Physiologie des menschlichen Geistes
 nach allgemeinen Naturgesetzen.


Allgemeiner Entwurf zu einer künftigen Psychologie
 und Pathologie.

Von
Herrn Professor Grohmann.
(Fortsetzung und Beschluß.)

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XV. Ausbildung der Thiergeschlechter nach Leib, Brust, Kopf. Wieder ein dreifacher Typus.

Das vegetabilische Leben hat sich in seinen zusammengesetzten, sich weit verbreitenden Formen der baumartigen  Sträucher und Bäume, wo kleinere Leben an den größern haften und Augen und Reiser bei ihrer von den einfachsten Theilen bis zu dieser höhern Zusammensetzung gestiegenen Organisation das Gesammtleben des Pflanzentypus an sich tragen, erhoben und ausgebreitet. Und die erste Verbindung, die wir hier zwischen dem Thier und Pflanzenleben erblicken, ist die der Pflanzenform, die schon von der thierischen Gallerte und dem gelatinösen Wesen der tausendfältigen Polypenart belebt wird. Ein [450] Stamm, eine baumartige sprossende Form mit Aesten und Zweigen, die ihre Früchte in belebten Wesen, Bulben und verlängerten und sich zurückziehenden Fäden trägt. Welch eigenes Gehäuse, welche eigene Wohnung dieser an die Pflanzenwelt so nahe angränzenden Thiergeschlechter und Thierbulben, mit welchen sich wieder, wie das Pflanzenreich mit Schorfen und vegetabilischen Punkten, die lange Verkettung des in so vielen Gliedern aufsteigenden Thierlebens eröffnet! In dem Stamme, in der Scheide wohnen die kleinen belebenden und belebten Punkte. Es sind die Pflanzenformen, die noch das vegetabilische Gepräge tragen, wo aber das Pflänzchen nicht mit seinen Theilen ausser sich, ausserhalb der Scheide auftritt, das Leben jedoch auch nicht innerhalb seiner eigenen Wohnung und Umhüllung von Kotyledonen sich erhalten und sich festsetzen kann. Es sind die sprossenden Pflanzen=Kotyledonen in scheidenförmiger, verlängerter Art und Weise, in sich verbreitenden Zweigen und Aesten. Das vegetabilische ausser sich treibende Leben herrscht noch vor. Wir sehen den Uebergang von dem Pflanzen= zu dem Thier=Reiche.
Welche lange Reihe von Bildungen zeigt sich hier, die alle in dieses Geschlecht der sich eröffnenden Thierwelt gehören! Alle diese Formen und Geschlechter zeigen sich hier in der Mittelstufe, wo das Thierleben die vegetabilische Form noch nicht überwunden hat. Es breitet sich noch pflanzenartig in Stiel und Zweige aus. Und das belebte Geschöpf ist der oberste Pflanzentheil, das Stamen und Pistill, das schon in dem Gebiete des pflanzli=[451]chen Daseyns seine höhere Bestimmung von Reitzbarkeit und Empfindlichkeit, sein höher gestiegenes und potenzirtes Leben in mannigfaltigen verborgenen Regungen und Instinkten zeigt.
Betrachten wir doch diese Medusengeschlechter, Anemonen, Seesterne und wie diese manigfaltigen Meeresbewohner mehr heißen, näher! Sie tragen die Blumenform mit den ausgebreiteten Sternchen, oben auf dem Stamme diese sich erhebenden Stamina und Pistille an sich. Rund um dem Stamm sind die vegetabilischen Verlängerungen, die wie zurückgebliebene Formen die dornichten Ansätze eines Strauchs oder Baums andeuten. Das vegetabilische Leben zeigt sich auch hier noch in seiner bildenden und vorherrschenden Bedeutung.
Die Pflanze ist an die Erde gekettet. Auch hier noch die vegetabilische Gebundenheit des See= oder Wasser=Polypen an die Erde. Das Leben kann auf dieser ersten Stufe der Animalität nur noch bestehen in dem genauesten Zusammenhange mit den Banden des Tellurismus. Die Wurzeln müssen noch Fasern haben, die in die Erde schlagen oder auf derselben festsitzen. Die erste Erscheinung des animalen Lebens zeiget Berge von Thieren, die sich schorf= und lichenenartig über und neben einander ausbreiten und so die erste Grundlage des animalen Lebens bilden.
Die Pflanzenfrucht schlägt ihre Wurzeln in die Erde, anders kann sie nicht gedeihen. Dies ist die Gränze zwischen dem Pflanzen= und Thierleben. Die Pflanzenfrucht trägt schon die Form des Thierleibes an sich, allein sie kann doch noch nicht in die=[452]ser Form sich erhalten und in sich selbst ihr Leben treiben. Sie muß wieder Erdboden haben und so tritt sie wieder ausser sich mit verlängerten Fasern und Leibe. Das anorgische Element der Tiefe, Breite und Länge herrscht hier noch vor, wie die Pflanzenform der Verlängerung und des äußern Sprossens auch noch vorherrscht in diesen animalen Pflanzenformen. Noch weiter hinauf bis zur höheren Gestaltung des thierischen Seyns sehen wir dieses Gesetz der Anheftung und des Ansaugens an die Erde herrschen. Doch schon freier und gelößter. Mehrere Konchilien binden sich mit Fäden oder Wurzeln an Felsen und Meeresgrund an: mehrere Schaalengehäuse treiben aus ihren Ueberzuge von gallertiger Materie Wurzeln und Fäden, mit welchen sie sich anwurzeln. Mehrere andere Thierformen saugen sich an und fest. So überall der stätige Fortgang der Natur, die Elemente selbst zu lösen und immer ein Band nach dem andern, aber mit leiser Hand, bis zur völligen Freiheit und Selbstständigkeit des herrschenden Wesens, loszuknüpfen.
Die Würmer folgen nach einer langen, aber immer dasselbe Zwittergeschöpf von Pflanzenthum und Thierheit darstellenden Reihe auf diese Wasser= und telluren Elemente des Lebens, aber auch immer noch folgend demselben Gesetze der Erde, mehr Inwohner des Thierleibes und der Vegetation, mehr tellures Geschöpf, als ein frei sich bewegender  und höherer Organismus. Der ganze Leib ist noch eingeschlossen in eine geringelte Länge, wie in den Cactusarten sich ein Theil Gliederartig an den andern ansetzt oder in den Zellen=[453]geweben ein Punkt sich an den andern schnurartig anreiht. Der ganze Leib ist noch eingeschlossen in eine festverbundene Haut, und nur am Kopfe erscheinen die freieren Elemente des Lebens: - eine höhere und weitere Gestaltung, wie das Pflänzchen mit seiner Spitze die Hülle durchdrungen hat oder zu durchdringen strebt, um sich frei zu bewegen und Nahrung aufzunehmen.
Den Uebergang zeigt die Natur selbst von diesen Geschlechtern durch die offenste und offenbarste Abwerfung der äussern Hülle. Die Natur hat schon Mehreres geleistet. Die fußlosen Geschöpfe der Würmer haben schon Saugwarzen, Anhänge, Spitzen und Verlängerungen unterhalb ihrer gestreckten Länge erhalten. Die Natur hat mehr Kraft gewonnen. Die Hülle ist durchbrochen und so zeigt nun die Natur selbst nun wieder nach so manchen lehrreichen Uebergängen von halber und ganzer Verwandlung u. s. w. das lebendigste Beispiel, wie der Wurm, das inwohnende Leben sich weiter gestaltet; die Frucht ist da, aber sie soll noch Seitenblätter und Schwingen treiben. Denn auch in der Frucht treibt die Vegetation fort. So verhärtet sich die äussere Haut, sie wird abgeworfen und die geflügelte Frucht mit ihren weit sich verbreitenden Schwingen und getheiltem Leibe tritt nun hervor. Das Insekt, das vollkommnere Leben ist nun geboren.
Bleiben wir auch hier wieder einige Augenblicke bei diesem beschwingten und geflügelten Leben stehen! Welche Bedeutung giebt uns dieses Insekt an, welche Zeichen ruhen auf seinen Schwingen, welche Andeutung auf seiner getheilten, eingeschnittenen Leibesform! Der [454] Kopf  ist schon ein von dem Rumpfe gesondertes, der Rumpf ein von dem Abdomen sich unterscheidendes Organ. Welche Winke giebt uns dieses Naturbild?
Die Schwingen eben so geformt, geadert, geschlungen, bestäubt wie die Blättchen der Blume, wie so augenscheinlich die Flügel mancher Früchte. Eben diese Gestalt, eben dieses Gewebe. Auch hier tritt also die Vegetation wieder hervor. Die Kodyledonendecken lösen sich von dem Leibe, sie schwingen und beflügeln das Insekt. In manchen Insekten bleiben die Schwingen zurück und werden Schwingkölbchen, wie das Blatt zusammengezogen oder auf seinem ersten Lebens=Rudimente stehengeblieben, ein Stamen oder Pistill oder in einer niederen vegetabilischen Ordnung den Dorn und die Nadel zeigt. In manchen Insekten heben sich zwei der Schwingen verkürzt, oder sie erscheinen härter, dichter, sind die Flügeldecken. Die Natur schreitet schon vorwärts zu neuen und festeren Decken und Umhüllungen. Alles zeigt sich in der Natur erst als Knospe und Ansatz.
Und der Insektenleib mit seinen Theilungen und Absonderungen! Er zeigt den ersten, ursprünglichen Typus des Thierlebens, der Thierform. Die Kotyledonen werden durchdrungen von dem eingeschlossenen Pflanzenkeim. Die Blättchen treten hervor, sie bilden das Haupt; der Theil, der fest an die Kotyledonen angeheftet ist, den Rumpf; die Wurzel des Pflänzchens, in sich selbst verschlungen, bildet nun den verlängerten Hinterleib, der noch die erste Gestalt der Raupe, das unselbstständige Organ des leiblichen Lebens an sich trägt. Er [455] muß erst innerlich sich bilden, ehe er mit seinen inneren Trieben auswärts treiben und sein eigenes Organ der Bewegung haben kann. Immer erscheint in diesen Insektenarten, sie mögen mehr oder weniger in ihrem Organismus getheilt erscheinen, das Gesetz der Theilung. Das Naturgesetz, daß hier die Vegetation, der Leib mehr vorherrsche, gebietet in allen diesen Bildungen. So sehen wir Insekten, man möchte sagen, nur als Leib: - die Spinnenarten; von dem kleinem zusammengezogenen Rumpfe strecken sich die weit um sich greifenden Füße aus. Innerhalb einer jeden Thierordnung herrscht wieder ein eigenes Gesetz, welches seine verschiedenen Gestaltungen bestimmt und anordnet. Doch aber immer nach einer und derselben Hauptform.
