Verflüchtigung, von Erstarrung und Wachsthum zeigt sie nun das in ihr nach ewigen Urformen einer rhythmischen Zahl sich bewegende und herausquillende Leben.
Lassen wir die gewöhnlichen Erscheinungen des Tages und Jahres vor uns vorübergehen! Sie erläutern, was im Anfange alles Entstehens und Werdens war. Was diese Erscheinungen zeigen, ist die Geschichte der Erde. Die Sonne weicht von ihrem höchsten Punkte, sie gehet andern Wendepunkten zu und das Leben des vegetabilen Reichs erstirbt, die Blumen senken ihr Haupt, die Sonne nimmt das Blumenleben von der Erde. Sie nähert sich wieder den verlassenen Punkten, neue Wärme des zwischen der Erde und der Sonne gestellten Luft=Elements breitet sich aus und die Erde kommt wieder in ihrem Grün, neue Sprossen und Zweige umkleiden wieder die erstorbene Lagerstätte. Die Elemente, die in ihrer einfach fortschreitenden Zahl sich lösen und aufwärts stei=[299]gen, gatten sich wieder; — Licht Wärme und Erde verbinden sich wieder, und das Licht durchdringt wieder voller und lebendiger die Luft, der Oxygenprozeß der Luft strömt wieder in  Wärme und Thau und Regentropfen herab zur Erde, und so beginnt aus dem herabgequollenen Seegen ein neuer Bildungsstoff, eine neue Bildungsform. Das Herabgekommene steigt wieder auf, nach eben den Gesetzen der Natur sich erhebend und ausbreitend in Tiefe, Breite und Höhe, in Pflanzenformen und vegetabilischen Bildungen. Jeder solcher vereinter Licht=, Luft= und Erdprozeß ist auch, wo er nur Statt findet, die Zeugung der Vegetation. An dem harten Felsen setzen sich Kugelkeime des Pflanzenlebens an, auf der Erde breiten sich Schorf und wuchernde Fasern aus. Die Kontraktions= und Expansionskräfte der Materie zeigen sich nun, von ihrem höchsten Kulminationspunkte zur Erde, zum Stein, zum Metall zurückkehrend, und diese Durchdringend und befruchtend, in neuen, regern, und, indem sie in der Materie sich regen und winden, selbstständigern Erscheinungen. Dies ein Beispiel aus dem Jahreswechsel, um das wahrscheinlicher zu erläutern, was in dem allgemeinen Prozeß der Natur liegt und womit nothwendig der Generationsakt eines neuen und regern Lebens anfängt.

V. Wieder dreifacher Cyklus der Pflanzenwelt.
Erste Ausbildung derselben.

Die Pflanzenwelt durchläuft in einem ähnlichen Cyklus, wie sich die Materie von ihrer untersten Stufe [300] zur höchsten Verflüchtigung fortbildet, die Geschichte ihres Seyns und Werdens von dem ersten Pflanzenkeime an bis zu dem Punkte ihres höchsten Wachsthums, und von diesem ersten Pflanzenkeime des an dem Felsen wuchernden Schorfes an bis zur höchsten Palme und Eiche. Ueberall spielt die Natur denselben Rhythmus und die pythagorische ewige Zahl, die sich um die drei besonderen Uebergänge alles Seyns und Werdens zu bewegen scheint. Wurzel und Blüthe sind die Geschichte des einzelnen Seyns, Blatt und Krone die bezeichnenden Epochen der allgemeinen Geschichte der Pflanzenbildung. Auch in dieser einzelnen und allgemeinen Geschichte spielt die Natur in ihren Bildungen nach Tiefe, Breite und Höhe die Rolle, die sie eben in den materiellen Bildungen des todten, leblosen Seyns verlassen hatte. Das Drama fängt an im gleichen Wechsel auf einer erhöhten Bühne.
So lange die Forschung nur nach Blättern und Außenseite die Pflanzenwelt zählt, oder nach den Genitalien die Ordnung der Pflanzenformen bestimmt; so lange sie selbst nur mit erstarrtem und erstarrendem Sinne bei dem Einzelnen und in dem Einzelnen stehen bleibet und zählt und ordnet wie Kinder ordnen: so lange wird die Natur nicht verstanden werden, und ein geistloses Wesen breitet sich aus und haftet auf Naturgegenständen, wo doch, wie überall, der Geist des Allmächtigen wehet. So viele Pflanzensammlungen und Pflanzenordnungen haben wir in Büchern und Kompendien, jede Pflanze möchte man sagen, zergliedert, bis auf das geringste Atom nach Glätte und Rauhheit, nach Rundung und Ecken, nach zufälligen und den entferntesten Merkmalen; und das in=[301]nere Leben ist so lange unverstanden und verborgen geblieben. Dank den neuern und einsichtsvollern Naturforschern, daß nun der Plunder jenes mechanischen Zählens und Messens weggeworfen worden! Es ist ja doch eine, Kinderei, wo das ungeübte Auge sich nur an Ecken und Winkeln übet. Die Physiologie eines jeden Dinges und Wesens ist nicht die mechanische Aufzählung der äußern und letzten Merkmale, sondern die Erklärung, wie die einzelne Form sich entwickelt und welches die Stufe der Naturbildung in diesem einzelnen organischen oder unorganischen Wesen ist.
Der erste Anfang des Pflanzenstaubes ist der an der Erde haftende Funke des in die Höhe gestiegenen Lichts. Materialismus und Spiritualismus, Einkleidung und Entkleidung wirken sich in der Sphäre dieser Erde entgegen. Indem die gröbere Hülle sich abgeworfen hat, kehrt die entkleidete Psyche zurück und hüllt sich in ihr gemäßere, lebendigere Formen. So finden wir den Samenstaub, der überall unter der Einwirkung des Lichts, unter vermittelnder Wärme und bergender, einkleidender Materie, immer neu aus sich selbst entstehend und aus dem höhern Chemismus hervorquellend, sich ausstreuet, als den ersten Punkt, als den bedeutsamen, aber kärglichen Anfang des Pflanzenlebens. Wie die Gesetze der Materie und aller Zeit sich verbreiten nach Tiefe und Breite und Höhe oder Länge, so wiederholen sich nun auch diese Erscheinungen des Punktes, der Vertiefung, der Verflechtung und des Emporsteigens in der Pflanzennatur. Der in einzelnen Punkten oder Kügelchen sich ansetzende Pflanzenstaub wird, indem er neue [302] Theile, aus Erde und Luft, und Sonnenlicht neue Nahrung an sich ziehet, nun Breite und Tiefe. So erhalten wir hier das mannigfaltige wuchernde und in Fläche sich verbreitende Lichenengeschlecht. Die Kugel selbst in der verkleinertsten Form ist der Ansatz und die Bestrebung neuer Ausbreitung.
An der Erde noch haftend, und dem Erd= und Wasserprozeß noch hingegeben, erscheint das kärgliche Leben noch in niederer Form und in der Farbe, welche das tellurisch verwitternde Leben, der niedere Oxygenprozeß der Erde, in Verwittern, Gähren und Verwandeln an sich trägt. Das Pflänzchen grünt noch nicht. Es schlägt weiß in die Erde, und seine Oberfläche ist die Farbe der aschgrauen, verwitternden Trauer. Das lebhaftere Leben beginnt mit der höheren und weitern Entwicklung des Pflanzenthums. Aber auf diesen Lichenengeschlechtern auf dieser sich vertiefenden und verbreitenden Fläche wiederholt sich nun schon der erste Ansatz des Lebens. Das Staubkörnchen verbreitet sich in Fläche, die Fläche erhöhet sich wieder in Kölbchen oder treibt fruchtbaren, befruchtenden Saamenstaub. So wird auch hier wieder das Erste das Letzte, das Ende wieder der Anfang. Ein Schlangenkreis, wo sich die Spitze der Bildung mit ihrer Mündung an der Wurzel in einander schlingt. Mit welcher Fülle von Gestaltungen tritt nicht schon hier die Natur in ihrer Flächenbildung und Bestrebung nach weiterer Erfüllung des Raumes auf! Wie auf dem glatten oder rauhen, ebenen oder krausen zusammengezogenen Lichen der Saamenstaub sich ausstreuet, dieser Saamenstaub zu neuen Bildungen sich formt, neue [303] Unterlage und mütterliche Geburtsstäte bekommt, in Kelch und Kölbchen aufstehet und schon die ersten Anfänge jener höhern und letzten Bildung, wo eigenthümliche Organe das große ewige Zeugungsgeschäft betreiben, zu erkennen gibt!
Der erste Saamenstaub setzt sich an der Erde an. Sie ist das Zeugungsbehältniß, das Zeugung und Erhaltungsorgan. Der Saamenstaub hat neuen Saamen getrieben; in Fläche ausgebreitet hat er sich in dem Lichenengeschlechte mit neuem Saamen bestreuet. Und schon erscheint das höhere und erneute Gesetz der Natur, daß dem neuen Staube ein neues mütterliches, aufnehmendes und empfangendes Organ, eine neue, Statthalterin der Erde werde. Der Saamenstaub verlangt nun sein eigenes und neues Organ, um wieder sich auszubreiten und seine organische Bestimmung in Tiefe und Fläche und neuen Federkölbchen oder Becherchen zu zeigen. So hängt das Geschäft der Zeugung, der Entzweiung der Natur in ihren Geschlechtern mit dem ersten und offenbarsten Gesetz der Natur zusammen, daß jedes neben seinen eigenen mütterlichen Boden treibe nie auf demselben verjüngend und fortpflanzend sich ansetze.
Einfach und verborgen erscheint noch die Organenbildung der Geschlechter. Sie ist nur noch Fläche — kaum über die Fläche erhoben. Der Erde, wo sich das erste vegetabilische Leben ansetzte, hat sich jetzt nun schon ein neues Organ des Fruchtbehälters substituirt. Die Pflanze, das Lichen wuchert fort auf sei=[304]nem eigenen Grund und Boden. erscheint auch hier wieder, nur in anderer Form, das Grundgesetz der materiellen Bildung. Eins verflüchtigt sich nach dem andern und jedes bereitet sich seinen eigenen Niederschlag oder seine Basis.

