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Ueber
die vielbesprochene wichtige Frage: Wie verhalten sich Empfindungs= und
Willensäußerungen nach der Trennung des Kopfes vom Rumpfe? —
dürfen wir wohl vorzüglich aus sorgfältiger,
vorurtheilsfreier Beobachtung Aufschluß erwarten; wenig oder gar
nichts versprechen dagegen galvanische und ähnliche Versuche. Zu
solchen Beobachtungen bietet nun zwar jede Hinrichtung eine durch kein
Gesetz beschränkte Gelegenheit dar; indeß sind ihrer bis
jetzt noch sehr wenige vorhanden. Dies veranlaßt mich, dasjenige,
was ich an den durch die Guillotine abgetrennten Köpfen zweier
Mörder unbefangen beobachtete, hier zur öffentlichen
Kenntniß zu bringen. Ich habe mich bemüht, darin die reine
Thatsache des von mir Wahrgenommenen darzulegen.
Da wir auf der hiesigen Anatomie die Sektion beider Hingerichteten zu
machen Gelegenheit hatten, so füge ich mit der Vergünstigung
der HH. Professoren Mayer, Ennemoser und Weber, welche die Section
anstellten, das Protokoll über den Befund derselben hier bei. Es
ist unverändert, wie es aufgenommen ward; nur habe ich zur
bequemen Uebersicht und Vergleichung den Befund aus beiden Sectionen in
Tabellenform zusammengestellt. [Anm.]
I. Adolph
Moll, Schuhmacher aus Beuel bei Bonn, 27 Jahr alt, war wegen den an
drei Personen, seiner im sechsten Monate schwangeren Stiefmutter,
seinem Stiefbruder, und einem ihn besuchenden Bekannten, verübten
Mordthaten, [82] von dem Affisenhofe in Köln zum Tode verurtheilt
worden. Nach den Aussagen aller, welche ihn die Zeit seines
Aufenthaltes im Gefängnisse über beobachtet hatten, war eine
oft an Gleichgültigkeit grenzende Ruhe während der Zeit an
ihm bemerkbar gewesen. Sein Körper war im ganzen kräftig, in
den einzelnen Theilen jedoch fein ausgebildet. Puls, Herzschlag und
Athmen schienen, in Verbindung mit dem sonstigen Benehmen, nur selten
auf einen etwas aufgeregtern Zustand hinzudeuten. Seine
körperlichen Verrichtungen waren stets gesund; er hatte guten
Appetit und wurde sichtbar dicker und muskulöser. Von dem
Augenblicke, wo ihm die Bestätigung seines Urtheils, so wie Tag
und Stunde der Vollstreckung desselben bekannt gemacht wurden, konnte
man deutlich sein Bemühen, die früher bewiesene Ruhe auch
jetzt noch erzwingen zu wollen, wahrnehmen. Die Wangen fielen ein, der
Gang wurde schwankend; am Vorabend der Hinrichtung hatte sein Puls
über hundert Schläge in der Minute, während er den
Anwesenden versicherte, er sey gänzlich beruhigt. Er nahm an
diesem Tage noch Nahrung zu sich. Die letzte Nacht brachte er fast
schlaflos zu *).
Am dritten Mai Morgens gegen halb sieben Uhr langte er auf der
Richtstätte an. In dem scheinbar reuigen Antlitze war jedoch ein
Zug, dem hämischen Lächeln gleich, wahrnehmbar, welcher auch
noch nach der Hinrichtung vorhanden war. Ohne fremde Beihülfe
bestieg er nach nochmals mit Ruhe angehörtem Todesurtheil das
Schaffot, wo er nach einem kurzen Gebete sich willig den Händen
der harrenden Henkersknechte übergab. Als er an das Bett
geschnallt war, [83] begab ich mich nebst Herrn Dr. Sartorius aus
Köln unter das Gerüst der Guillotine, wo wir nach etwa zehn
Sekunden den Schlag des Messers vernahmen und auch sogleich einige
Blutstropfen zur Erde fallen sahen, denen alsbald der Kopf folgte. Ihn
erfassend rief ich ihm ziemlich stark den Namen Moll in das Ohr.
Obgleich dieser Ruf noch einigemal wiederholt wurde, so war doch weder
in dem Auge noch in den übrigen Facial=Gebilden das mindeste
Zeichen von Wahrnehmen dieser Laute bemerkbar. Das ganze Gesicht war
ruhig und zeigte keine in physiognomischer Hinsicht wichtige
Veränderungen, bis nach sechs Sekunden die heftigsten Zuckungen
besonders in den seitlichen Muskeln ohne einen vorherigen weder auf das
Rückenmark des Halses noch auf sonst einen Theil des Kopfes
angebrachten Reitz (den der Atmosphäre ausgenommen) eintraten. Das
schon beim Herunterkommen des Kopfes geschlossene Auge öffnete
sich, den noch lebendigen Blick gen Himmel wendend, während die
Pupille sich abwechselnd erweiterte und verengte. In Folge des stark
nach oben gerollten Augapfels blieb nur noch ein Theil des untern
Kreisabschnittes der Regenbogenhaut sichtbar. Nach vier Sekunden senkte
sich das Auge wieder und wurde bald durch die dasselbe umhüllenden
Augenlieder dem Blicke der Beobachter entzogen. Bald nach der Oeffnung
der Augen entfernte sich die bisher fest an dem Oberkiefer angelegene
untere Kinnlade von diesem, und ließ die in zitternder Bewegung
sich befindende Zunge erblicken, welche dann auch ziemlich weit aus dem
krampfhaft zuckenden Munde herausgestreckt, bald aber wieder eingezogen
wurde. Dieses Oeffnen des Mundes, so wie das nun nicht mehr so starke
Hervordringen der oscillirenden Zunge wiederholte sich noch einmal. Die
sich nach zwei Minuten zum zweitenmale hebenden Augenlieder zeigten nun
dem Beobachtenden das schon brechende, im Sterben begriffene matte
Auge. — Die Kopf=[84]gefäße, die in den ersten Momenten
das Blut nur tropfenweise ausließen, begannen nach zwei und einer
halben Minute sich stärker zu entleeren. Auch jetzt noch
verengerte sich die durch mechanisches Voneinanderziehen der
Augenlieder dem Lichtreize ausgesetzte Pupille merklich.