Eine andere und höhere Organisation, die Fortbildung des Insekts zu einem vollkomneren Thierleben fängt an: das Mollusken=Geschlecht mit seinen Konchilien oder frei um sich geschlagenen Häuten und Mänteln. Die Vegetation, die in ihrem Processe schon einen höhern Punkt gewonnen hat, wirft die kalkartigen Theile aus, das Thier löst sich gleichsam von den Kotyledonen und diese schlagen sich nur noch in jenen einförmigen Schaalen oder in Spiralwindungen, die das Spiralleben der Pflanzen darstellen, oder auch im freien Mantel um das inwendig hausende Geschöpf, und dieses haftet nur noch, wie das Pflänzchen innerhalb der Kotyledonen, in einem Punkte an diese pflanzlichen Umgebungen. Das Geschöpf ist also schon freier aus seiner Hülle herausgetreten, es hat seinen eigenen Leib, seine eigene Hülle bekommen. Denn auch hier fordert und [456] zeigt die Natur eine Hülle nach der anderen. Die äussere Schaale der Frucht springt auf, aber die innere Bedeckung derselben bleibt noch. Wie das Pflanzenleben nach und nach die untern Theile abwirft und oberwärts neue Blätter und Verzweigungen treibt: so ahmt sich diese auch in der Frucht nach. Das äussere Blatt fällt, die holzige Rinde bleibt. Und so ahmt sich dieses aus wieder in dem Thierleben nach. Eine Schaale wird nach der anderen abgeworfen, und ein jüngerer Theil wuchert immer unter dem ältern, diesen lösend und abwerfend. Nachdem die Natur in dem Insekten=Geschlechte den ferneren Bau des Thierkörpers vorgezeichnet, verfolgt sie nun einzeln diesen Plan, einzeln diese Theile weiter aus= und fortbildend und so den Vegetationsproceß des Leibes, den der Brust, den des Kopfs einzeln als besondere und eigenthümliche Thiergattung, in welcher sich diese einzelnen Systeme des Gesammtlebens ausbilden, darstellend. Eben so verfuhr ja auch die Natur in ihrer pflanzlichen Schöpfung. Der gesammte Typus schwebt vor. Aber die Organbildung jedes Systems geschiehet einzeln. So haben wir gleichsam die Abdominal= oder Erdpflanzen, die Brust= oder Luftpflanzen, die Cerebral= oder Lichtpflanzen: die Ausbildung des Pflanzenreichs nach Blatt, Stamm und Blüthe. Wir glauben nicht, daß dies blos eine allegorische Deutung und Auslegung sey. Denn die Natur zeigt die Allegoriensprache selber an, sie führt sie hie und da in den wesentlichsten Gebilden und Schöpfungen aus.
[457] Die Knochenbildung hat in diesem kalkartigen, gelatinösen Geschlechte der Mollusken schon in einzelnen Punkten und Ansätzen, - wie die Ossifikazion so von Knochenpunkten ausgehet, - angefangen. Unter dem Schilde der Brust oder des Rückens trägt manche Molluske einen solchen sich ansetzenden Ossifikazionspunkt. Bedeutend scheint uns dieser Punkt zu seyn in Hinsicht der Formation des Ganzen. Die Ossifikazion fängt von dem bedeutendsten Theile des Lebens an, von dem Punkte, wo das Thier gleichsam mit einer Schnur an den Kotyledonen hängt. Eine weitere Ausbildung des Knochensystems geschiehet wieder in dem generirenden Elemente des Tellurismus. Unter der Erde und an der Erde haftend in jenen tiefern Geschlechtern des Erdlebens, steigt nun die fortbildende Organisation in die beweglichen Fluthen hinab. Wie wir die erste weitere Verbreitung des P[f]lanzenblatts, der üppigen rankenden Vegetation in den Wasserpflanzen sahen: so stellt sich wieder das Wasser als das bewegliche und weiter fördernde Element des thierischen Organismus dar. In mannigfaltiger Art und Weise regt und bewegt sich nun die Höhe, Tiefe und Breite des Wassers von einer zahllosen Menge von Bewohnern, die eben so nach Breite und Tiefe und Länge die mannigfaltige Verbreitung des beweglichen Raums darstellen. In der Breite dehnt sich das Leben aus, die Ossifikazion steigt in der Länge auf und verbr[e]itet sich in geraden Linien zu beiden Seiten. Gekrümmt, wie die Kotyledonen, umschließt die Ossifikazion den Leib und schon die vollkommnere Form der künftigen Bildung. Unter=[458]scheidungen in dieser Länge der Ossifikation sind kaum noch da. die kleineren knochigten Linien verbreiten sich länger oder kürzer zu beiden Seiten von dem Haupte bis zu der Floße des Abdomens. Noch keine Spur eines vollkommenen breiten Knochengebäudes, einer weiter ausgeführten Knochenbildung. Denn auch hier finden wir in dieser Bildung ein bedeutendes Gesetz der Natur angezeigt, daß sie von der Mitte des Leibes, dem Thorax ausgehe, und sich dann vor= und rückwärts verlängernd und in der Rundung verbreitend ausbilde. Doch die erste Spur von dieser fernern Knochenbildung, von diesem Umschließen des Skelets nach Kotyledonenart ist schon da. Die Ansätze verkündigen die fernere Vervollkommnung. Die Flossen zeigen schon die künftigen Ausführungen. Das Haupt ist fest mit dem Rumpfe wie zu einem Theile verbunden. Die Natur ist von der Bildung des Abdomen schon zu dem Brustgebilde vorgeschritten; aber sie hat dieses selbst noch nicht ausgebildet. Sie behält sich dieses noch für ein künftiges Geschlecht vor, wo eine höhere Region des Lebens, das Luft=Element, die Ausbildung des thierischen Körpers übernimmt. So sehen wir regelmäßig eins zu dem andern fortschreiten und sich vorbereitend und unterstützend ausbilden. Auch in der Umkleidung hat die Natur schon eine höhere Stufe gewonnen. Die kalkartige Schaale der Mollusken ist abgeworfen, die Bedeckung hat sich hornartig in vielfältigen Schuppen, verkleinerten Blättchen der Kotyledonen, gebildet.
Die Natur geht fort zu einem neuen Elemente des animalen Lebens. Sie erfüllt die Luft mit mancherlei [459] Gevögel. Die Luft= und Brust=Organe bilden sich aus. Das Element, in welchem dieses Leben waltet, verstattet eine höhere Wärme. Das Wasserelement ist nur die Hinüberführung des rohen und kalten Tellurismus zu einer Zwischentemperatur, zu dem flüchtigern Luft=Element. Und wenn die Natur in jenem Elemente bei ihrer Gesammtbildung des thierischen Lebens besonders hier das Theilorgan des Abdominalsystems auszubilden suchte: so geht sie nun über zu einer neuen Stufenbildung. Die Organe der höheren Temperatur bilden sich aus. Das Blut strömt heisser und flüchtiger. Und das ganze Leben bekommt eine größere Regsamkeit und Beweglichkeit, als das stumme Leben in dem kältern Elemente. Welche eigene Formen in diesen Luftgeschöpfen, denen nur die Erde da zu seyn scheint, um vom ihren Schwingungen auszuruhen, um die Nahrung zu ihrer Erhaltung zu holen und ihre Jungen zu zeugen und zu pflegen! So beweglich, wie das Luft=Element, ist auch dessen luftiger Bewohner.
Wer könnte es in diesem Baue des Vogels verkennen, daß die Natur schon eine höhere Organisation erstiegen hat? Die Brustorgane, die große Sphäre der Lungen, haben sich ausgebildet, die Brust hat einen vollkommneren Schutz durch die sich um sie legenden Knochen erhalten. Das Skelet hat sich also vervollkommnet und in diesen Theilen ausgebildet. Schon hat das Rückgrath seine breiteren Schulterblätter, die vordere Brust ein Sternum, die Arme haben Sch[l]üsselbeine. Nur die Beckenbildung fehlt noch, obschon auch hier schon Anzeige ist und Rudiment der künftigen ausgebreiteteren Wölbung. Der Kopf, welcher in dem [460] Fischgeschlechte so dicht auf dem Rumpfe saß, daß der Hals kaum angedeutet war und Abdomen und Brust nur Eine Bildung auszumachen schienen, hat sich um eine beträchtliche Länge von dem Rumpfe erhoben, die Cervikalwirbel haben sich gebildet und der ganze Knochenbau hat schon die höhere und festere Bedeutung des Knochens gewonnen, obschon diese selbst noch mehr in den Röhren als Lamelle, als Behälter der Luft geformt sind; der ganze Vogel, möchte man sagen, ist Luftorgan. Die Lungen haben noch das lockere Gewebe, um durch ihre zackigen Oeffnungen die Luft in die weitgebaute Brust, in die Luftsäcke und in die Knochen und Gefieder strömen zu lassen. Kaum ist ein Diaphragma - eine künftige bedeutende Scheidung - noch da, so wie es auch und noch mehr der frühern Natur=Ordnung des Fischreichs fehlet. Aber welche Bedeutung und Anzeige jetzt in dieser neuen Organisation, wo der Hals aus dem Gebäude der Brust gleichsam herausgetreten ist und der längere Hals mit einem verhältnismäßig kleinem Kopfe nur überbauet ist! Die Anzeige, die Bedeutung ist, daß die Kraft der Natur erwachsen sey, zu der Bildung eines neuen Organs, einer höher aufsteigenden Organenbildung fortzugehen. Es ist das Gehirn und die Kopfbildung. Aber wuchernd oder ohnmächtig ist die Natur hier nur noch vorgeschritten, indem sie in üppiger Kraft der Brust, wie das in langen Ranken auswachsende Gewächs, dem verlängerten Halse zutheilte, was künftig die Bedeutung eines höhern und vollendetern Organismus werden soll. Ich weiß wohl, welche teleologische Betrachtung mancher Beobachter über diesen oder jenen [461] Bau des Thierlebens anstellt, wie z. B. Cuvier über diese Form des zugespitzten Baues der Vögel, damit sie bequemer und leichter die Luft durchschneiden könnten. Der französische Naturforscher hat diese Beobachtung nur von der Luft selbst hergenommen. Die Bedeutung und Erklärung liegt tiefer, in dem Wesen des sich bildende Organismus selbst. Aus diesem geht die Wirkung hervor. Nicht aber der Bau aus der Wirkung, wie es die teleologische Betrachtung rückwärts und fälschlich schließt. - Die Brust=, Bauch=, Rückenflossen des Fischreichs haben sich hier ausgebildet zu vollkommenen Organen. Aber auch hier umschließen wieder die Arme, die Flügel kotyledonenartig den Leib. Es ist der Mantel der Mollusken, das Gehäuse der Schildkröten, es sind die Schaalen der Konchilien, die Schwingen der Insekten die verschlossene Umgebung des tiefern Thierreichs. Sie haben sich geöffnet, diese Kotyledonen, neue Umhüllungen und Einkleidungen sind gewachsen, und jene dienen nun zum äussern Schutz, zur äusseren Bedeckung, sie sind die Hebel und Ruhepunkte des Lebens, wie die Pflanzenkotyledonen die Bande sind, welche die Pflanzen mit der Erde vermählen und als eigene Nahrungs=Organe sie auch über die Erde erheben.
Die Natur verfolgt auch hier wieder den Plan, nach der Art und Weise der gesteigerten Vegetation, des Gefäß= und Blutsystems, diesen umhüllenden Kotyledonen, diesem Blüthenreife auf der umspannenden Decke, auch eine andere Art des Lebens und der Vegetation zu geben. Die Feder sitzt jetzt auf dem Leibe auf, wie der kleine Pappus oder das Federchen auf der Blüthe, auf [562] der reifen Frucht. Der Wind erhebt die Frucht dadurch zur Bewegung, der Vogel erhebt sich dadurch selbst zum Schwunge. Betrachten wir besonders diese Federn in ihren ersten Keimen bei den Küchelchen, so erscheint die Aehnlichkeit zwischen diesem thierischen und jenem Pflanzen=Organ noch näher. Die Feder ist das vegetabilische Gewächs, inwendig mit seinen Spiralgefäßen, mit seinem Zellengewebe, doch schon modifizirt an der Fahne zu dem Bau einer zelligen Haut, zu dem zusammenhängenden Organe des animalen Gewebes.