VI. Blatt, Stiel, Blüthe sind die bedeutsamen Fortbildungen und weiter ausgeführten Zeichnungen des Pflanzenlebens.

Welches ist denn das Gesetz der Weiterbildung, der größern, höhern und schönern Entstellung der Pflanzewelt? Das Gesetz liegt selbst schon in den allgemeinen Kontraktions= und Expansionskräften der Natur und in dem Punkte, wo die Pflanzenbildung eben in diesen Lichenen und Pflanzenblättern stehen blieb. Die Fläche erhält ihre weitern und Höheren Ansätze, ihre offene Krone, ihre Beerchen; die Krone schließt sich zu, das neue Gewächs treibt seinen Stamm, und so erscheint die Form der schon auf einem Stamm oder Stiel sich ansetzenden Pilze. Die Krone, der Hut breitet sich wieder aus in verschiedenen Formen und Flächenbildungen, der Ansatz des Blatts, der weitern Verzweigung erscheint schon in den feinen Falten und Riefen, mit welchen diese wuchernde Pflanzenwelt einfacher oder vollkommner verziert ist. Denn überall herrscht und gebietet das Naturgesetz des Raums, sich von dem Punkte nach der Linie, von der Linie nach der Fläche, von dieser nach Höhe und Länge auszubreiten. Die ersten elementaren Verhältnisse der Körper durchdringen alle weitere und lebendigere Schöpfung.

[305] Hier feiert noch das gebärende und zeugende Leben in seiner eigenen Hülle in Verborgenheit das Geschäft der weitern Bildung. Aber schon vollkommner, als in jenen anfänglichen Reformen. Die Organe der Zeugung, der mütterliche Boden der auf dem Pflanzengeschöpf selbst ruhenden Erde ist schon weiter gerückt und gesonderter von dem sich verstreuenden Saamen. Hülle und Staubwerkzeug fangen schon an sich zu bilden, aber innerhalb dem Kontraktionsgesetz der Pflanze selbst. Es sind noch innerlich und in sich selbst gebärende Pflanzen.
Immer noch wuchern diese ersten Anfänge des sich verbreitenden Pflanzenlebens tief an und auf der Erde fort. Es sind tellure Kinder einer niedern vegetabilischen Natur. Sie keimen auf im Finstern, Nassen, wo nur der Gährungsstoff zu neuen Produktionen, zu Pflanzenbulben, zu Fäden von Gewebe, zu vegetabilischen Ausbreitungen Veranlassung giebt. Wie auch diese mannichfaltigen Pflanzenbildungen heissen und erscheinen mögen; sie gehen noch auf der niedern Vegetationsstufe, wo das tellure Verhältniß hervortritt und Luft und Sonnenlicht nur die hinzukommenden Vermittlungen und ersten Begründungen dieser Pflanzengeschöpfe sind. Mitten im erstarrenden Winter wuchern unter der Schnee= und Eisdecke diese telluren Vegetationsproducte fort, im Finstern, wo Nässe und Feuchtigkeit, weniger von Wärme und Sonnenlicht zerstreuet, die Veranlassung zu den Konkrementen dieser Vegetation geben.
Es giebt höhere Elemente der materiellen oder anorganischen Natur. Der Luftkreis schwingt sich um die Erde. [306] Die Sonnensphäre kreiset über dem Luftbogen. Nach jenem telluren Vegetationsprocesse erscheinen höhere Processe. Der Tellurismus hat seine Pflanzenwelt — die Luftsphäre ihre eigenen Pflanzen wieder — und das Sonnenlicht erwirbt sich nicht minder seine eigenen strahlenden Sonnen und Blumen. Wo ist das farbige Bild der Schönheit noch auf jenen rauhen, schwarzen, weißlichgelben Blättern der Erde? Das Grün muß sich erst gestalten, die Pflanze inniger die Luft, die Bestandtheile der Wärme und des Lichts in sich aufnahmen, ehe Pflanzen grünen und in Kronen farbige Lichter ausstrahlen können. Es ist unverkennbar, daß sich auch in dieser Pflanzenordnung die ersten Elemente der anorgischen Natur, wie sie von dem trägen Tellurismus durch Wasser und Luft bis zum Sonnenlichte sich verflüchtigen, aufsteigend und weiter fortbildend abspiegeln. Wir überlassen es aber dem höhern Kenner der Pflanzenphysiologie, dieses deutlicher und in einzelnen Thatsachen augenscheinlicher darzustellen. Denn es ist ja einmal die Gewohnheit des mechanischen Beobachters, daß er nie eher von seinem mechanischen Sehen und Anschauen abweichet, als bis durch tausend Thatsachen die Ideen und Gesetze der Natur bestätiget sind.
Führt denn auch, wie in der anorgischen Natur, das Wasserelement hier vermittelnd und gleichsam dazwischentretend, in einem Mittgliede die auf der Erde wuchernden vegetabilischen Bildungen zu Luftformen und höheren Organismen über? Die breite Fläche des Elements verbreitet auch mehr die Breite und Länge und Tiefe des [307] Pflanzenelements. Die Pflanzenfaser steigt tiefer, das Pflanzenblatt erhebt und senkt sich mit der Wasserfläche zu einer gleichen Fläche, das bewegliche Element treibt die Pflanzenzweige da und dorthin, und schon sehen wir so die tiefern Elemente der Natur mit der höhern Natur sich gatten und beleben. Der vegetabilische Stoff wird nun ausgebreiteter, die Pflanzenform freier und höher gestreckt. Was vorher noch tief und kriechend auf der Erde lag, hat sich höher geschwungen, und das Blatt wiegt sich auf dem Wasser und die Ranke spielt wogend in den Fluthen. Die Pflanze trägt das Wesen des Bodens, auf dem sie gehet oder der sie trägt. Die Kalien und Salze — die Uebergangsform der festen anorgischen Natur zu dem freier beweglichen Elemente der Zersetzung durch Wasser, Wärme und Licht — zeigen hier die Basis des Elements, von dem sie stammen.
Wie dem aber auch sey, ob wir eine solche Uebergangsform so abgeschnitten annehmen und nachweisen können oder nicht, — denn wo vermittelt die Natur nicht diese Uebergänge durch tausend dazwischen eingefügte Mittelglieder und finden sich denn nicht auch mitten auf dem trockenen Elemente solche nasse und feuchte Behälter, in welchen vielleicht noch mehr die Uebergangsformen des telluren Pflanzenlebens zu denen der Wasserbildung sich zeigen? — so ist doch auf keinen Fall, falls man nur mit aufmerksamem Blick die Geschichte der Pflanzenwelt verfolgt und ihr inneres Leben sich zu deuten sucht, jene elementarische Grundbildung nach den anorgischen Naturreichen auch in dem höhern Gebiet der vegetativen Natur zu verkennen.
[308] Es bietet sich uns zuerst hier dar die nach der Luft, gleichsam zu ihrer eigenthümlichen Region strebende Pflanzenwelt in tausend Wirkungen und Geflechten. Und nach diesen wuchernden einsaugenden Luftgebilden befestiget sich wieder die vegetabilische Natur, um fester und gediegener als selbstständige Pflanze aus dem Schooße der Erde aufzustehen, selbstständig die Elemente der Luft in sich zu zersetzen und mit vollendetern ausgetriebnern Organen die Bedeutung zu zeigen, in welcher sie als Luftorgan zu dem sie umgebenden und umfliessenden Elemente stehet.

