Ueber den Einfluß der Musik auf die Maus.


Aus dem American medical recorder Bd. 1. S. 18, u. 19.

Von den D. D. Coxe und Cramer

Mitgetheilt von

Herrn Dr. H. von dem Busch.
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An einem regnigten Abende im Winter 1815 war ich allein in meinem Zimmer, nahm meine Flöte und blies. Nach einigen Minuten ward ich eine Maus gewahr, die aus ihrem Loche hervorkam und auf den Stuhl, auf welchem ich saß, zulief. Ich hörte auf zu blasen, und augenblicklich verschwand sie. Kurze Zeit nachher setzte ich das Blasen fort, und war sehr erstaunt, die Maus wiederkommen und ihre vorige Stellung einnehmen zu sehen. Das kleine Thier sah sehr vergnügt und zugleich verwunderungsvoll aus. Es krümmte sich auf dem Fußboden zusammen, verdrehte [220] die Augen und schien in Entzückung gerathen zu seyn. Ich hörte mit dem Blasen auf und augenblicklich verschwand es. Denselben Versuch wiederholte ich zum öfteren mit dem nämlichen Erfolg, und bemerkte, daß das Thier verschiedentlich afficirt wurde, je nachdem die Musik langsam und klagend, oder munter und lustig war. Endlich ging ich aus, und alle meine Kunst war nicht im Stande, das Thier wieder hervorzulocken. Dieser Fall ist als Beweis für die Annahme einer Beobachtung wichtig, die von Einigen lächerlich gemacht wurde, wie denn selbst Gmelin, der nicht mit Linné annahm, daß „mus delectatur musice“, diese Bemerkung in seiner Ausgabe des Natursystems von Linné ausgelassen hat.
Dr. Coxe.
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Obige Beobachtung dient als ein hinlänglicher Beweis für die des berühmten Linné, wenn auch nicht andere gleiche Zeugnisse zu Gunsten dieser letzteren sprächen. Wir haben aber eine gleich interessante Beobachtung der Art, welche sich in dem ersten Bande des von dem seeligen Professor Barton zu Philadelphia herausgegebenen medical and physical Journal Seite 37 findet, und die, da sie nur kurz erzählt ist, wohl hier von mir aufgenommen werden darf, besonders da in diesem Falle der Einfluß der Musik noch ausserordentlicher als im obigen Falle war, indem der Tod des Thierchens dadurch bewirkt wurde.
[221] Eine Beobachtung über den Einfluß der Musik auf die Maus. Von S. Cramer, M. D. in der Grafschaft Jefferson in Virginien. Mitgetheilt von Prof. Barton.

Nachfolgender Fall ward mir von einem wahrheitsliebenden Manne erzählt.

Als eines Abends, im Monate Dezember, einige Offiziere am Bord eines englischen Kriegsschiffes im Haven von Portsmouth ums Feuer saßen, fing einer derselben an, eine klagende Arie auf der Violine zu spielen. Kaum hatte dieses zehn Minuten gedauert, als in der Mitte des Zimmers, nahe bei dem grossen Tische, der in den Kajüten, dem Aufenthaltsorte der Lieutenants der Kriegsschiffe, steht, eine dem Anscheine nach wüthende (frantic) Maus zum Vorschein kam. Die seltsamen Bewegungen des kleinen Thiers erregten die Aufmerksamkeit der Offiziere, welche einstimmig beschlossen, dasselbe nicht in seinen Bewegungen zu stören. Die Anstrengungen desselben wurden mit jedem Augenblicke heftiger: es erhob seinen Kopf, sprang um den Tisch herum, und gab Zeichen von sich, als wenn es in die größte Verzückung gerathen sey.
Man bemerkte, daß, so wie die Töne der Violine sanfter wurden, die Verzückung des Thieres sich vermehrte, und umgekehrt. Nach mehreren Bewegungen, die man von einem so kleinen Thiere beim ersten Anblick wohl nicht erwarten konnte, hörte dasselbe plötzlich zur Verwunderung aller Zuschauer auf, sich zu bewegen, fiel [222] nieder und starb, ohne irgend ein Zeichen von Schmerz von sich zu geben.
Thatsachen, die der erzählten gleichen, aber meines Wissens noch nicht so umständlich mitgetheilt wurden, finden sich bei den Schriftstellern aufbewahrt. Linné erzählt dieses Factum mit zwei Worten, denn da, wo er von der Hausmaus (mus musculus) redet, sagt er „delectatur musica“. Siehe Systema Naturae, Bd. 1. S. 83. Nro. 13. Cmelin hat indessen in seiner Ausgabe diesen Theil von Linné’s Beschreibung ausgelassen.

Barton.



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Zeitschrift für psychische Aerzte: mit besonderer Berücksichtigung des Magnetismus / hrsg. von Fried[rich] Nasse. - Leipzig : Cnobloch, 1822. - Hft. 2, S. 219 - 222.