Auf dem Kopfe und an dem Hintertheile des Leibes zeigen sich hier die eigenen Fortsätze des nach Verlängerung und Weiterbildung strebenden Lebens. Mitte, Anfang und Ende sind auch in der organischen Bildung bedeutende Fortschreitungs= und Bildungspunkte. Auf dem Kopfe erscheint bei so vielen Vögeln ein Strauß von Federn oder ein häutiger Anhang. Der Schwanz ist ein sich weit verbreitender Schweif, eine sich erhebende Farben=Schwinge. Die Natur zeigt in diesen protuberirenden Ansätzen die ferne Ausbildung der Organe, auf welchen die Ansätze, Erweiterungen und Verlängerungen sich befinden. Was jetzt noch Ueberfluß scheint oder wirklich ist, ist künftig der nothwendige Bestandtheil in der Erweiterung, Befestigung und Begründung eines tiefern und wesentlichen Organs. Das Becken muß noch ausgebildet werden, das Leben soll in dem Kopf wieder erscheinen in seiner Gesammtbildung.
Schon beginnt der Anfang zu einem neuen Thiergeschlecht in dem größern Gebilde dieses Gefieders. In dem Kasuar und Strauß erscheint mehr das Rudiment, [463] der Fortsatz zu einer tieferen und runderen Beckenbildung, die Feder geht zum Haar, zu einem neuen Vegetationsproceß und Organ über. Selbst das Brustbein erhält hier noch mehr die abgeplattete Form des vierfüßigen Geschlechts. Der Kiel des Schiffs weicht, eine andere Bildungsart nimmt ihren Anfang.
Verwundern wir uns denn wohl über die mannigfaltigen Uebergänge des einen Geschlechts zum andern, des einen Elements zu dem andern? Die Natur bildet sich so selbst fort, so über und fort schreitend durch die leisesten Berührungen und Verwandlungen. Der Tellurismus verflüchtiget sich in dem Wasser, das Wasser in dem Luft=Element, über diesem Element wohnt die dünnere und leichtere Sphäre des Lichts. Was in diesen Elementen so übergehend gebildet wird, kann nicht anders auch als die Spuren des anorganischen und organischen Uebergangs an sich tragen. Es scheinen Naturspiele, und doch sind es die wesentlichsten und innigst mit den Gesetzen der Natur zusammenhängenden Bildungen.
Da erblicken wir denn in jenem Fischreiche schon die Ansätze des Flugs. Das Fischreich zeigt den Uebergang zu den Vögeln. Die Flosse erweitert sich und sie wird Flug= und Schwung=Organ. Da erblicken wir in diesem Reiche der Vögel schon den Uebergang zu dem vierfüßigen Geschlecht. Das Säugegeschäft fängt an, die Organe des höhern Lebens sind schon ausgebildeter. Aber die Bedingungen der frühern Organisationen verfolgen noch diese neuen Bildungen. Das Gefieder breitet sich in eine gespannte und zusammenschlagende Haut [464] aus und es wird Flughaut. In dem Ornithorynchus trägt der Schnabel noch die Uebergangsform. Wo erblicken wir nicht solche nothwendige und wesentliche Uebergänge?
Wie die Raupe ihre Kotyledonen abwirft und als geflügeltes Insekt den Uebergang von den kriechenden Würmern zu diesem neuen Geschlechte zeigt: so z. B. auch die Kaulquappe den Uebergang des Fischreichs zu dem höhern Geschlechte. Das frühere wird abgeworfen und die höhere Form erscheint unter und nach dem abgeworfenen Organ. Erst Aehnlichkeit mit dem Fische, dann vierfüßiges Reptil. Ueberall solche Aehnlichkeits= und Uebergangsformen, die nothwendig begründet sind in dem fortgehenden Reiche der Bildungen.
Was das Wurmgeschlecht darstellte, das in Kotyledonen eingehüllte Leben: das stellt das Reptil des Schlangen=Geschlechts, die Mittelstufe von dem kriechenden, schwimmenden Wassergeschlechte und dem vierfüßigen Thierreiche dar. Die Natur zeigt hier wieder das wie in einer Rinde, wie in den Banden der engsten Kontraktion eingeschlossene Leben. Was sich nicht in Breite auszudehnen und zu bilden vermogte, das wuchert und treibt in die Länge. Hier haben wir dann das schleichende, unbehülfliche Schlangen=Geschlecht.
Was wir in der tiefern Naturordnung in der Uebergangsform des Wurms zu dem ausgebildeten geflügelten Insekte, in den dickleibigen Spinnen erblickten, einen Leib mit dem kleinsten Thorax und Kopfe: das wiederholt sich wieder als Uebergangsform von dem Fisch= und Vögel=Reiche zu dem vierfüßigen Geschlechte. Das [465] Leben dehnt sich zu der Länge des vierfüßigen Geschlechts und zu seinen Organen aus, aber es behält noch die Spuren des kriechenden, schwimmenden Wassergeschlechts, oder es zieht sich noch mehr in sich zusammen, und es bildet sich ein unbehülfliches Thier mit großem Leib, emporgestrecktem Halse und gekrümmten kurzen Füßen. Hier das Schildkröten=, dort das Krokodil= und Salamander=Geschlecht. Es stellt sich in diesen Formen selbst mehr oder weniger die Annäherung an das Fisch= oder Vogel=Geschlecht in dem dicht auf dem Rumpf aufsitzenden Kopfe, oder dem verlängerten emporstrebenden Halse dar.
Das Geschlecht der Cetaceen, eine neue Uebergangsform! Aber in allen diesen Formen stellt sich noch nicht die künftige größere Ausbildung der Beckenknochen dar. Es ist dieses einem neuen Geschlechte, den vierfüßigen Thieren vorbehalten, wo das Leben diese bisher einzeln ausgebildeten Theile in Eine Form zusammensetzt und neue Theile ausbildet.
Das vierfüßige Geschlecht, die höhere Art des Lebens erscheint. Das Leben hat sich aus der Erde zum Wasser, aus dem Wasser zur Luft erhoben. Ein neuer Animalisations=Proceß beginnt. Die Natur schreitet fort zur allmähligen Ausbildung des Licht=Organs. Der niedere Vegetations=Proceß des Lichts hat sich gebildet, der Luft=Proceß des Athmens hat sich festgesetzt. Eine neue Blüthe soll keimen oder ausgebildet werden. Die Natur schreitet fort zur Ausbildung des Kopfs und des Cerebralsystems. Das solare Verhältniß des Lebens, wie es dort das Aerial= [466] und wieder dort das tellure Verhältniß ist. Gerade so, wie in dem Pflanzenreiche Blatt, Stamm, und Blüthe.
Die bisher gebildeten Theile scheiden sich nun mehr und treten als abgesonderte Systeme eingeschlossen und unterschieden durch eigene Häute zusammen. Das Abdomen wird von dem Brustbehältniß durch das Diaphragma, das Brust=Organ von dem Cerebralbehältniß durch die einhüllende Pleura, durch den Ansatz des Halses unterschieden. Das Abdominal=Verhältniß hat seine Stütze und Wohnung in der Beckengegend, die vertebrae lumbares steigen ohne Rippen auf. Das Brust=Behältniß umschließt sich wieder durch das Brustbecken und die sich bildenden und umschliessenden Rippen. Die vertebrae cervicales steigen wieder wie die vertebrae lumbares ohne Rippen auf, und nun kommt wieder das Kopfbecken mit seinen breiter werdenden, sich in Flächen ausdehnenden Rippen oder Knochen. Haben wir nicht einen stäten Fortgang der Natur, ein gesetzliches Bedingen und Bedingtwerden in diesem Baue der Höhlen und Behältnisse?
Der Hals steigt nun entweder wieder in verlängerter Columna zu dem sich ausbildenden, aber verhältnißmäßig kleinen Kopfe wie in dem Rehgeschlechte gleich einer Annäherung zu dem frühern Geschlechte der Vögel auf; oder die größere Masse des Kopfes sitzt, annähernd dem Fischgeschlechte, dicht auf dem Rumpfe, wie in dem Rhinozeros, Elephanten u. s. w.; oder Kopf, Thorax und Abdomen treten hier schon mehr in ein gleiches abgemessenes Verhältniß, welches eben hier [467] ausgebildet werden sollte, doch daß immer noch die niedere Stufe der Animalisation, das vorherrschende Gesetz der Brusttheile hier das Uebergewicht behält. Die Natur ist hier noch in dem Werden, in der Ausbildung des Cerebralsystems begriffen. Sie hat es hier noch nicht ausgebildet, noch nicht vollendet. Die Mastications=Werkzeuge, die Maxillarknochen treten hier noch vor, die Schädelknochen liegen noch vertieft und in der Fläche. Die Natur arbeitet auf eine mannigfaltige Weise an diesen Ansätzen und Ausbildungen der Schädelknochen. Sie treibt die Vegetations=Kräfte vor. Daher die mancherlei Ansätze in Geweihen, Hörnern, Stoßzähnen, Rüsseln u. s. w. Daher die mancherlei Ansätze, wo die Natur noch das frühere Gesetz, den Rumpf auszubilden, beybehält, auf dem Rücken der Kameele und Dromedare. Daher hier die noch bisweilige, mißgefällige und ungestaltete Form, die bald auf das Geschlecht der Vögel, bald auf das der Amphibien, bald auf das der Cetaceen hinweist. Aber in allem diesem findet sich die Veranstaltung eines neuen Theiles des Gesammtlebens. Die Natur behält hier den Grundtypus des organischen Bildens und Schaffens bei. Die Rippen schlagen sich kotyledonenartig um das Gewächs. Die Umhüllung trägt, wie in den gefleckten farbigen Pflanzen=Kotyledonen, noch die Regelmäßigkeit der Farbenvertheilung. Eine bestimmte Länge, ein bestimmter Punkt ist da, von dem die Farben, wie in den Konchilien die Reifen und Streifen, ausgehen. Die Natur behält noch selbst [468] die Form des innern sich bildenden pflanzlichen Lebens und Daseyns bei. Die Blättchen streben nach oben, über die Kotyledonen heraus, das Würzelchen unterhalb über die Kotyledonen hinaus. So haben wir in höherer Form und Bedeutung selbst die Pflanzenart in den Thieren: — das in sich selbst wurzelnde, das wandelnde, fliegende, schwimmende, keimende Pflanzen=Geschlecht.
Der Mensch erscheint, der Schlußstein der animalen Bildung auf Erden. Er trägt alle früheren Organisationen in und an sich. Was die Natur in dem vierfüßigen Thiergeschlechte nicht vollenden konnte, erreicht sie hier. Das solare Verhältniß des Lebens bildet sich aus in dem Kopfe und dem Cerebralsystem, — den obersten Blättchen der in den Kotyledonen eingehüllten Pflanze. Blüthen, Antheren und Pistille setzen sich an. Das Zeugungs=System einer höheren Welt erscheint auf dieser höheren vergeistigten Sphäre des zum Lichtproceß aufgestiegenen Lebens. *)