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Ausgearbeiteter und vollendeter in sich selbst steigt oder sinkt aber auch nur die Pflanze mehr nach dem Thermometer des Luftlebens. Frühling, Sommer und Herbst bezeichnen schon hinfälliger oder im höhern festern Bau perennirender die Beziehungen, in welchen die zarten Luftpflanzen zu dem sie nährenden und pflegenden Luftmeer stehen.
In tausendfältiger aber freier Weise wiederholt sich auch hier die Form, die wir dort in dem Tellurismus des Pflanzenlebens angezeigt fanden. Tiefe, Breite und Höhe, diese anstrebenden und sich verbreitenden Verzweigungen des Raums sind auch hier der labyrinthische aber doch gleiche Faden, an welchem diese höheren und freieren Naturen der Pflanzenwelt emporwachsen. Blatt, Stiel oder Stamm und Blüthe sind auch hier die bedeutsamen Fortbildungen und weiter ausgeführten Zeichnungen des Pflanzenlebens. Alle Organe wiederholen sich in gedrängter oder freier, in verkümmerter, angedeuteter oder vollständiger Form. Und [309] jedes Organ ist der Träger und die aufwärts oder niederwärts steigende Stufe des andern.
Die Natur befolgt im Ganzen und Einzelnen, in dem Größten und Kleinsten immer dieselben Gesetze der Bildung und Anordnung. Was die Form des ganzen Organismus ist, ist auch die Form des einzelnen Organs. Was die Ausbildungsstufe des ganzen organischen Gebildes dem Individuum, der Spezies und dem Geschlecht nach ist: das ist auch die Geschichte jeder einzelnen sich weiter verfolgenden Bildung einzelner Theile. Wir merken hier dieses Gesetz hauptsächlich an. Denn es bestätigt sich augenscheinlich durch die Pflanzenbildung.
Blatt, Stengel, Blüthe — dies sind die Theile des Pflanzenorganismus. Aber jeder dieser angegebenen Theile wiederholt sich in der Stufenleiter des Pflanzenlebens, fortbildend dieselbe Fortbildung des ganzen Pflanzenlebens. Das Blatt sucht seinen Stiel, der Stiel seinen Ansatz am Fruchtboden. Der Stengel sucht seinen Schaft, der Schaft seinen Wurzelboden. Die Blüthe sucht ihr Blatt, das Blüthenblatt seinen Blüthenboden. Und auch hier sucht wieder jeder Theil dieselbe Form der Vollendung und Ausbildung in dem Sockel, in dem Stamme und der Krone. Was willkührlich scheint in der so großen Familie der bunt= und vielförmigen Pflanzenbildung: das ist gebunden an einige Formen immer sich wiederholender, aber in dieser Wiederholung so unzählbarer Pflanzengebilde. Dies macht eben die Schönheit und Freiheit der Natur in [310] ihrem festen und beständigen Gange an Gesetzlichkeit. Der Verstand findet diese Einheit auf. Der Sinn verliert sich in der Vielheit und Mannichfaltigkeit.
Wo zeigt sich in jenem Tellurismus der Pflanzenwelt, in jenen beginnenden Ansätzen des vegetabilischen Lebens schon ein ausgearbeitetes Blatt, schon eine tüchtige feste Form eines Stengels oder Stamms? Es sind nur die ersten Versuche der rohen Säftebildung, welche aber bald zu einer höheren Ausbildung hinübergeführt wird durch die in gleicher Fläche sich ausbreitende, zu größerer Tiefe herabführende, freier rankende Wasservegetation. Tiefe, Breite, Höhe muß sich selbst erst bilden, ehe an ihnen die geordnetere Pflanzenform aufsteigen kann.
Dies sind denn nun die Perioden der Fortbildung des mannichfaltigen Pflanzenreichs: — den Typus des ganzen Pflanzenlebens zu wiederholen in jenem einzelnen Organe. Da sehen wir das bunte Gemisch der Formen, wo jede Pflanze von der andern abweicht und jede die übergehende Stufe zu der anderen bildet. Das Blatt bildet sich aus. Noch ist die ganze Pflanze ein Blattleben. Ein großer Schirm breiter sprossender Blätter breitet sich palmenartig über das Wurzelgeschöpf aus. Und eine lange Reihe von Blattbildungen durchläuft diese Pflanzenordnung, ehe die höhere Ordnung des Stengels oder des Stamms beginnt. Die Blattpflanze sitzt eben nie rauh mit ihrer Breite auf dem festen Boden auf, das Blatt steigt breit und flach aus der Wurzel, welche es zwiebelartig und umfassend umgiebt. Bald bildet sich hier eine höhere Form der Gat=[311]tung. Das Blatt setzt einen Stiel an, es ruhet nun schon auf einem beweglichen und längern Hebel. Was ist der Stiel anders als das zusammengezogene Blatt! Es zeigt sich dieses, indem dieser Stiel oft zur Seite wieder neue herzförmige Blätter ansetzt und sich als Blatt auszubreiten strebt. Das Blattleben hat nun schon eine höhere und freiere Ausbildung erhalten, und es gehet fort zu einer weitern Ausbildung, indem es über sich eine neue Höhe von Stengel, welcher die Blüthe trägt, aufsteigen läßt.
Und hier in diesem Blattleben finden wir dann wieder, aber freilich immer in noch verkürzter und verborgener Form, die ganze Bestimmung und Weiterförderung des Pflanzenseyns. Farrenkräuter mit ihren Wedeln und noch früher hinab die Caktusarten mit ihrem weichen gegliederten Wuchse, zieren dieses Pflanzengeschlecht. Die Blüthe sitzt unmittelbar auf dem Blatte auf. Die Pflanze hat sich noch nicht zu der freien und offenen Organenbildung der Geschlechter fortgebildet.

