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In gutem
Wohlseyn hatte ich, — so lautet der Bericht des wahrheitliebenden
Mannes, den der hier erzählte Fall betraf — mit einem Freunde
einen Besuch bei meinem Schwager gemacht und war mit ihm eine
Viertelstunde weit über Feld gegangen, als es mir mit einemmale
wie eine sich unablässig bewegende Sonne vor die Augen kam, wobei
ich indeß, nicht ahnend, was das zu bedeuten habe, guten Muthes
wieter ging. Als ich eine Strecke weit bis zum Hause meines Schwagers
fortgegangen, war die Sonne verschwunden; ich trat hinein, und sagte
guten Morgen, konnte aber Niemand sehen. Nachdem ich mich auf einen
Stuhl gesetzt, ließ man mich den Kopf mit Brandtwein waschen; es
wurde indeß nicht besser. Auf einmal wurde es etwa vier bis
fünf Fuß im Geviert wieder helle um mich; es war mir, als
wenn sich mir Menschen näherten, die ich aber nicht sehen konnte.
Ich sah nur eine Gestalt wie mich selbst rechter Hand aus dem Finstern
kommen, vor mir vorbeigehen, und links in das Finstere wieder
hineintreten. Sah ich wieder rechts, so trat die Gestalt dort von Neuem
hervor. Sie war angekleidet, wie ich gehe, mit schwarzen Unterkleidern
und rundem Hut, und sah im Gesicht weiß aus. Ich fühlte
jetzt auf dem Stuhle Angst und man brachte mich ins Bette. Wie ich mich
aber nieder legte und auf die rechte Seite zu liegen kam, so erschienen
vor meinen Augen mir unbekannte Männer, die ebenfalls ins Finstere
linker Hand hineintraten. Wie ich ihnen nachsah, hatte ich ein
Gefühl, als seyen es meine Feinde, die erst im Finstern gelauscht
und mir dann eine Kette um die Brust und das Herz gelegt hätten.
Es war mir, als wollten sie mich mit der Kette aus einander reissen.
Ich wehrte mich sehr mit Anstrengung [191] meines ganzen Körpers,
biß die Zähne auf einander und legte die Hände
zusammen. — Kurze Zeit darauf wachte ich auf, konnte aber noch nicht
recht sehen. Als ich Stimmen hörte, fiel mir ein: du hast lange
geschlafen, du wolltest heute deinen Schwager besuchen und liegst noch
im Bette! Ich rief meiner Frau, hörte dann die Stimme meines
Schwagers, der mir freundlich zusprach, den ich aber nicht sehen
konnte. Ich blieb anfangs noch liegen, stand jedoch plötzlich auf,
ging im Hause umher, konnte mich aber, obgleich es mir sonst bekannt
war, nicht darin zurecht finden.
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Es dauerte über drei
Stunden, bevor ich recht wußte, wo ich war. Ich fühlte nun
starke Kopfschmerzen, die nach einiger Zeit nach einem Dampfbade von
abgekochtem Kaffe vergingen.
Nachdem ich mich wieder erholt, sagte man mir, daß ich auf dem
Stuhle hingesunken sey und darauf einen Anfall von Fallsucht gehabt,
die Zähne auf einander gebißen, Schaum vor dem Munde gehabt
und schreiende Stimmen von mir gegeben hätte.
Ein Arzt verordnete mir Arznei. Ich bekam den Tag nach jenem ersten
Anfall noch eine kleine Anregung, die aber bald wieder vorüber
ging. Den sechsten Tag stellte sich wieder eine Anregung ein; ich
konnte nicht sehen und hatte Angst; es ging aber dann beim Gebrauch
einiger Tropfen vorüber.
Seit der Zeit bin ich frei geblieben. Nur wenn ich angestrengt lese
oder viel schreibe oder beim Singen, wird es mir zuweilen
ängstlich; beim Lesen verwirren sich mir auch wohl die Buchstaben
vor den Augen, ich sehe allerlei Flecken die sich bewegen, ich
fühle Kopfschmerzen und es ist mir, als wenn mir jemand die Augen
stark zudrückte.
Eigends ist es, daß, wenn ich gehe, es mir oft vorkommt, als gehe
rechter Hand neben mir ein Schatten, von dem ich freilich recht gut
weiß, daß es Täuschung ist.
Offenbar hatte in jenem Anfall meine Phantasie, ich müße
mich wehren gegen Menschen, die mir Ketten anlegen wollten, das
Zähneknirschen, das Schreien, das Andere an mir wahrgenommen
hatten, begleitet. Sollten die epileptischen Bewegungen immer mit
solchen Phantasien verbunden seyn? Daß die Kranken sich keiner
solchen erinnern, ist dieser Vermuthung nicht geradezu entgegen; die
Verschiedenheit des nach den Anfällen eintretenden Schlafzustandes
kann die Erinnerung aus dem Anfall leichter oder schwerer machen.
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