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[469] XVI. Fortschreitende Bildung der inneren Organe und Funktionen.

Folgen denn nicht die innern organischen Theile und Funktionen regelmäßig auch dem Gesetze der äusseren Ausbildung und Fortschreitung der Organe, des Skelets von einem Theile zum andern, von einer niedern Stufe zur höhern, von einer niedern Wirksamkeit zu einer höheren und kräftigern Belebung? Wer könnte dieses und jenes verkennen! Wir bleiben einige Augenblicke bei dieser innern fortschreitenden Bildung durch die verschiedenen Organen= Geschlechter stehen, um auch hier die Einheit des Plans, die Einheit aller Naturbestimmungen nachzuweisen.
Bleiben wir freilich mit unseren Blick nur oberflächlich an der äussern Verschiedenheit haften, wie ein Knochen vielleicht in diesen oder jenen Fortsätzen oder Krümmungen von dem andern abweicht, dringt die Physiologie nicht tiefer in die innere Bestimmung der wesentlichsten Theile ein: so verliert sich der Plan der Natur *) und der Blumenbachsche Irrthum tritt hervor, Einheit und Fortschreiten des organischen Le=[470]bens in seinen Theilen und Einzelnheiten zu läugnen. Fassen wir diesen Plan nur nicht mechanisch auf, als müsse nichts mehr und nichts anderes Analoges in die Naturreihe kommen oder aus derselben herausfallen können, wie so viele Pflanzenarten, Konchilien,  selbst die Mammuths=Gerippe u. s. w. der alten Welt beweisen. Die unendliche Zahl der dazwischen eintretenden und verähnlichende Fälle wird ja schon durch die eben jetzt bestehende Naturordnung hinlänglich bewiesen, wie die Phoken z. B. theils dem einen theils dem andern animalen Reiche, die Amphibien dem Luft= und Wasser=Element u. s. w. angehören. Tausend Beispiele zeigen uns, wie die Natur bei ihrer inneren Einheit des Plans doch unter unendlichen Aehnlichkeiten abweichen und fortbilden kann.
Das Pflanzenreich ist nicht durch eine reale Trennung von dem animalen Reiche geschieden. Wir haben dieses nachgewiesen. Die Spuren des Uebergangs sind so augenscheinlich. Die verknüpfende Einheit liegt in der höchsten Stufe des vegetabilen Lebens in der Frucht und Kotyledonen=Bildung. Das Vegetabilische ist das sich in der Länge verlängernde Geschöpf. Es verlängert sich nach Erde, Luft und Licht. Es hat noch nicht eine innere, eine wesentlichere Wesenheit, daß wir es so nennen, erhalten. Es gehört noch den ausser sich wirkenden Kräften der Kontraktion und Expansion an. Mit größerer und innerer Bestimmung tritt das animale Leben auf. Es wurzelt in sich, es hat die Organe der Belebung, der Vegetation, des Athmens, des sola=[471]ren Verhältnisses in sich, überall umschlossen von Kotyledonen und kotyledonenartigen Häuten. Das Leben zerstreuet sich nicht mehr in äusserer Ausbreitung, sondern es hat sich konzentrirt zur innern und desto kräftigern Wirksamkeit.
Wie natürlich, daß bei einem solchen innern Processe des Lebens, der Zersetzung und Auflösung, bei einem solchen innern unterhaltenden Feuer der Lebens=Organe auch ganz anders scheinende oder wirklich anders modifizirte Bestandtheile des animalen Seyns auftreten müssen, als bei jenem noch mehr dem äussern Chemismus und den Einflüssen der Luft, des Wassers, des Sonnenlichts hingegebenen Organismus der Pflanzenwelt! Finden wir nicht schon die Annäherung der anorgischen Materie zu dem vegetabilischen Schleim in den Ansätzen des stehenden, ruhenden Wassers in seiner Schleim= und grünlichen Haut=Ausdehnung? Finden wir nicht schon in manchen hornartigen Kapseln, in den Steinfrüchten u. s. w. manche Annäherung zu den hornartigen Ansätzen, hornichten Hüllen, zu der schaalenartigen Einfassung und zu dem Knochengebäude des höhern animalen Körpers? Wo ist hier der trennende Unterschied, in dem man bisher Pflanzen= und Thierreich als so weit — weit verschieden, wie jene entgegengesetzte, sich fremdartige Schöpfungsarten, betrachtet hat!
[472] Doch vielleicht betrachten wir dieses Alles nur im Allgemeinen. Und dann treten freilich die Aehnlichkeiten zusammen, die verschwinden würden bei genauerer und tieferer Betrachtung. So entgegnet gewöhnlich die Betrachtung, welche sich mehr an der Einzelnheit übet und nicht geeignet ist, die Natur als Idee, und die Naturbildungen als Einheiten von Ideen aufzufassen. Wir glauben aber, selbst bei dem obigen allgemeinen Umrisse, doch nicht in dem Grade bei den Allgemeinheiten stehen geblieben zu seyn, daß man diese unsere Resultate nur als fromme, aber unrichtige und unhaltbare Bemerkungen aufnehmen könnte. *)
Wir verfolgen noch mit Wenigem das, was wir oben angezeigt haben, den innern Bestandtheilen und der innern Organisation des Lebens nach.
Die animale Vegetation fängt mit der Ausbildung der Abdominal=
Gebilde an. Eine lange Reihe von lebendigen Geschöpfen und von innerhalb des Abdomen sich wiederholenden Eingeweiden. Das gallertige, lymphartige Wesen, welches die ersten Gebilde auf [473] der untern Stufe der Animalisation ausmacht, das in sich selbst wuchernde gallertige Geschöpf ist der erste Ansatz, der Anfang des Lebens. Diese gallertige Materie scheidet aus sich selbst die rohern, erdigen Bestandtheile aus. Sie ist am nächsten mit diesem Tellurismus der Erde und der Pflanzenwelt verwandt. So erscheinen die zoophytenartigen Umschläge, Umkalkungen, Stämme und selbst weiter hinauf die Konchilien und kalkartigen Bedeckungen. Mit diesem Ausscheiden der kalkartigen Materie aus der Gallerte ist zugleich die Absonderung einer flüßigern Lymphe verbunden. Sie setzt sich oberhalb als Haut, als netzförmig umschliessendes Gefäß fest, wie dies in der Haut der Vegetabilien und Animalien sichtbar ist: und so erscheint die Hautbedeckung des Wurms, die sehnenartige feste Einwicklung. Die Organisation steigt hier nach mannigfaltiger Breite, Länge und Vertiefung aufwärts. Und so erscheint hier wieder das Gesetz der gerinnenden und organisirenden Lymphe oder Gallerte, daß sie in dem Pflanzenreiche mehr in der Breite sich ausdehne, in dem animalen Reiche, welches das Leben in seinem Centro trägt, auch mehr als Röhre, als einschliessender Kreis die innern Eingeweide umgebe. Es finden sich diese ersten Bildungen des Thierreichs in so vielen Entozoen der thierischen Lymphe, in den Tänien, Filarien u. s. w. wieder: abnormale, gesteigerte oder auch gesunkene Bildungen thierischer Säfte und Funktionen.
Die Haut mit ihren röhrenförmigen Eingeweiden und Windungen, das lymphatische System in seiner [474] mannigfaltigen Ausscheidung und Steigerung hat sich nun schon gebildet, die Wurzel des Lebens und des wieder selbst in so mannigfaltigen Gestalten gesteigerten Vegetations=Processes. Je nachdem dieser Vegetations=Proceß aus seinem Tellurismus, in welchem er als Bulbe, als Wurm begraben liegt, an die Luft, an das zweite Element der organischen Bildung tritt: desto mehr steigert sich der Lebens=Proceß, die Haut verdichtet sich zu der Kruste des Insektenleibes. Die sehnichte Haut und ihr Zellgewebe gehet über in nähere Verbindung zu Fasern und Bündeln. Es entstehen sehnichte Verbindungen, Gliederhüllen und härtere Formen. Diese Ausscheidungsart weicht wieder, so wie das Geschöpf in das tiefere Element, in das Wasser oder auch noch näher zum Tellurismus herabtritt. Es wird wieder Kalk abgeschieden. Aber die Form der Ausscheidung ist schon bedeutender und organischer. Sie bildet fortgehende, fortgesetzte Flächen, an denen sich schon die Rudimente der fernern Knochenbildung, der Rippen=Einfassung zeigen. So in mannigfaltigen Absonderungen, welche mit dem gesteigerten Leben der Luft oder des Lichts in genauer Verbindung stehen, erscheinen die Ausscheidungen der Lymphe bis zum Knochen. Alles gesteigerte Potenzen des einen Vegetations=Processes, welcher aber Schritt vor Schritt dem gesteigerten Gesammtleben seiner Ausbildung folgt. Denn wo beginnt die deutlichere Entwicklung des Knochens, als in der übergehenden Steigerung der Lymphe zum Blute, wo also durch innere Wärme und Athmen durch Lungen oder Branchien ein höherer Lebensproceß bedingt ist!
[475] Die Organe wie auch die Bedingungen derselben steigern sich in und durch sich selbst nach den mannigfaltigen Systemen, nach dem Typus in der Grundlage des Geschöpfs, das eben jetzt auf dieser oder jener Stufe der Entwicklung steht, ob nämlich der Vegetations=Proceß des Bauchs, der Vegetations=Proceß der Brust oder des Cerebralsystems gebildet und als ein höherer Theil des Gesammtlebens zu dem bereits gesteigerten Gebilde hinzugethan werden soll. Denn diese drei Vegetations= und potenzirten Lebens=Prozesse liegen unmittelbar, wie gesagt, in der Grundlage des ganzen animalen Baues, welcher die dreitheilige in den Kotyledonen aufbewahrte Pflanze ist. Die Wurzel soll Wurzel schlagen; der mittlere Leib, der an den Kotyledonen hängt, die Brust soll sich ausbilden; die Blättchen sollen sich ausbreiten und Stamina und Pistille tragen. So schreitet die Natur in der Bildung dieser einzelnen organischen Systeme nur stufenweise fort, und, was in dem niedern Vegetations=Systeme eine niedere Bedeutung hat, tritt wiederholend in dem mittlern und höheren Systeme in einer höheren Bedeutung auf. So wiederholt sich jedes System, aber veredelter, ausgebildeter, mit mehr innerer und selbstständiger Kraft begabt, und so erscheinen die niedern Organe in dem höhern System in der nämlichen aber höheren Bedeutung wieder. Die Lymphe, welche sich als lymphatisches Gefäß organisirt, setzt sich an als Milchgefäß, als Pankreas, und steigert sich in der höheren Naturordnung, wo sie in Verbindung kommt mit einem [476] neuen Proceß der Vitalität, zu höheren und weiteren Ausscheidungen. Sie erscheint nun als Arterien= und Venen=
Blut und unter dieser höheren Potenzirung ist wieder ein neuer Repräsentant des Gefäß=Systems, Lunge und Herz verbunden. Wie die Stoffe mit der steigenden Vitalität und Ausbildung der organischen Systeme sich mehr ausscheiden, so erhält auch die Form und Umkleidung des ganzen Geschöpfs ein anderes und höher modifizirtes Wesen. Die kalkige Schaale wird abgeworfen, sie geht über in Kruste und Horn. Die hornartige Bedeckung wird abgeworfen, sie geht über in Federn. Die Federn werden abgeworfen und es erscheint Fell und Haar, bis eine noch höhere Vegetation selbst der äussern Umkleidung eine höhere Bedeutung der Sensibilität und des Gesammtlebens giebt. Die vegetative wuchernde Form fällt noch mehr ab, und das Leben hat eine höhere und geistigere Seite gewonnen.
Durch alle diese einzelnen Systeme des Organismus dringt aber jede einzelne Kraft und Bestimmung des Gesammtlebens. Nicht daß die Natur blos einzeln aufbaute und stückweise einen Theil über den andern setzte. In jedem einzelnen Theile wird das Ganze repräsentirt, und das Ganze ist ein tausendfältig potenzirtes Gesammtleben einzelner Theile. In den Eingeweiden des Leibes thut sich eine höhere Potenz der Vitalität dar, es bilden sich hier noch lebendige Gebilde. In der Haut erscheint eine noch höhere Potenz. Sie geht über bei abweichenden Processen, wie die Haut des Baumes in Moose und Lichenen, in tausendfältige in=[477]sektenartige Gebilde. Alle diese einzelnen organischen Systeme des körperlichen Gesammtlebens sind nichts anders als die Repräsentanten der lebendigen stufenweise aufsteigenden Organismen: und diese Organismen nichts anders als die Darstellungen der nach und nach in dem einzelnen organischen Gebilde herrschenden Funktionen, Gefäße und organischen Einzelnheiten.