VII. Organenbildung der Geschlechter.

Die Häufchen setzen sich unmittelbar auf dem Blatte an, in runder, länglichter oder umgeschlagener Form. Oder die Blüthe keimt unmittelbar auf dem Blatte. Es ist noch der Fruchtboden des Saamens. Ein anderes und neues Organ ist nicht da, welches die Blüthe treiben und tragen kann. Insgeheim in der verborgenen Kapsel oder der Reihe des Häufchens geht das Geheimniß der Befruchtung vor sich. Weibchen und Männchen erscheinen [312] noch wenig getrennt. Der befruchtende Staub sitzt unmittelbar auf der zu befruchtenden Stelle oder neben ihr auf. Doch aber erblicken wir schon eine höhere geschlechtliche Fortbildung. Nicht mehr offner, freier Saamenstaub wuchert auf der Oberfläche des lichenartigen Blatts, nicht mehr ist der Saamen und das weibliche aufnehmende Organ verschlossen in der Krone der pilzartigen Kapsel, sondern der Saame wird schon umgeben von einer neuen, kugelartigen Hülle, die sich frei auf der Oberfläche des Blatts ansetzt. Was sind denn die ganzen Erscheinungen der geschlechtlichen Vereinigung und Auseinandertretung anders, als das frühere Gesetz in höherer Bedeutung, daß das Leben seinen Boden, seine mütterliche Erde habe. Der Tellurismus verbindet die Pflanze unmittelbar mit der Erde. Anders kann sie nicht keimen und aufkommen. Jetzt hat sich ein anderer Frucht= und Erdboden substituirt. Die Pflanze feiert in ihrem eigenen Geburtsorte die Zweiheit zwischen Tellurismus und Pflanzenleben. Die Pflanze hat sich ihren eigenen Befruchtungs= und Fortpflanzungsboden gebildet.
Welche fernere, schönere und vollkommnere Ausbildung finden wir in diesen feinen Werkzeugen der Geschlechter! Sie sind die höchste und letzte Repräsentationsart des Pflanzenwachsthums. Was sich in der ganzen Pflanzenordnung im Großen darstellt, stellt sich hier im Kleinen dar. Auf der Blüthe des Baums wächst der kleinste Baum, auf der Blüthe der Pflanze das kleinste Pflänzchen. Die Geschlechter, die Staubwerkzeuge und Pistille sind nur die verkleinerten Bildungen des [313] Blatts, des Stengels, der Wurzel. Die verkleinerten Kinder des großen allgemeinen Vegetationsprocesses. Hat sich die Natur hier so ins Kleine zusammengezogen, so stehet nun eine neue Erscheinung des Dramas bevor. Der Kontraktion stehet die Expansion entgegen. So zu den kleinen Geschlechtswerkzeugen zusammengezogen beginnt nun das noch mehr verkleinerte und kontrahirte Geschöpf des Saamens seine neue Periode der gesetzlichen pflanzlichen Entwicklung. Das Alte entsteht aus dem Neuem, das Neue aus dem Alten! — *)

VIII. Blattpflanzen, Stammpflanzen und Blüthenpflanzen. Eine aufsteigende Ordnung des vegetabilischen Lebens nach den anorgischen Elementen der Erde, der Luft, des Lichts.

Die Blattpflanze hat die Periode ihrer Bildung bis zu dem Ansetzen eines in der Mitte der Wurzel emportretenden Stengels vollendet. Und eine neue Erscheinung der Pflanzenwelt beginnt nun, eine neue Organenbildung und Entwicklung. Das Blatt kreist und bildet einen Schirm um die Erde. Diese Umkreisung [314] und Umschirmung gehet nun von dem Stengel mit seinen sich um ihn ansetzenden Blättern und bei einer noch höheren Entwicklung von seinen sich um ihn ansetzenden Zweigen aus. Gesträuche und die höheren Gewächse des Pflanzenthums entstehen nun. Sie sind die weiter geförderten Organismen des Pflanzenlebens. Nicht mehr blos das Blatt hat seinen Stiel und seine feste bewegliche Basis. Die ganze Pflanze bekommt eine aufsteigende Vertebra, von der erst nun die Verzweigungen in Blätter, Stiel, Zweige und neue wuchernde Nebenzweige ausgehen. ein neues buntes Gemisch von pflanzlichen Bildungen, doch stehend unter demselben Gesetze, welches wir schon beobachtet haben, daß eins aus dem andern heraustreibe, daß das Gewächs erst Breite, dann Länge, und dann die Länge wieder Größe und Tiefe gewinne. Es wiederholt sich auch in dieser Stengel= und Stammbildung und den rund um sich her verzweigenden Blättern und grösseren Ausbreitungen das erste Gesetz der vegetabilischen Streifen, Linien, Breiten in dem Gewebe der Lichenen, Moose, Fadengewebe u. s. w; daß sich nämlich auch diese baumartigen Gewächse fortbilden in Trennung und wieder gewonnener Einheit, in Zerstreuung nach kleineren Theilen und der Vereinigung derselben zu Einem Wuchse und Organe. Von der kleinsten Pflanze an bis zum Baume beobachten wir die mannichfaltigen Bildungsstufen von Blattansätzen in Nadeln und kleinerm Gewebe, von kleineren fadenförmigen Zweigen oder vereinten vollkommnern Blättern und gediegenen, stammartigen Zweigen.
[315] Das Blatt, die Breite schlägt sich um, und es ist die erste Andeutung zu der Bildung des Stamms. Die Haut des Baums, die Pflanze trennt sich von dem Stengel oder Stamm und gehet in Blatt, in Breite über. Was tiefer an der Wurzel noch Umhüllung, noch Theil des Stammes ist, ist oberwärts Spitze das in langer Form zugehenden, pfeilartigen Blattes. So ist ja die Form aller Gras=, Binsen= und Rohrarten. Der gealterte Stamm des Baums verläßt auch hier noch nicht das erste Gesetz seiner Bildung. Die Haut lößt sich ab, in Rissen und Theilungen, kleine Blättchen streuen sich umher, rund auf der Oberfläche der Haut erscheinen wie. der die ersten Blattansätze des Pflanzenlebens, die Lichenen, Staubfäden, Schorfe, Moose bis zu den vollkommnern an der innersten Kraft oder dem Marke des Baums wuchernden Pilzen.