Noch mehr wie wir dieses weiter unten nachweisen werden, thut sich dieses auf das offenbarste dar in dem Zeugungs= oder Generationssystem, welches in seiner wahren physiologischen Bedeutung nichts anders ist, als die aufsteigende und sich nach und nach entwickelnde Stufe höherer Organismen. Das eine Element tritt zum andern über. Dieses ist nothwendig in der Natur bedingt. Der Tellurismus bedingt die Scheidung im Wasser, diese Scheidung die Luft=Region, diese die Licht=Sphäre. So folgt auch ein Leben dem andern und eine aufsteigende Entwicklung der andern. Stellt sich dieses nicht ausdrücklich dar in der Stufenleiter der auf einander folgenden Organismen?
In dem niedern Geschäft des Organismus herrscht, wie auf der ersten Stufe der thierischen Schöpfung, das Ein= und Ansaugen zum Bestehen und zur Nahrung. Die rohere Materie wird aufgenommen und wieder ausgestoßen, die Luft durch die ganze Oberfläche nur eingesaugt. Die einzelne niedere Funktion des telluren Chemismus wird dadurch bedingt. Säfte werden zersetzt und ausgeschieden. Das Organ der [478] Gallabsonderung setzt sich bald an. Die Milz erscheint schon in einzelnen Ansätzen. Alle Organe zeigen sich anfangs nur als beginnende Zersetzungen, dann als Streifen, Röhren, dann als vertheilte, sich theilende Lappen, bis endlich die Einzelnheiten zusammentreten und ein gesammtes Organ bilden. Das Athmen erscheint anfangs ebenfalls nur als Sauggeschäft, welches sich über die ganze Fläche des polypenartigen Geschöpfs verbreitet. Aber auch hier organisirt sich das lockere offene Gewebe bald zu einem einzelnen Organ von Streifen und Röhren. Branchien erscheinen. Diese setzen sich zusammen in ein ungetheilteres Organ und die Lungen zeigen sich. Das Herz erscheint anfangs nur als allgemeine Arterie einer durch den ganzen Körper geführten Bewegung. Knoten, Centra setzen sich an. Venöse und arterielle Theilungen und Vitalpunkte erscheinen, bis auch dieses wieder zusammentritt in ein Konvolut von venösen und arteriellen Kammern und Ventrikeln. *) Die Dauungs=Werkzeuge, welche in der niedern Potenz nur als Aufnahme= und Ausführungs=Gänge erscheinen, in Kontractionsform sehnichte Hüllen, erhalten bald eine höhere Bedeutung der vitalen Bestimmung. Der Magen muß mehr zersetzen und verdauen, und die Speicheldrüse den Speichel zubereiten und die Nahrung dem Lebenssafte assimiliren. [479] Auch hier erscheint die Vertheilung des anfänglich Allgemeinen in mehreren Einzelnheiten und endlich wieder das Zusammenschliessen dieser Einzelnheiten in Eine Bedingung. Die vervielfachten Dauungs = Eingeweide oder Magen mehrerer Säugethiere vereinfachen sich in der höheren Organisation. Die einzelnen Gebilde vereinigen sich zu einem Gesammt=Gebilde.
Was in dem einen organischen System in niederer Bedeutung und Funktion ist, das erscheint wieder in dem höhern organischen System in höherer Bedeutung und Funktion. Ist dieses nicht das Gesetz, welches die Natur in ihren organischen Bildungen verfolgt und nach und nach ausführt? In der Brust der höhern Organismen erscheint die Lunge in ihrer doppelten Verbreitung, das Herz mit seiner venösen und arteriellen Theilung. Ueber oder an diesen Organen liegt die Thymus. In der Mitte dieser Organe läuft das Abdominal=System im Magen und Orsophagus herauf. In dem Abdomen erscheint die Lungen=Funktion in der doppelten Leber, die Herz=Funktion in der Milz, welche ebenfalls in einigen Thierarten doppelt oder getheilt ist. Neben und mit diesen Organen in Verbindung erscheint das Pankreas, die Thymus des Bauchs. Und zwischen diesen Gebilden läuft das vielfach gewundene Eingeweide des Dauungs=Systems. Wir fragen: liegt nicht schon in dieser Anordnung die Anzeige der physiologischen Bedeutung aller dieser einzelnen Organe, wie sie sich einander substituiren und wie sie dieselbe Funktion, obschon in niederer oder höherer Potenz, verrichten? Ist denn schon [480] dieser Anordnung nach die Leber nicht das Lungen= oder Entkohlungs=Organ des Bauchs, die Milz nicht das arterielle Herz des Abdomen? In der Leber wird das Blut nicht weniger zersetzt, wie in der Lunge, aber in niederer und tieferer Bedeutung. Die Milz erscheint hellrother als die Leber, wie das arterielle Blut hellrother ist als das venöse. Mögen diese Gleichnisse und Beispiele auch nur von fern dasjenige andeuten, was wir anzeigen wollen, so glauben wir doch, daß durch diese Vergleichungen des Gesammt=Organismus die physiologische Bedeutung jedes einzelnen Organs besser zu bestimmen ist, als, wie es bisher gewöhnlich in der Anatomie und Physiologie geschehen ist, durch die okulare Beschauung und vereinzelte Ansicht. Die Natur ist nur nach ihrem Gesammt=Typus zu erfassen!
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XVII. Die Generation ist selbst die successive Entwicklung von dem untersten Organismus herauf.

Sonderbar sich entwickelnde, generirende und regenerirende Sinnenwelt! Produktion, Reproduktion, Generation sind eins und das nämliche. Entweder Theilweise in einem einzelnen Organe oder als einzelnes Organ oder als gesammter Organismus. Der erste Ansatz des prolifizirenden Wesens ist die gallertige Materie der Zoophyten. Sie erscheint wieder in der Bedingung des erzeugenden Saamens. Ein jedes or=[481]ganische Wesen wird von dieser untersten Bedingung durch die dazwischen liegenden Stufen bis zu dem Standpunkt seiner Organisation oder Bestimmung durchgeführt. Dies ist die Geschichte des ganzen Generations=Systems und der Entwicklungs=Perioden desselben. Tellurismus, Wasser= und Luft=Element sind auch hier die aufsteigenden Momente der Entwicklung. Was sich in dem Gesammtleben der organischen Natur in der Aussenwelt vollführt, das bedingt und vollführt nun die Innenwelt des Organismus selbst, die sich eben so als Tellurismus, Luft= und Licht=Sphäre konstruirt hat. In dem ganzen Generations=System wird die Erdpflanze durch das Wasser zur Luft= und Licht=Sphäre, — die tellurisch bedingte Animalisation durch das Wasser=Element zu der Luft= und Licht=Sphäre fortgeführt: so erscheint diese fortstrebende Periode auch wieder in dem generirenden Organismus selbst und seinem Gesammtleben. Das sich entwickelnde Leben wird in den höheren Geschöpfen in dem Uterus aufgenommen: hier bildet es sich in dem ihm gemässen Wasser=Elemente aus, und tritt dann, zu einem höheren Organismus ausgebildet, auch in das ihm gemässe Luft=Element über. Der Uterus fängt in seiner vollkommnern Ausbildung nur an mit den Säugethieren. Er übernimmt das Geschäft des großen Wasser=Elements, das Geschöpf von dem Amphibium, welches sein Leben noch zwischen Wasser und Luft theilt, in das Luft=Element zu befördern. Daher die lebendig gebärenden Thiere. Der Vogel generirt durch Eyer. Er führt das Crustaceengeschlecht zur freiern Bestimmung über. Die Hül=[482]le, die Kotyledonen lösen sich und das beschwingte Geschöpf tritt aus der Schaale hervor, wie das Insekt aus der Nymphe. Wie man weiter in dem Thierischen abwärts kommt, so wird die Generation und das Entwicklungs=Geschäft einfacher; denn es liegen weniger Momente, weniger Entwicklungsstufen voraus, welche es zu durchgehen hat. In dem menschlichen Foetus offenbart sich so deutlich der Reptilien=Zustand in der Strömung des Bluts durch das Foramen ovale, wie dieser getheilte Blutumlauf bei den meisten Reptilien statt findet. Wie das Kind geboren ist, so verschließt sich das Foramen, das Geschöpf tritt in das Reich der vierfüssigen Thiere, von dem es sich nach und nach zu der Richtung des Menschen erhebt. Die vorbereitenden Anlagen müssen sich erst ausbilden, die höhere Funktion der Organe muß erst in der stufenweisen Entwicklung des Cerebral=Systems hervortreten, ehe das solare Verhältniß des Denkens, des Bewußtseins, die höhere und weitere Wirksamkeit des menschlichen Geistes anfangen kann. Die Ausbildung eines jeden kindlichen Geschöpfs ist die zu seiner ihm eigenthümlichen bestimmten Vegetations= und Lebens=Sphäre, mag diese nun in der niedern, mittlern oder höheren Vegetation und Organisation liegen.
Dieselben Stufen der Generation und Fortpflanzung finden sich in dem Thierreiche wieder, welche wir in dem Reiche der Pflanzen=Bildung bemerkt haben. Pollen, Filamentum, Anthere, mehr oder weniger ausgebildetes weibliches Frucht=Behältniß. So bildet sich auch in der untern Stufe des Thierreichs das einfache [483] Generations=Geschäft von der lichen= und polypenartigen Ausbreitung zu bestimmten; an eigenthümliche Organe gebundenen Funktionen aus; die Geschlechter sind hier eben so vereint oder entzweiet in Theilen, in Organen oder einem Gesammt=Organismus, wie in der aufsteigenden Ordnung der Vegetabilien.
Doch wir halten mit diesen Bemerkungen ein. Diese Einzelnheiten gehören in einer ausgeführtere Physiologie. Wir haben es nur mit dem allgemeinen Umriß zu thun.
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XVIII. Das Cerebral=Leben.

Wenn wir in allen bisher angedeuteten Formen und Uebergängen der pflanzlichen und animalen Natur immer dasselbe Gesetz des Typus anerkannt haben, in jenem Pflanzenreiche die Ausbildung des vegetativen Lebens zum Blatt, die Ausbildung desselben zum Stamme und dessen weiterer Verzweigung, endlich die Ausbildung desselben zu derjenigen Blüthe, welche ihre eigene Wurzel, ihren Stamm, ihre Blätter als Darstellung des vegetabilen Gesammtlebens hat; wenn wir in dem animalen Reiche gleiche Fortschreitungen und Ausbildungen in den drei Darstellungen der Abdominal=, Brust= und Gehirn=Gebilde gefunden haben, wo das animale Leben sich in diesen drei Beziehungen auf eine mannigfaltige Weise von der ersten animalen Erscheinung bis zum Fischreiche, von diesem bis zum Vogel und dann bis zu den Säugethieren ausbildet: wenn wir in diesem Allem die Fortschrei=[484]tung und Gleichmäßigkeit der drei anorganischen Naturreiche, des Tellurismus zum Wasser, des Wassers zur Luft, und dieser Luft=Expansion zur Licht=Sphäre anerkannt und wieder in der animalen Form den Typus der höchsten Pflanzen=Bildung, welcher in der Frucht sichtbar ist, als das Skelet und die Grundlage des auszubildenden thierischen Lebens nach drei Beziehungen, des Leibes (der Wurzel), der Brust (der Verbindung des Pflänzchens mit den Kotyledonen) und der Blättchen (der sich auszubildenden Gehirntheile) in näherer oder entfernterer Bedeutung aufgestellt haben: so fragt sich nun, was denn dieses Cerebral=Leben selber sey, und welche Fortschreitung überhaupt die Natur in der Form des Menschen als der höchsten Stufe der thierischen Bildung darstelle.
Wir glauben nicht in Anspruch genommen zu werden, warum und daß wir auf solche organische Beziehungen und Eintheilungen die Erklärung des menschlichen Lebens und Daseyns, wie überhaupt die fortschreitende Thierbildung zurückführen. Denn der Beweis dieser Eintheilung und Beziehung liegt ja unmittelbar in den Funktionen des thierischen Lebens selbst. Merken wir auf die chemische Bedeutung, die sich in den Abdominal=Funktionen anzeigt: es ist die Zersetzung der rohern materiellen Stoffe zu Wasser. Das tiefere Element wird zu einem höhern hinaufgeführt. Durch den Chemismus vollführt sich hier diese tellurische Sphäre der Vegetation. Die abgesonderten Feuchtigkeiten werden dem irdischen Stoffe nach ausgeschieden, [485] oder auch den höhern Elementen nach vertheilt und in dem Körper umhergetrieben. Nehmen wir Rücksicht auf den Proceß, der sich in der Brust, innerhalb der Höhle des Thorax, darstellt: so ist es die Hinaufführung des tiefern Elements, welches in dem Abdomen zersetzt wurde, zu einem noch höhern Elemente: eine Zersetzung des Wassers zur Luft. Neue und höhere Wärme durchströmt das thierische Leben. Das Wasser=Element des Abdomens, die höher geförderte Lymphe desselben hat sich schon zu Blut in den Venen und Arterien umgesetzt. Und ein neuer Proceß des Lebens und des Organismus beginnt mit der weitern Vollendung und Ausführung des Cerebral=Systems, wo die Wärme, die in den Brustbehältnissen bereitet wurde, hinübergeführt wird zu einem neuen Elemente, der Zersetzung oder auch inneren Verbreitung und Entstehung des Lichts.
Auch hier haben wir Beweise für uns, daß diese Andeutungen nicht fremd und unangemessen der Natur seyen. Mit dem Cerebral=System steigt oder erhebt sich das Licht der Anschauung, das Licht und die Helle der Empfindungen, der Gedanken. Ein solares Verhältniß des aus der tiefsten Finsterniß, aus dem Tellurismus zum Licht erhobenen Lebens. Die Licht=Sphäre breitet sich hier aus, alle niederen Processe des Lebens erscheinen hier in einer vergeistigten, veredelten Form. Es ist der Standpunkt, wo die Materie sich selbst entflieht und zu den imponderabeln Elementen der Wirksamkeit und Belebung übergeht. *)
[486] Finden in dem niedern Vegetations=Processe jene ersten elementaren Verhältnisse der Zersetzung, Absonderung und Vertheilung ihre Organe: so wiederholen sie sich nicht minder als solche besondere Ausscheidungs=Organe, welche die Zersetzung des tiefern elementaren Stoffs zu Wärme und Licht erfordert, in den analogen Behältnissen der aufzunehmenden Feuchtigkeit. Und wahrscheinlich wiederholen sich alle diese Organe wie überhaupt alle Bedingungen der tiefern Natur nur in gesteigerten Verhältnissen in der obersten Lebens=Sphäre des Gehirns oder des Hauptes. Noch ein reiches und weites Feld für physiologische Untersuchungen!
Es wiederholt sich hier, was wir schon in den tiefern und mittlern Organen des Lebens nachgewiesen haben, die doppelte Organenbildung, sowohl in dem großen als kleinen Gehirn, die Scheidung desselben, wie überhaupt in dem ganzen thierischen Leibe, in zwei Hälften. Es wiederholt sich hier die Verbindung zur Einheit in der medulla oblongata, wie diese Verbindung zur Einheit überhaupt in der columna vertebralis sichtbar ist.
Und dürfen wir hier eine Bedeutung wagen, die allein aus allgemeinen physiologischen Momenten, die aber Analogie und Induktion für sich haben, genommen ist: so sind auch hier das große und kleine Gehirn nur die kotyledonenartigen Einhüllungen der tiefern und höheren Bedeutung, der Blüthe, welche zeugt und erzeugt, welche Sinnen=Anschauung, Sinnen=Empfänglichkeit u. s. w. in sich enthält, welche die Sinnen=Nerven, wie die Blüthe der Pflanze ihre Stamina und [487] Pistille, vertheilt und ausschickt; und so ruht auch auf dieser Scheidung des großen und kleinen Gehirns derselbe Grund der Scheidung, welche wir tiefer in dem Organismus zwischen Lunge und Herz und noch tiefer zwischen Leber und Milz bemerkt haben. Eine doppelte Scheidung und Hinaufführung des Lebens zur höheren Potenz und Wirksamkeit. Welches das wesentliche animale, vitale und geistige Organ des Gehirns, das wesentliche Bedingniß der psychischen Wirksamkeit sey: das ist doch wenigstens im Allgemeinen schon durch mannigfaltige Beobachtungen und Vergleichungen ausgemittelt. Diese Beobachtungen führen wir hier als bekannte Thatsachen und Bestätigungen nicht an.
Das Gehirn bildet sich durch die verschiedenen Thierklassen eben so aus, wie die andern Organe und organischen Beziehungen des Leibes sich ausbilden. Das Gehirn erscheint in den niedern Thierformen noch getheilt und in strahlichten einfachen Streifen. Es setzt sich in den höhern Thieren mehr zusammen und wird ein großes, zusammengesetzteres Organ. Und endlich erscheint in dem Menschen jene Bildung des obersten Centralgebildes, welches sich nach und nach zusammengesetzt hat und alle die verschiedenen Beziehungen des niedern Lebens, aber in vergeistigter allgemeiner Potenz an sich trägt. Stufenweise schreitet in dieser Bildung die Natur aufwärts, und auch in dem Menschen=Geschlecht hat sie in dieser Hinsicht noch mannigfaltige organische Bildungsstufen, wie dies auch in einer und derselben Thierrace, mit einer Spezies und einem Individuum einer und der nämlichen Klasse in Hin=[488]sicht des normalen und abnormalen Ausdrucks der Fall ist.
Die Natur geht von dem einen Reiche zu dem andern durch mittlere Stufen, durch Amphibien des einen und des andern Reichs über. So erscheint auch ein solches Amphibion zwischen Mensch und den vierfüßigen Säugethieren in dem Affen. Er trägt noch die Anzeichen der tiefern, niedern Vegetation an sich. Die Natur ist in ihm noch nicht zu ihrer Vollendung gekommen. Sein Wesen trägt diese Doppel=Seite zweier verschiedener Elemente, wie die anderen Amphibien, an sich.
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XIX. Jedes der drei genannten Systeme des animalen Lebens, sowohl das Abdominal= als auch Brust= und Cerebral=System, hat seine eigenthümliche Sphäre der produktiven, irritabeln und sensitiven Kräfte.