Ist es denn nicht so in dem Pflanzenleben, daß sich eins aus dem andern und eins nach dem andern bildet unter der beständigen Form des ersten und einen Gesetzes, doch daß dieses Gesetz nach Ordnung der höheren aufgestiegenen Ausbildung auch höher und vollkommner und klarer erscheint? Welches belehrende Kabinet wäre es, wenn wir statt aller bisherigen Mischungen von Pflanzenarten, wo nach der linneischen Zählungsart, Bäume neben Kräuter, Palmen neben Gräser, alles ohne physiologische Ordnung und Bedeutung stehet, ein physiologisches Verbarium von der ersten bis zur höchsten vegetabilischen Bildung hätten! Dies wäre belehrend für Wissenschaft und Natur. So hätten wir dann nicht blos [316] Nomenklatur und Gedächtnißwissenschaft, sondern Natureinsicht und Naturweihe. *)

IX. Die Blüthe.

Die Pflanze hat sich zur Luft erhoben. Das Laub, das Blatt, die mannichfaltigen blattartigen Windungen der spiralförmigen Gewinde und Gewächse zeugen davon. Es strebt empor nach der höheren Luft und es bilden sich Horizonte der vegetabilischen Kronen, die wie Luftschirme die Erde umgeben. Neben der Luftsphäre thront ein höherer Kreis der emporgestiegenen anorgischen Natur. Das Licht durchdringt die Luftsphäre. Es spiegelt sich diese Luftsphäre ab in dem farbigen Gewande der Blüthe, in den sternförmigen Strahlen dieser Blüthenbildung, in den wie von einem neuen Blüthenbogen übersäeten Bäumen des Frühlingsschmucks. Die Sonne ist höher gekommen. Das vegetabilische Leben, erwärmt von der Region der Luft, hat sich emporgehoben, die kleinen [317] lichtströhmenden und lichteinsaugenden Gefäße der Geschlechtsbildung haben sich zu vollkommnern neuen Blumen, zu Gewächsen auf dem Gewächse, zu ganz neuen und vollkommnern Wiederholungen aller der unter ihnen liegenden pflanzlichen Stufen ausgebildet. Ein neues Schauspiel der weichenden und zurückkehrenden Sonne biethet sich nun dar. Die Blüthe öffnet und schließt sich, wie es Morgen oder Abend wird. In mannichfaltigen Abweichungen vom Sonnenzeiger verkündigen jetzt diese Blüthen die nähere Verwandtschaft, in welcher sie, über das Pflanzenthum der Luft erhoben, zu der Sphäre des über sie aufgehenden Lichts stehen. Zarte Kinder der Zeit und des höher und näher gekommenen Sonnenlichts stirbt das Blüthenleben ab, wie es seine verjüngte und verjüngende Zeit erfüllt hat. Das Blatt bleibt noch, denn die Luftregion ist noch da. Der Herbst nimmt erst mit der kältern Luft diesen Blätterschmuck hinweg. Der Stamm und die Wurzel des Baums und Strauchs bleibt, denn in ihm hat sich ja schon das vegetabilische Leben fester angesetzt und sie sind Kinder der Erde, auf der sie ruhen. Es hat sich in ihnen selbst der Tellurismus der niedern, tiefern Pflanzengattungen, die unter der Eisdecke fortgrünen, festgesetzt.
Erblicken wir nicht in der Blüthe alle die vorausgegangenen Epochen und Ordnungen der sich in stätiger Reihe entwickelnden Pflanzenwelt? Neue Wurzel, neuer Stamm, neuer Zweig und neues Blatt. Alles aber in zarter kleiner Form, in der höchsten und zartesten Kontraktionsstufe der vegetabilischen Regsam=[318]keit, wie sie sich bei dieser Kleinheit den Expansionskräften gemäß ausbreitet in verkleinerten Stern, und Pyramidenbildungen. Es erscheinen hier Aehren, Trauben, Dolden, Rispen u. s. w.: mannichfaltige Bildungsarten der größten Vielheit und Mannichfaltigkeit bis zur vollendeten Form der Einheit, wo sich in der Blüthe der vollendete Bau des Baums und Strauchs darstellt, die bestimmte und vollendete Organenbildung des Blatts, des Stamms und der verkleinerten Krone! Ist denn nicht der höchste und letzte Standpunkt der vegetabilischen Bildsamkeit der, wo wir in jedem Theilorgan die Wiederholung des Ganzen erblicken? In dem Stamme die Wurzel, die Zweige, die Blätter. In dem Zweige die neue Wurzel und die neuen Zweiglein und die neuen kleinen Blätter. In dem Blatte den neuen Ansatz zur Wurzel, zum Stamme und zur Blüthe. Und endlich in dieser letzten Fortschreitung die Blüthenbildung nach ihrem Fruchtboden und den darauf sitzenden Pflanzentheilen. So steigt das Pflanzenleben in minderer oder größerer Vollkommenheit aus, sich von einem Organe zum andern fortbildend, dieses Organ immer weiter ausbildend, bis endlich,. möchte man sagen, aus der höchsten Spitze der Pflanze, des Strauchs, des Baums, in der Blüthe der erste Anfang und Ansatz des Lebens mit allen darauf folgenden Stufen der Ausbildung wieder erscheint.
Mit welcher Bedeutung für die ganze Entstehung und Erklärung des Pflanzenlebens tritt nicht die Blüthe in ihren einzelnen Theilen und Organen auf! Nicht blos Suchen nach Aehnlichkeit, sondern wirkliche Gleichheit [319] desselben Standpunktes ist es, wenn wir in den Werkzeugen der Fortpflanzung die erste keimende Sprosse und Form des Pflanzenlebens anerkennen. Der Staubbeutel sitzt entweder fest auf dem Blatte auf, oder er erhebt sich auf einer Spitze. Der Staubbeutel ist aber nun noch der von der Spitze dieser Erhebung sich ablösende Staub: endlich vollkommneres Staubwerkzeug in einer Hülle, die zuletzt aufspringt und den befruchtenden Stoff auf das weibliche Organ ausstreuet. Die erste sich erhebende Form des Pflanzenlebens von dem wuchernden Punkte, von den auf der Erde sitzenden Lichenen zu dem Pilzgeschlecht erscheint hier wieder in der sich nach und nach verkleinernden Form der Pflanzenentwicklung, in den letzten Punkten ihrer Kontraktions= oder Generationswerkzeuge. Womit das Pflanzenleben in Form und Entwicklung anfing, damit endet es auch. Denn das Gesetz ist hier dasselbe des Anfangs und des Endes. Dort vom Kleinen beginnende, hier im Kleinen endende Entwicklung.
So treten denn auch die Nektarien, Saftmäler, Honigwerkzeuge u. s. w. in ihrer eigentlichen Bedeutung des Zeugungsgeschäfts auf. Sie sind zurückgebliebene, verkürzte Bildungen der männlichen und weiblichen Werkzeuge. Der Pollen löset sich hier in der noch nicht geschiedenen Masse des Honigsaftes auf, das weibliche unvollendete Zeugungsorgan erscheint hier in seiner Tiefe als Höhle, als abwärts sich senkender Gang, als Spitze und Sporn: die männlichen Staubwerkzeuge als an dem Blumenblatte aufwärts steigender Bart oder als Faser=[320]reihe in dieser oder jener mehr ausgebildeten und annähernden Form auf die mannichfaltigste doch Unverkennbarste Weise.
Verkennen wir denn vielleicht das ganze Geschäft und Gesetz der organisch= vegetabilischen Bildung, wenn wir selbst in dem Stande der kleinen Blätter, in der Form des Kelchs, ja selbst in der Farbengattung desselben in den vertheilten und geordneten Farben der ganzen Blüthe die erste, primitive Bedeutung der Zeugungswerkzeuge wiederfinden? Ich habe so oft in der wuchernden vollen Blume,wo die Staubwerkzeuge in Blätter übergehen, bemerkt, wie der Faden des Staubwerkzeugs hier immer noch in der Mitte des Blatts in einem aufsteigenden Streifen und am Ende dieses Streifens in einer farbigen Umgebung zu erkennen ist. Die deutlichste Anzeige habe ich so oft in den Blumenblättern, wenn man sie genauer betrachtet, gefunden, wie sie nichts weiter als die zur Seite, in Seitenlappen gleichsam ausgetriebenen und verbreiteten Flächen her Zeugungsorgane sind, so wie auch diese nichts weiter als verengte, zusammengezogene Blätter. Welcher Reichthum und welche Fülle von Beobachtungen bietet sich hier dar in den so kleinen unbeachteten Gegenständen der höchsten Merkwürdigkeit — des verschwindenden und sich zurückziehenden Lebens. Die Spur dessen, was gewesen ist oder seyn wird und seyn soll, bleibt immer noch zurück und auch hier verläßt die Natur ihren ewigen Gang nicht, den Weg durch Breiten, Linien und Punkte zu bezeichnen. In so vielen Blumen ist die Form der Blüthe in dem Stande und Verhältnisse dieser Generations=[321]Werkzeuge gar nicht zu verkennen. Man nehme z. B. die sogenannten Schmetterlings= oder die anderen lippenförmigen Blumen. Man versinnliche sich hier die kürzern und längern Staubwerkzeuge in diesem Verhältnisse ausgebogen und verbreitet zu Blumenblättern, das männliche Blatt sich hin= und einbiegend mit seiner Spitze nach den weiblichen eben so zu einem Blatte entwickelten Werkzeugen: und die ganze Form ist unverkennbar da, welche wir eben in diesen Gestaltungen wahrnehmen.
Die Trennung der Geschlechter auf ganz abgesonderten Individuen nicht blos den Werkzeugen, sondern selbst den Pflanzen, Zweigen und Stämmen nach, kann uns nun nicht mehr befremden. Ein jedes Organ bildet sich nach und nach zu der Gesammtbildung aus, und so erscheinen männliche und weibliche den ganzen Charakter der Pflanzen = Metamorphose an sich tragende Geschlechter.

X. Die Frucht die höchste Vollendung des Pflanzenreichs und der Uebergang.

Doch ist es nicht Zeit, daß wir forteilen zu einem neuen Gegenstande, zu dem Ziel unserer Untersuchung? Denn was ist denn dieses Alles, als Vorbereitung, wie es Vorbereitung des bisher betrachteten Pflanzenlebens selbst ist, sich einem endlichen höhern Ziele zu nähern! Die Frucht hat sich in jener Blüthe angesetzt — welche Andeutung ruhet nicht auf diesem in sich selbst geschlossenen Keime! — dem Endschlusse der ganzen Pflanzenorganisation und der Entwicklung neuer Geschlechter!
[322]

XI. Bedeutung der Frucht.

Die Pflanze strebt aus sich heraus, tief abwärts in die Erde, und aufwärts nach ihrem verschwisterten Elemente der Luft und des Lichts. Sie ist die successive Entwicklung von nach und nach erscheinenden Organen, bis sich wieder das Organ in dem kleinsten Organ des Pollens— dem ersten Ansatze aller vegetabilischen Bildung und dem Bedürfnisse, sich anzuschließen an eine tellurische Stäte, wo es gedeihe und zu weiterer Verbreitung oder Ausdehnung sich befördere, endiget. Aber die Natur hat nun eben diese Stäte der Weiterbildung in dem Kelche der Blume selbst angebracht. Der tellurische Boden ist nun erhoben, er ist nicht mehr blos anorgischer Erdboden, er ist höher ausgebildeter, mit dem Chemismus der Luft und des Sonnenlichts verwandter Fruchtboden. Der in das weibliche Zeugungsorgan herübergebrachte Befruchtungsstaub hat hier eben seine Stäte, seinen verfeinerten Erdboden gefunden. Er schlägt seine Wurzel, gedeihet hier weiter, umschließt sich mit einer Haut und Umhüllung, und kommt mit dem Uterus des weiblichen Bodens selbst zur Welt. Und so haben wir die verschlossene, in Kugelform abgedruckte Pflanze.
Alles ist so leicht nach diesen Gesetzen erklärbar Das Federchen sitzt an mehreren Saamen auf, die Hülle des weiblichen Zeugungsorgans umgiebt noch mehrere Arten des Saamens. Diese Hüllen breiten sich wieder aus in Schwingen oder Seitentheilen und so haben wir die geflügelten Früchte; oder die Blüthe der [323] Kätzchen u. s. w. wuchert fort, und so erscheinen mehrere Arten von Zapfen u. s. w. Welche Bedeutung öffnet sich uns aber hier in allem diesen wechselnden Formen, Umhüllungen, in dieser ganzen Gestalt und Metamorphose der Frucht oder des eingeschlossenen Saamens!
Lassen wir einige dieser Bedeutungen vor uns zur Beachtung vorübergehen!
In dem Saamen ist schon ein ausdauernderes, selbstständigeres Leben. Er bewahrt sich gleichsam in sich selbst, erhält eine längere Zeit sich selbst; er zehret an sich selbst. Er braucht also für den Augenblick nicht einer fremden Hülfe zu seiner Subsistenz und Nahrung. Er trägt schon die Spur eines höhern selbstständigen Lebens an sich, welches nur in die Erde gelegt zu werden braucht, wenn es wieder keimen und zur Pflanze werden soll. Das in sich erkräftigte Leben desselben stehet gleichsam noch in der Mitte zwischen thierischem und vegetabilischem Seyn. Es kann sich selbst noch nicht fortbilden, und wenn es sich fortbildet, so fällt es zur Sphäre des Tellurismus herab, dessen Schooße und Elemente es übergeben wird.
Wir bemerken ferner in dem Saamen oder der Frucht eine gesteigerte Potenz der vegetabilischen Nahrung und Zusammensetzung. Die inneren Theile verrathen schon einen höhern dynamischen Zusammenhang. Es erscheint schon eine Art von gelatinöser Materie, von dichterm, zäherm Lebensstoffe. Die Luftzellen der Pflanze haben sich zu einem innigern [324] Organ kondensirt. Es ist ein eigenthümlich für sich bestehender Körper geworden.
Betrachten wir die Fruchthülle mehrerer dieser Saamen genauer, so entdeckt sich eine neue Uebergangsform in der Art und Weise der auf diesen Saamenhüllen sich ordnenden farbigen Streifen und Flecken. Nicht ohne Ordnung liegen diese kleinen gesprenkelten Flecken und Farbenpunkte da, sondern sie ziehen sich über die Fläche der Fruchthülle wie von einem Punkte ausgehend und sich dann erweiternd in verlängerten Kreisen. Es bildet sich eine Art von Rückgrath auf der einen hintern Seite mehrerer Saamen, und von dem so genannten Nabel aus breiten sich konchilienartig in Streifen die farbigen Flecken und Punkte aus. Es erscheint gleichsam ein kleines ruhendes getiegertes Thier. — Wir glauben nicht mit dieser kleinlichen Anzeige die Gränzen der Naturbetrachtung zu überschreiten. Die Natur kündigt oft in den kleinsten Formen ihre größeren und größten an. *)
Der Saame ist nach verschiedener Art und Weise einfacher oder mannichfaltiger mit mehreren Hüllen und Einfassungen umgeben, Das künftige Pflänzchen ruhet mit seinen Blättchen und Würzelchen, in der Mitte oder Seite dieser einschliessenden und sich zusammen=[325]fassenden Saamenhüllen. Das Blättchen erscheint schon meistens in gedoppelter Form. In dem mittlern Punkte ist das Pflänzchen an der Mutter wie durch die Nabelschnur angeschlossen. Und mit dem Würzelchen hängt es wieder frei oder eingeschlossen in seiner Umhüllung.
Merkwürdiges kleines eingeschlossenes Geschöpf der Pflanze — bist du nicht die Grundzeichnung des künftigen, dessen was noch werden soll! Die Pflanze wandelt auf der Erde umher — die in sich eingeschlossene Fruchthülle bewegt sich. Wir haben die thierische Form, die Grundlage der thierischen Zeichnung mit allen weitern und ausgebreitetern Bildungen. Die Natur wiederholt sich nun in der Verbreitung und Ausbildung thierischer Formen eben so, wie sie in der Pflanzenwelt bildete und zeichnete!