Fassen wir die Bedeutung und Ausbildung der Organe und organischen Funktionen nicht einzeln, sondern in ihrem gegenseitigen Verhältnisse auf! So lange die Physiologie bei ihrer einseitigen Betrachtung stehen bleibt, wird sie nie die mannigfaltigen Erscheinungen des somatischen und psychischen Zustandes zu erklären wissen. Immer werden dann allein, wie bei jener Unterscheidung des Menschen von dem menschenähnlichen Amphibion, die einzelnen anatomischen abweichenden [489] Verhältnisse als die unterscheidenden Merkmale auftreten und die Haupt=Verhältnisse der Unterscheidung übersehen werden. Wie die Natur von der Ausbildung des niedern Abdominal=Systems fortschreitet, steigend und sich immer mehr ausbildent in den einzelnen Organen: dies allein macht den Klassen=Unterschied der thierischen Ordnungen aus.
Man unterscheidet als eigenthümliche Funktion der niedern Vegetation die Vegetation selbst als produktive Kraft. Man schreibt den Nerven das Vermögen der Sensibilität, dem Muscel die Irritabilität zu. Mit Recht. Aber es fragt sich: auf welche Klasse des animalen Lebens man diese Unterscheidung und besondere Bezeichnung anwendet. Die Vegetation hat nicht minder ihre einzelnen Stufen der Ausbildung und der dieser Ausbildung angemessenen organischen Bildungen. Die Sensibilität hat nicht bloß eine Art und Weise der Aeusserung und nur in dem Organ, an welches sie gebunden ist. Und so nicht minder die Irritabilität, welche ebenfalls in den organischen Bildungen ihre organisch verschiedenen Bedeutungen und Systeme hat.
Ein jedes der drei Systeme, welche das Gesammtleben des animalen Organismus bestimmen, muß wieder nach eben diesen drei genannten Kräften und der ihnen angemessenen Bildung unterschieden werden, so daß sich eben dadurch verschiedene Bezeichnungen der Vegetation, der Sensibilität, der Irritabilität bilden und diese Kräfte in allen den eigenen Thierbildungen und in den einzelnen Systemen des thierischen Lebens eine besondere [490] Bedeutung und organische Bezeichnung haben. Die Natur zeigt ja in den verschiedenen Bildungen der Organe, durch welche jene Kräfte wirken, das eben Ausgesagte auf das Augenscheinlichste. Die sehnichte kontraktionsfähige Umkleidung des Wurms ist doch gewiß mit aller seiner Kraft des Zusammenziehens und Expandirens verschieden von der Kraft und der höhern Potenz des Muskels, und dieser wieder verschieden von der Vitalität der auf dem Herzen beruhenden Central=Bewegung; eben so die peristaltische Bewegung der Abdominal=Eingeweide doch gewiß verschieden von dem irritabeln Systeme des Brustlebens, wie dieses wieder verschieden ist von der Irritabilität, die sich in dem Gehirne als dem Organe des Geistes, als Wille, als unabhängige selbstständige Kraft konstituirt. Liegt nicht in allem diesem eine aufsteigende organische Verschiedenheit dieser einen und gleichen Kraft, daß sie erst als allgemeines Gefäß=System wirkt, zweitens als besonderes Organ, drittens als eigenthümliches Verhältniß gegenseitig sich bildender und gebildeter Kräfte? Die Kontraktionsfähigkeit der Abdominal=Eingeweide hat ihre eigene Sphäre, so wie es die der Brust= und Cerebral=Theile hat. Immer eine höhere Steigerung und mit dieser Steigerung auch neue Organe und organische Beziehungen.
Der Vegetations=, Ernährungs=, Produktions=Prozeß, welcher dem Abdomen zugeschrieben wird, hat hier doch auch nur seinen Sitz in einer gewissen namentlichen Bedeutung der niedern, tiefern Bestimmung. Eine höhere Vegetation, ein höherer Erhaltungs= und Abscheidungsproceß beginnt in den dazu bestimmten Eingewei=[491]den der Brust. Liegt denn nicht in dem Magen, in dem Magensafte eine eigene specifike Kraft der höheren Bildung und Ausscheidung? Und steht dieses Organ nicht in einer Verbindung mit andern und höhern Organen, wodurch der ganze Vegetations=Proceß auch abgeändert und erhöht wird? Und tritt denn endlich die vegetative Natur nicht selbst in einer höheren Bedeutung und unter einer anderen organischen Ausbildung auf in dem Magen — dem Dauungsorgane des Kopfes, daß wir uns so ausdrücken, in welchem letzteren, statt des dumpfen Instinkts des Magens und der noch dunkleren Gefühle der Abdominalfunktionen, eine höhere Bestimmung der Auswahl, des Geschmacks, selbst eine höhere Thätigkeit in Hinsicht der Vegetation zur Irritabilität auftritt, wo die Vegetation fast zu dem Processe der Irritabilität gesteigert ist.
Nicht minder ist es so mit der Sensibilität und dem EmpfindungsVermögen. Man schreibt es gewöhnlich allein dem Nerven=System und seiner Verzweigung zu. Allein hat denn nicht auch die Ausbildung des Nerven=Systems so verschiedene Stufen oder Steigerungen? Liegt denn in den Organen des Abdomens, welche durch Galle u. s. w. die rohern Säfte ausscheiden sollen, nur allein diese Abdominal=Bestimmung der Vegetation? Nicht in ihnen auch eine höhere Bedeutung und Funktion? — Liegt in dem Lungen=System nur allein die Bestimmung des atmosphärischen Athmens und der Entkohlung des Bluts? Sind sie nicht die höhere Steigerung des Empfindungs=Vermögens zu den Affekten der Brust, so daß ein jedes dieser Systeme sein eigenes Centrum der sympathischen Verbindung und Beziehung hat?
[492] Betrachten wir dieses, was wir einzeln physiologisch angedeutet haben, in Hinsicht auf die thierische Naturordnung, auf den Ausdruck, der sich hier oder da in jener Thierklasse zu erkennen giebt, so läßt sich ja nicht zweifeln, daß jeder Ausdruck des höher gesteigerten Lebens auch in einem bestimmten Organe seinen Sitz habe und daß überhaupt das Gesammtleben des somatischen und psychischen Ausdrucks ebenfalls auf der gegenseitigen und allseitigen Beziehung dieser theils neu hinzugekommenen, theils anders gebildeten Organe beruhe.
Mit dem Vogel erhebt sich doch größtentheils eine lebendigere Kraft der Bewegung, ein lebendigerer heiterer Ausdruck des Lebens, die Brust=Empfindung, möchte man sagen, bildet sich; sie strömt in Töne und Laute aus. Die sympathetischen Regungen und Gefühle erhalten hier eine größere Ausbreitung. Die mütterliche Pflege fängt hier ausdrucksvoller an. Beruht denn dieses nicht auf einer höheren Ausbildung des Empfindungs=Vermögens durch die Lunge, wo die Wärme der Empfindung gehoben, die Empfindung gleich dem eingeathmeten Elemente mehr verbreitet wird? Sind nicht gewisse Affekte vorhanden, die nur allein der Brust angehören? Und haben die Alten nicht in mancher Rücksicht Recht, wenn sie die Seele nach ihren mannigfaltigen Beziehungen in dem Körper vertheilten? Welcher Unterschied ist nicht zwischen der Brust=Empfindung, daß ich sie so nenne, und dem dunklern, dumpfern Gefühl der Abdominal=Begierden und der mit den Abdominal=Funktionen verbundenen Regungen! Sind diese Affekte und Empfindungen gleich den lichtern Regungen des [493] Gehirns, wo die Empfindung wie mit Glanz umgeben ist, und wo sie, wie das Schöne, in das Gebiet des Anschauens, der sinnlichen Darstellung treten?
In das tiefere Thierreich hinab herrscht gleich den tiefern und niedern Vegetations=Proceß des Abdominal=Lebens auch die Gier der abdominalen Thätigkeit, des Dauungs= und Ernährungs=Systems, als einzige Funktion des Lebens; und sie erscheint nicht minder wieder in den höhern Geschöpfen in demjenigen System, welches dieser niedern Ordnung des ersten Anfangs und Ansetzens des Lebens entspricht. Alles ist hier noch Dauungs= und Verschlingungs=Organ. Selbst die Organe der Mastikazion und der letzten Ausscheidung sind kaum geschieden. Welche Produktivität aber auch in dieser Reihe von Gebilden! Das Einzelne ersetzt das Ganze und das Ganze das Einzelne, eine sprossende und beständig wurzelnde Vegetation.
Die Irritabilität in ihrer höheren widerstrebenden Thätigkeit, in ihrer Ausdauer erhebt sich mit den Säugethieren. Steht denn dieses Alles nicht in Verbindung mit der Ausbildung der Organe, mit der Steigerung derselben zu neuen Gefäßen, zu neuen Verbindungen! Das venöse und arterielle System bilden sich stufenweise herauf, und nicht ohne den bedeutendsten Einfluß auf Art und Geist der Kraft und des Ausdrucks.
Wo fangen denn die ersten Spuren dieser regern organischen Kräfte und lebendigern Ausdrücke an? Sind sie blos Bestimmungen und eigenthümliche Bestimmungen des Thierreichs? Ist denn vielleicht nicht auch hier, wie wir dies in Hinsicht der Formen und Bildungen [494] bemerkt haben, ein steter Uebergang vom dem Pflanzen= zu dem Thierreiche? In dem niedern Thierreiche schreibt man das, was auf höhere Empfindung, Vorstellung und Instinkt hinweist, einem brutalen Instinkte zu, und in dem Pflanzenreiche manche so sonderbare Erscheinungen wohl gar einem blinden mechanischen Antriebe der ziehenden und stoßenden Kräfte.
So viele Winden und andern Pflanzen bewegen sich nach gewissen Gesetzen in einer beständigen Regung und Richtung um sich selbst. Ist dieses blos Folge der sogenannten Capillargefässe, wie man selbst so mechanisch den Umlauf des Bluts hat für ein Druck= und Saugwerk erklären wollen, ist jene kreisförmige Bewegung blos Folge des täglichen Umlaufs der Sonne? Aber diese Gewinde drehen sich oft und regelmäßig in einer bis zwei Stunden mit ihrer Spitze um sich selbst. Ich habe dieses so oft beobachtet. Es geschieht ohne merklichen Einfluß der Sonne, wenigstens des täglichen Umlaufs derselben. Diese Erscheinungen sind auch nicht allein zu erklären aus einer mechanischen Reitzbarkeit oder Elastizität. — Die Kräfte bilden sich schon von unten herauf. Auch hier ist keine wesentliche Scheidung zwischen Pflanzen= und Thierreich. Die Bewegung fängt schon dort mit Spontaneität an, obschon diese noch mit Bestimmungen der eigenthümlichen äusseren Reitze in Verbindung steht. Wenn ich einige von jenen Winden von ihrem Stabe losmachte, so hatten sie sich innerhalb einer Stunde wieder an demselben in die Höhe geschlungen. Wenn ich den Stab von einem solchen ganz jungen Pflänzchen drei oder viermal weggenommen oder das Pflänz=[495]chen an dem Stabe auf die Erde gelegt hatte, so hatte es nach kurzer Zeit immer wieder den Stab ergriffen, bis nach solchen mehrmaligen Versuchen die Lebenskraft der Pflanze erschöpft war und sie nun wuchernd auf der Erde liegen blieb. So oft habe ich diese eigenthümliche Bewegung des Pflanzenlebens, wo Bewegung und Sensibilität unmittelbar von dem lebendigen Centrum selbst ausgehen, im Sommer an den hochbelaubten Bäumen wahrgenommen. Alle Regungen der Luft abgerechnet, konnte ich in der wechselnden Bewegung der Gipfel der Bäume, die sich doch zugleich hätten bewegen müssen, da sie unmittelbar hinter und neben einander standen, auch von derselben Art, Größe und Stärke waren, in diesem taktmäßigen wechselnden Rhythmus, den sie befolgten, nichts anders als eine innere selbstthätige und selbstständige Kraft der Bewegung und Erregbarkeit dieses Pflanzenlebens anerkennen, das wahrscheinlich, wie auch schon der Pflanzenschlaf anzeigt, seine eigenthümlichen Gesetze und Zeiten der größern Reitzbarkeit hat. Diese Bewegung bemerkte ich besonders des Morgens, wo das Sonnenlicht auf die Bäume fiel. Es zeigte sich hier besonders das gesetzliche Emporstreben jener zitternden Bewegung nach einem gewissen Stillstand und Rhythmus. Nicht erwähnen will ich hier die bekannten Erscheinungen der Erregbarkeit und Bewegung an den Sensitiven. Nicht erwähnen die noch höhere Bedeutung in der Bewegung und dem gegenseitigen Hinneigen der Stamina und Pistille mancher Pflanzen. Nicht erwähnen jene sonderbare Erscheinung an der Dionäa und an den Blüthen mancher Pflanzen, wo die [496] sich bei jeder kleinen Berührung zusammenschließenden Blättchen und Fortpflanzungs=Werkzeuge eine analoge Hinweisung sind nach den sich auf der Blüthe öffnenden und gestaltenden Aufnahme=Werkzeugen der Nahrung u. s. w., wie dergleichen ähnliche blumenartige Werkzeuge in den See=Anemonen und Zoophyten zu sehen sind. Wer sollte denn überhaupt wohl solche blühende Thierpflanzen von den wirklichen Blüthen der Pflanzen genau unterscheiden können! Achten wir nur auf diese kleinen gering scheinenden Umstände, um das Leben in seinen Fortschreitungen und steten Uebergängen zu erfassen!

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XX. Einzelne Potenzen des ganzen Lebens.

In genauer Verbindung stehn alle die genannten Systeme des Lebens, aber doch nicht in einer solchen Verkettung, daß nicht jedes sein eigenthümliches Leben hätte und dieses Leben auch verhältnißmäßig eine Zeitlang sich fortsetzen könnte, wie es auch schon als Theil=Organ von einem andern Organ und dem gesammten Organismus getrennt ist. Nähere und weitere Verbindungen zeigen sich so in der Konstruktion und Zusammensetzung dieser Theile. Bauch, Brust und Kopf. Und doch, wenn man in einzelnen Arten von Thieren den Kopf von dem Rumpfe u. s. w. trennt, so bleibt die Irritabilität des letztern noch lange übrig. Ich habe einem Schmetterlinge Kopf und Brust eingedrückt, und diese Theile waren zum Brechen vertrocknet; aber der Hinterleib bewegte sich noch nach zweimal vier und zwanzig Stunden. [497] Das Leben war hier durch den kleinsten Hauch wieder zu erregen und der After öffnete sich wie zum Einsaugen der Luft. Mehrere andere Beispiele wären leicht anzuführen. Es zeigt dieses, wie jede Stufe des organischen Bildens und Lebens seine eigene gesetzliche Bestimmung habe, so daß der eine Theil ohne den anderen noch eine Zeitlang fortlebt. Es ist ein übereilter Satz, wenn man sagt, daß dieses nur mechanische Reitzbarkeit und Erregbarkeit sey. Es fehlt ja überhaupt diesem Satze an Verständlichkeit. Und so dürfte auch bei allen Versuchen, die darüber angestellt worden sind, nicht so leicht zu beweisen seyn, daß die übrig bleibende Reitzung und Regung des Cerebral=Systems in Enthaupteten nur ledig mechanischen Ursprungs sey. Einer tiefern physiologischen Untersuchung steht hier die Entscheidung und der Aufschluß zu.