XII. In der höchsten Metamorphose des Pflanzenlebens zur Frucht liegt die Zeichnung und der Uebergang zum Thierleben.

Wir sind angekommen zu einem so wichtigen Punkte, wo die Natur sich von sich selbst scheidet, indem sie ein neues Geschlecht hervorruft, welches mit dem vorigen und früheren keine Aehnlichkeit hat. Das Thier und die Pflanze — welche verschiedene Naturordnung und Art des Lebens! Jenes das bewegliche, von der Erde abgelößte, sich in sich selbst durch eigenthümliche Organe, Triebe und Veranstaltungen erhaltende Wesen, welches freiwillig und willkührlich seine Nahrung nimmt, sie besonders abscheidet, und in eine neue, dem [326] vegetabilischen Stoffe ganz fremdartige Materie verwandelt ; das Wesen, welches seine Zeugungstheile immer an sich trägt, weniger veränderlich und wechselnd in seinen Organen und Umkleidungen, und nicht mit der Wurzel des Lebens an der Erde haftend, vielmehr diese Wurzeln innerhalb dem Centrum in sich selbst tragend. Sind wir denn vielleicht viele Mittelglieder zwischen jenem und diesem Reiche, wodurch dieses und jenes eine befreundete und verschwisterte Hand bietet, übersprungen? Welche Aehnlichkeit ist denn zwischen dem Thiere und Pflanzenreiche! Es scheint, daß der Keim, der Punkt noch nicht entdeckt sey, welcher ein Reich dem andern näher, und die vegetabilische Form mit dem thierischen Gebilde in Verwandschaft bringt.
Uebersprungen haben wir dieses Mittelglied, diese übergehende und verschwisterte Form nicht. Sie liegt in der ruhenden, aber schon selbstständigen Frucht, welche die Pflanze, der Baum von seinem Gipfel wirft. Die Form bietet die Aehnlichkeit dar. Das Wesen ist wahrscheinlich nicht getrennter. Verknüpfen wir beide Naturreiche, die von dem obersten und höchsten Gliede der Schöpfung, dem Menschen, bis zu dem ersten Schorfansatz an dem harten Felsen so weit von einander abstehen, in ihren Uebergangsgliedern, so werden wir dann den gleichförmigen Gang der Natur, ihren Plan, ihre Einheit in allen fortstrebenden Bildungen finden.
Wir nähern uns der weitern Lösung des Räthsels. Die Natur stehe uns freundlich zur Seite und die Naturbetrachtung pflege — oder verwerfe, eingeweihter und [327] mit der Weihe der Natur vertrauter, die Andeutungen, die wir uns selbst in der innigen Theilnahme für die große Bildersprache der Natur zu geben versucht haben.

XIII. Fortgesetzte Form der pflanzlichen Vegetation in dem Thierreiche.

Die pflanzliche, vegetabilische Form verläßt die Natur nicht auch in ihren weitern Bildungen. Der Typus dieser neuen und weitern Ordnung ist das Ende des Pflanzenthums, des in den Kotyledonen ruhenden und eingeschlossenen Pflänzchens. Wir bemerken an demselben die Hüllen und die drei Theile des Pflänzchens selbst, die Wurzel, den Nabel, und die Blättchen.
Die vegetabilische Form pflanzt sich fort durch alle Thiergeschlechter hinauf, aber mehr oder weniger sich abändernd, anders modifizirend in Masse und Gestalt nach der veränderten Gestalt des erzeugten Lebens. Die Pflanzenvegetation tritt mehr heraus oder giebt sich an durch die Oberfläche des Körpers, der organischen Form und Einhüllung. Das pflanzliche Leben, mochte man sagen, hat hier seinen Fruchtboden mehr auf der einschließenden Hülle des Thiers. Es wuchert hier fort mit neuen Ansätzen, mit seiner bunten Hülle, mit seinem Fortstreben nach neuen Entwicklungen mit Versuchen, Stamina und Pistilladie Zeugungsgebilde des vegetativen Lebensanzusetzen.
Was wir oben bemerkten an der farbigen Pflanzen= und Blüthenwelt, daß die Farben die zerfließende Zer=[328]setzung des Saamenstaubs, der zeugenden Organe sind, daß diese Farbenordnungen nach Punkten, Stichen und Anordnung bezeichnen den Stand der Blätter, den Stand und das Verhältniß in Zahl und verschiedener gegenseitiger Entwicklung der männlichen und weiblichen Zeugungswerkzeuge was wir oben in dieser Hinsicht ausdrücklich bemerkten an dieser oder jener Frucht, wie von dem Nabel des eingeschlossenen Pflänzchens die Centrallinien der Farbengebung und sich hinziehenden Farbenpunkte nach der Oberfläche der Kotyledonen ausgehen, daß hier eine Grundlinie als bleibende vertebra mit sich verbreitenden Rippen gebildet wird: das finden wir ja nun auch in der Hülle und Umkleidung so vieler farbigen Thiergeschlechter. Die Blumenwelt verläßt auch hier noch nicht ihre Stäte, die pflanzliche Vegetation zeigt sich noch hier in der Art und Weise der Farbengebung, in den angeordneten Flecken und Zeichnungen. So finden wir in diesen erscheinenden Naturspielen ein bestimmtes und gewisses Gesetz der Natur. Dieses Gesetz greift tief ein in die Bestimmung des Thierorganismus, wie dieser zusammenhängt mit der Ordnung des Pflanzenreichs.
Ferner: die pflanzliche vegetative Natur pflanzt sich fort auf verschiedene Art und Weise und bis zu einem gewissen Grade des thierischen Organismus hinauf, bis die höhere animale Ausbildung die niedere vegetative Stufe, welche sich immer noch auf der äußern Rinde des Organismus ansetzt, überwindet, in den mannigfaltigen wuchernden Auswüchsen der Haut, des Knochengebäudes, der weichen wollichten Umkleidung nach den beiden [329] Enden des thierischen Organismus zu, von dem osse frontali und occipitis oder an den diesem Theile entsprechenden Endpunkten. Diese Geweihe und Blumen der vegetativen Natur pflanzen und wachsen noch fort nach den Gesetzen des successiv entwickelnden Pflanzenthums. Sie keimen und springen hervor zur Zeit der höheren Reife des thierischen Leibes, wo die vegetative Natur zur Entwicklung der Fortpflanzung übergehet; sie breiten sich aus und treiben Enden gleichsam nach den Jahresringen des Baums und nach dem neuen Ansetzen von Knospen und Zweigen in dem wachsenden Pflanzengeschlechte. Sie stellen dar auf das deutlichste die Form der Pflanzennatur in ihrer Ausbreitung und Stellung, wo die Blumenform gleichsam nachgeahmt wird in den mannigfaltigen Büscheln, in die Höhe sich richtenden Federn, von Schweifen und selbst in dem auf diesen vegetabilischen Auswüchsen sich darstellenden Farbenschmuck. Je nachdem die Stufe des thierischen Organismus ist, treten diese vegetativen Nachbildungen und Spuren am Ende, Mittelpunkte oder Kopfe der thierischen Gattung auf, gleichwie die thierische Naturordnung selbst in ihrer Ausbildung von dem einen Theile zu dem andern, wie in dem Pflanzengeschlechte, fortschreitet. *)
Die pflanzliche Natur der Vegetation pflanzt sich [330] ferner fort in mehreren Thiergeschlechtern in den jährlichen oder temporären Nachwüchsen der äussern Hüllen und Theile, welche gleichsam die Kotyledonen der vegetativen Frucht sind. Das Thier häutet sich, neue Federn, neue Umkleidungen setzen sich an, gewisse Theile werden abgeworfen, die tiefern sind schon nachgewachsen. Die pflanzliche Natur setzt sich also hier fort in der temporären Entwicklung vegetativer Theile. Wie der Tellurismus, Chemismus und Galvanismus selbst in der anorgischen Natur nach dem verschiedenen Stande der Erde und Sonne wechseln, die Pflanze aus dem Tellurismus nach dem Chemismus, von diesem nach dem Galvanismus hinstrebt oder die Pflanze mehr Erd=, oder Luft= oder Lichtgeschöpf im Ganzen und in ihren einzelnen hervortreibenden Theilen ist: so wechseln auch die Organe. Die Blüthe treibt mit dem Emporkommen des Sonnenlichts, das Blatt hat schon getrieben mit der neuen Erwärmung der Luft, und der Stamm, der unterste Ansatz des Tellurismus, der sich in dieser Vegetation höher regenerirte, überwintert und stellt die bleibende Stäte und Wurzel der ernährenden und hervortreibenden Erde dar.
Diese vegetative Spur des Pflanzenlebens wuchert und setzt sich fort auf der ganzen Oberfläche des thierischen Leibes, in seinen Verkleidungen und Hüllen, in dem Haar, in den Federn, in den Borsten, in den Muscheln, immer nach Art und Weise des jedesmaligen Thiergeschlechts. Das vegetabilische Leben, welches auf der Erde blühte, hat sich emporgehoben und hat den [331] Boden der ganzen thierischen Oberfläche zur Lagerstäte seines Gedeihens. Je nachdem die Natur diesen oder jenen Theil des thierischen Körpers besonders ausbildet, tritt auch die Vegetation bezeichnend auf diesem Theile, besonders auf, oder vielmehr sie zeigt in ihren wuchernden vollen Trieben an, was die Natur künftig an diesem Theile wesentlicher und edler mit größerer Kraft ausbilden will. Diese Punkte der thierischen Vegetation sind besonders, wie erwähnt ist, zu betrachten nach den drei Punkten der Generation und Protuberanz. Das in Kotyledonen eingehüllte Thier strebt fort nach jener Richtung der Länge sich auszubreiten und die Hülle des vegetativen Lebens unter sich zu bringen oder über sie hinauszutreten.