XXI. Beschluß.

Nehmen wir alles dieses, was wir bisher in einzelnen Andeutungen über die Einheit der Natur in ihren Processen und organischen Schöpfungen angegeben, zusammen, und fragen nun, welches das Verhältniß des Menschen zu diesen organischen Bildungen sey und wodurch er sich über alle jene Gebilde erhebe, wenn er auch immer in dem genauesten Zusammenhange mit ihnen bleibe: so ergeben sich folgende Resultate, deren Erläuterung wir in der obigen Auseinandersetzung glauben begründet zu haben.
[498] Erstlich: es stellt sich in dem Menschen der Gesammt=Organismus der Natur dar. Er ist gleichsam das Gefüge aller der einzelnen Gebilde, welche die Natur vorbereitet und auf einer langen Stufenleiter ihm vorangeschickt hatte. Es stellt sich in ihm dar der dreifache Typus des animalen Lebens, in vegetativer, irritabler und sensitiver Bedeutung, in wie fern alle diese einzelnen Kräfte und Funktionen nach den drei allgemeinen Fortschreitungen des animalen Seyns auch drei Bedingnisse des Fortschreitens haben, so daß mit jener aufsteigenden Ordnung jede der vorhin genannten Kräfte zu einer neuen und höheren Aeusserung, zu einem neuen und höheren organischen Gebilde fortschreitet.
Die Vegetation ist in den untersten Gebilden der animalen Natur an die einfache Zersetzung und Bildung der Lymphe gebunden. Es bildet sich in der Stufenfolge herauf des Arterien= und Venen=Blut. Die Irritabilität ist in den untersten Gebilden an das einfache netzförmige Gewebe der Haut gebunden. Es bilden sich in der Stufenfolge herauf wesentlichere innere Organe, Muskel und Herzschlag. Die Sensibilität ist in den untersten Gebilden an die vegetative Zersetzung des Nahrungsstoffes durch Galle u. s. w. gebunden. Es bildet sich herauf eine bedeutendere Erhöhung derselben durch das Geschäft des Athmens und der Lunge.
Der Mensch ist ein zusammengesetztes Gebilde aller der vorhergegangenen Bildungen und Stufenfolgen. Er trägt diese stufenweise Bildung in und an sich in den Abdominal=Funktionen und Organen, in den Organen [499] und Funktionen der Brust, in den Organen und Funktionen des Gehirns. Was die Natur vorher einzeln in den Bauch=, Brust=, Cerebral=Gebilden ausarbeitete und darstellte in mannigfaltigen Uebergängen, das stellt sich hier in der Zusammensetzung und dreifachen Einheit dar.
Was die animale Natur in dieser dreifachen Stufe ihres Naturreichs verfolgt, das ist auch der Typus des Pflanzenreichs: Blatt=, Stamm=, und Blüthen=Pflanze. Und was die Natur in diesen beiden Naturreichen ist nach dieser dreifachen Form und Gebärdung, das ist noch tiefer in dem Wesen, in den Anfängen der Urprincipien der anorgischen Natur. Hier haben wir Tellurismus, Luft=Element, Licht=Element. Drei Sphären des Erdlebens, drei Sphären des Pflanzenlebens, drei Sphären des Thierlebens.
Zweitens: es stellt sich in dem Menschen dar nach dem fortschreitenden, aber immer zum Grunde liegenden Typus der Pflanzen=Bildung, in der höchsten Stufe derselben, der Frucht, die vollendete dreifache Ausbildung aller jener genannten einzelnen Gebilde und organischen Funktionen. Es stellt sich dieses in ihm dar durch Unterscheidung, welche diese Funktionen verbindet und trennt, durch die in dem Menschen besonders auch äusserlich hervortetende Unterscheidung des Rumpfs, des Thorax, und des Kopfs, durch die so deutlich angegebenen Unterscheidungen dieser Art in der Becken=, Brust=, und Kopf=Bildung des Knochen=Gerüstes und eben so durch die zwischen diese einzelnen Systeme eintretenden und dazwischen liegenden [500] Diaphragmas. Es stellt sich dadurch dar in der menschlichen vollendeten Gestaltung die vollendete Einheit jener drei durchgegangenen Ausbildungen des in den Kotyledonen eingeschlossenen Pflänzchens: Kopf und Blüthenblatt, Thorax und mittlerer Theil der Pflanze, Leib und Wurzel.
Es stellt sich in dem Menschen dar, wie es hier zu einer durchgreifenden Durchdringung dieser drei Theile gekommen, wie die Natur über dem Thorax der vierfüßigen und breitbrustigen Thiere das Gehirn, die Kopfbildung, welche sie schon in jenen besonders hervorzutreiben und auszubreiten anfing, in dem menschlichen Bau besonders auszubilden den Vorsatz hatte. Die vegetative, irritable, sensitive Natur bekommt hier eine höhere Bedeutung. Die Blüthe setzt sich auf dem Stamme an, oder die Blüthe bekommt hier ihr eigenes organisches System, in welchem sich in einer höheren Potenz die Gesammtbildung des Lebens darstellt. Die Natur in ihren Bildungsversuchen ist hier zum Gleichgewicht gekommen. Der Blutumlauf ist gleichmäßiger und abgemessener. Die Arterien laufen von einem Centrum durch den ganzen Körper, und die Venen führen das Blut von dem ganzen Körper wieder in das Centrum zurück, und von diesem Centrum, durch die Lungen erfrischt und verjüngt, wieder zu dem Herzen. Nicht mehr, wie in den untern Thieren, ist der Blutumlauf blos auf Pfortader= und Leber=System oder blos auf einen halben Umlauf durch die Branchien und Lungen beschränkt. Die vegetative Natur, die hier nicht mehr vorherrscht und in den untern Gebilden [501] entweder als ganzes Geschöpf oder in vielfachen Dauungsorganen und Magen auftritt, ist hier mehr vereinfacht und selbst zu einem sensitiven Organe des unterscheidendern Geschmacks veredelt. Es stellt sich in dem Menschen dar, neben dieser Ausgleichung aller Kräfte, eine höhere Potenz der Kopf= oder Cerebral=Bildung.
Die niederen Organe des Gesichts treten zurück, die Kopfbildung strebt aufwärts. Die Blüthe kommt zu einer freiern Entwicklung. Die Blüthe treibt ausgebildetere Organe, ausgebildetere sensitive Beziehungen in den nach der Licht=Sphäre strebenden — es sey uns das Wort erlaubt — Pistillen und Antheren.
Drittens: es stellt sich in dem Menschen dar vollkommner und regelmäßiger die Doppel=Seite, nach welcher die Natur bildet: eine zweifache Ausdehnung eines und desselben Organs nach zwei Seiten. Die Rippen strecken sich zu beiden Seiten aus, in den beiden Seiten der Beckenhöhle zeigt sich dieselbe Wiederholung. Dieselbe Doppelseite der Organe erscheint in der Leber, der Milz, den Lungen, dem Herzen, in der Arterien= und Venen=Verzweigung, und selbst in dem großen und kleinen Gehirn. Von der Medulla oblongata laufen diese breiten Verzweigungen zu beiden Seiten aus. Alle diese Seiten=Verzweigungen scheinen die schützenden Hüllen des wesentlichern Organs zu seyn: die Kotyledonen schirmen das wachsende Pflänzchen. Dieses scheint besonders bedingt und angelegt in dem den ganzen Körper herauf sich windenden Rückenmarke. Hier ist der Punkt der Länge und Breite, von dem alle Bildung ausgeht. [502] Ist diese Ausdehnung der Lebens=Organe nach zwei Seiten nicht die Bedingung, die schon in dem wachsenden Pflänzchen, in seinen zwei Blättchen und in den Kotyledonen liegt?
Viertens: der Mensch ist das Haupt, das Höchste der telluren, atmosphärilen und Licht=Schöpfung. Er tritt mit seinem Cerebral=System aus dem niedern und tiefern Chemismus der Luft zu einer höheren Sphäre über. Das somatische und psychische Leben bekommt hier eine höhere Ausbreitung, eine höhere Bedeutung. Die vegetative Natur liegt weit unter ihm, und auch über das Thierreich ist er durch Vorherrschen der Verebral=Bildung und durch eine Gleichgewicht aller der untergeordneten Stufen des organischen Lebens erhaben. Was die unmittelbar unter dem Menschen befindliche Thierwelt von äusserer wuchernder Vegetation noch an sich trägt, ist nun in der menschlichen Form und Umkleidung durch einen höhern Proceß gleichsam abgeworfen. Das Licht zersetzt hier feiner und geistiger. Er tritt nackt und mit dem feinern Gewebe der Haut umgeben auf die Welt.

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In diesen wenigen Sätzen ist dasjenige enthalten, was wir früher auseinandergesetzt und was wir zu einem allgemeinen Entwurfe unserer künftigen Untersuchungen über die Sphäre des menschlichen Geistes machen wollen. Wir meinen, daß eine Psychologie des menschlichen Geistes nur ausgehen müsse von einer [503] Psychologie des ganzen Lebens, und daß diese wieder ausgehen und gegründet seyn müsse auf einer Physiologie des lebenden Seyns. Wir werden künftig den Faden aufnehmen, um nach unserer Ansicht zu zeigen, welches die geistige Sphäre des Menschen ist, von welchen Schranken sie umgeben wird, — ob sie absolut frei oder auf der großen, wahrscheinlich unendlichen Stufenleiter der Natur nur noch bedingt ist. Wir werden dieses besonders anwenden auf die, wie uns scheint, bisher einseitig und blos nach abstrakten Begriffen geführten Untersuchungen über moralische Willensfreiheit. In diesem Punkte, den wir hier nur anzeigen, soll sich dann diese Abhandlung anschließen an die einzelnen Bemerkungen und Aufsätze, welche wir über Irre des Bewustseyns und Willens geliefert haben. Diese allgemeine Physiologie soll schon hier in ihren allgemeinen Andeutungen eine Erläuterung des Satzes seyn, daß bedingte und verlorne Freiheit des Geistes und Willens nicht blos eine Folge der Krankheit, sondern selbst in so vielen Individuen menschlicher Gattung ein physiologisches Bedingniß sey, da der Mensch bei seinem solaren Verhältniß doch immer Geschöpf und Wesen der vegetativ bestimmten Natur bleibt, in welchem sich auf eine nähere oder fernere Weise die einzelnen Glieder der Thierwelt darstellen. Wenn die obere und höhere Ausbildung des menschlichen Cerebral=Systems auch mannigfaltige Stufen und Abweichungen hat; wenn sie überwunden und beherrscht werden kann von Brust und Leib, von Affekt und Begierde; und der Mensch doch das physiologisch [504] bedingte Geschöpf der Natur ist: so fragen wir hier von Neuem nach den einzelnen in den frühern Abhandlungen dieser Zeitschrift gegebenen Beispielen und Erläuterungen: „Wie kann und darf der Moralist, der Richter und Kriminalist nach einem und demselben Gesetzbuche einer willkührlich angenommenen gleichen Freiheit des menschlichen Willens über Verbrechen oder Verbrecher richten?” — Die Anwendung dieses physiologischen Entwurfes auf Psychologie und Pathologie im Folgenden.

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*) [468] Ich begreife nicht, wie Wolff in der "Theoria generationis" sagen kann, es sey eine ganz andere Entwicklung, ein innerer bedeutender Unterschied zwischen der animalen und vegetabilen Bildung.

*) [469] Man denke hier nur nicht an den gewöhnlichen teleologischen Plan, nach
äusseren und oft so zufälligen Beziehungen die Natur zu bestimmen. Eine solche Betrachtung mag wohl, wie mehrere rühmen, fromme Gefühle nähren und pflegen, aber sie führt von der richtigen wissenschaftlichen Naturforschung ab, und diese letztere ist noch weit mehr geeignet, mit dem höhern Geiste der Religion zusammen zu stimmen.

*) [472] So lange die Naturforschung, besonders aber die Physiologie nicht von der vergleichenden Beobachtung ausgeht, so lange aber auch diesen vergleichenden Untersuchungen nicht Ideen untergelegt werden oder von einer Grund=Idee nach der Einheit der Natur ausgegangen wird: so lange werden wir weder eine wahre gründliche Physiologie noch auch eine verständliche Psychologie erhalten. Beide Wissenschaften sind leider bis jetzt immer zu sehr bei den Einzelnheiten stehen geblieben, ohne die Natur in ihren allgemeinen und vergleichenden Momenten zu untersuchen.

*) [478] Alles dieses einzeln nach den Thierarten anzugeben, war in diesem allgemeinen Entwurf nicht möglich und auch nicht nöthig, da es ja zum Theil für den Physiologen bekannte Thatsachen sind.

*) [485] Alles dies hier nur als Andeutung für die künftige Ausführung und Anwendung in der Physiologie und Pathologie.














Zeitschrift für psychische Aerzte: mit besonderer Berücksichtigung des Magnetismus / hrsg. von Fried[rich] Nasse. - Leipzig : Cnobloch, 1820. - Hft. 3, S. 449 - 504.