XIV. Fernere Vergleichung der sich fortsetzenden Pflanzenform in der Thierform.

Verfolgen wir diese Andeutungen weiter! — Was sind denn die verschiedenen Formen der Thiergeschlechter, die denn doch immer mehr oder weniger die oben angegebenen Rudimente des kotyledonischen Lebens des Pflanzenreichs in ihren Umhüllungen, Schaalen, Gehäusen und ihrer Haut angeben? Was sind sie anders, als die stäte, nur anders sich modifizirende Form der auch bis zur Thiernatur fortgesetzten Pflanzenform und Pflanzenvegetation. Die mehrschaaligen Conchilien stellen diese Kotyledonenart oder auch die äussern mehrschaaligen Blätter der äussern Verhüllung der Früchte dar. Denn dieses Pericarpium der Früchte sind ja, wie man bei so vielen Früchten deutlich sehen kann, [332] die vereinten und zusammengewachsenen Blätter. Was stellen die einschaaligen, spiralförmig sich windenden Conchilien anders dar, als die Spiralform so vieler Pflanzengewächse und der Luftgefäße derselben, welche spiralförmigen Windungen ebenfalls in den oben angegebenen Vegetations=Ansätzen des thierischen Lebens, in den Geweihen und Hörnern u. s. w. wieder erscheinen! Was sind die dicken und starken Gehäuse der wie mit einem Panzer umgebenen Thiere, des Schildkrötengeschlechts u. s. w., anders, als eben die sich um den Leib schlagenden Kotyledonen des Pflanzengeschlechts! Was die einhüllenden Mäntel der Mollusken! Was das einhüllende Gespinnst oder die Rümpfe der sich zur Verwandlung vorbereitenden Raupe, als daß aus den Kotyledonen die Theile hervortreten, welche neue Triebe des innern thierischen Lebens oder die wesentlichen Theile des Thierlebens des innerhalb den Kotyledonen wuchernden und bestehenden Pflänzchens sind! Da erscheint das Schuppengeschlecht so vieler Thierarten. Die verkleinerten Kotyledonen und Hüllen der ganzen Pflanzen = Umhüllung, welche eben solche Darstellungen in den schuppenartigen pflanzlichen Früchten nachahmt. Doch diese Andeutungen erhalten erst ihre Bewährung, wenn wir das Thierleben in seiner Ausbildung Schritt vor Schritt verfolgen und die Art und Weise sehen, wie sich der Typus der Pflanzen = Natur weiter zum Typus der Thierform nach mannichfaltigen Gestaltungen und Fortschreitungen ausbildet.

(Der Beschluß folgt.)









*) [313] Indem ich dieses hier so weitläuftig auseinandersetze, wird mir freilich bange für diese weitläuftige Auseinandersetzung selbst. Viele werden sie unnöthig und überflüssig, viele sie wohl auch ganz falsch und verfehlt finden, Doch welches auch das Urtheil seyn mag, ich konnte mich dieser und der künftigen Auseinandersetzung um der Resultate willen nicht überheben.

*) [316] Ich begreife nicht, wie Botaniker jetzt noch dem Linneischen System anhängen und keine bessere Ordnung und Eintheilung des vegetabilischen Lebens kennen, als nach den so zufälligen Merkmalen der Generation. Heißt denn dieses physiologische Einsicht und Kenntniß? Es ist eben so, als wenn man die Ordnungen der Thiere ganz allein nach der Zahl und den Windungen der Abdominaleingeweide bestimmen wollte. Wir haben so große, prächtige Kupferwerke der Botanik. Allein wenn man untersucht, was in allen diesen Abbildungen ist, so ist es nur erbärmliche Nomenklatur und mechanisches Gedächtnißwerk!

*) [324] Hätte ich allen diesen meinen Bemerkungen erläuternde Zeichnungen und Nachbildungen beigeben können, so wären sie deutlicher und anschaulicher geworden. Es war dieses Anfangs mein Wille. Doch am Ende dachte ich, daß wenn die Bemerkungen und meine Ansichten sich nicht selbst erläuterten, auch alle beigebrachten Zeichnungen nichts bewahrheiten würden.

*) [329] Alles hier Angedeutete gründet sich auf lange und sorgfältige Beobachtungen, die ich über diesen Gegenstand angestellt habe. So befremdend auch diese Vergleichungen scheinen mögen: sie sind nicht blos Vergleichungen, sondern wahre, analoge und identische Thatsachen.






Zeitschrift für psychische Aerzte: mit besonderer Berücksichtigung des Magnetismus / hrsg. von Fried[rich] Nasse. - Leipzig : Cnobloch, 1820. - Hft. 2, S. 284 - 332.