Schon durch das Gefühl konnte man nach vier und einer halben
Minute eine Abnahme der Temperatur des Kopfes wahrnehmen.
Die Zuckungen der Gesichtsmuskeln dauerten, als ich nach einem
Zeitraume von fünf Minuten den Kopf aus den Händen geben
mußte, noch fort; die Heftigkeit derselben hatte aber
beträchtlich abgenommen.
Unmittelbar nach der Durchschneidung des Halses waren einige starke
Blutströme stoßweise gegen das noch vor der
Durchschnitts=Fläche sich befindende Messer ausgetrieben
worden.
Als der Körper aber nach einigen Sekunden von dem Brette
abgeschnallt und unter das Gerüst geworfen wurde, lief das Blut
nur noch in geringer Menge an den Seiten des Halses herab, bis nach
einigen Minuten, als der Leichnam in den Sarg gelegt wurde, dasselbe
wieder stärker hervorzudringen anfing.
An dem Rumpfe, welcher nach funfzehn Sekunden dem heruntergekommenen
Kopfe folgte, bemerkte man fast augenblicklich Pulslosigkeit und einen
schwachen, einmal kaum fühlbaren, dann aber wieder stärker
gegen die aufgelegte Hand anpochenden, unregelmäßigen, oft
aussetzenden Herzschlag, welcher indeß noch wahrnehmbar war, als
nach acht Minuten der Sarg geschlossen wurde. Von Respirationsbewegung
war nichts zu entdecken. An dem Körper selbst so wie auch an den
Gliedmaaßen zeiget sich nicht die mindeste Zuckung, noch auch
sonst eine Lebensäußerung.
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Aus den Gefäßen
des Kopfes soll nach der bestimmten [85]
Aussage eines meiner Bekannten fünf und eine halbe Stunde nach der
Hinrichtung, als die Leiche auf dem anatomischen Theater in Bonn
angelangt war, beim Aufheben des Kopfes noch ein ziemlich starker
Blutstrahl hervorgedrungen seyn.
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II. In
Begleitung meiner
Freunde, der Herren Doktoren König und Moll begab ich mich zu der
auf den achten Mai 1824 in Coblenz festgesetzten Hinrichtung des eines
verübten Raubmordes wegen zum Tode verurtheilten sieben und
vierzig Jahr alten Schreiners Christoph Dieter. Gegen sechs Uhr
erschien der Verbrecher auf dem Richtplatze. Unter Beihülfe des
ihn begleitenden Geistlichen bestieg er das Blutgerüst.
Während jener noch einige Worte zum Volke sprach, schien der C.
Dieter sich nicht mehr in der früher gezeigten Fassung erhalten zu
können. Deutlich nahm man an seinen untern Gliedmaaßen ein
heftiges Zittern wahr, ohne daß deshalb jedoch ein Zug seines
Gesichtes die Empfindungen verrieth, die der Anblick der zu seiner
Hinrichtung bereit stehenden Vorrichtungen in ihm erregen mochte.
Vielleicht war indeß die bei ihm künstlich gebildete,
schlaff herunterhängende Nase die Ursache, daß man den
wahren Ausdruck seines Gesichtes nicht zu erkennen im Stande war.
In dem Momente der Exekution blieb Herr Dr. König vor dem
Gerüste, um daselbst Beobachtungen über das Spritzen der
Arterien und das Verhalten des Rumpfes in den ersten Augenblicken nach
der Enthauptung anzustellen. Nachdem der Körper unter das
Gerüst geworfen worden, begab er sich ebenfalls unter die
Guillotine, um Herrn Dr. Moll und mich in den dort schon von uns
begonnenen Beobachtungen zu unterstützen.
Mit dem Schlage des Messers fiel auch fast in demselben Augenblicke der
Kopf zur Erde. Derselbe kam auf [86] die rechte Seite zu liegen, ohne
mit der Durchschnittsfläche den einen Fuß hoch
aufgeschütteten weichen Sand berührt zu haben. Es wurde keine
Bewegung des Kopfes bemerkt; das Auge war halb geöffnet. Der Kopf
wurde alsbald von mir aufgehoben. Gleich nachdem einer von uns ihm das
Wort Mörder in das Ohr gerufen hatte, öffneten sich die Augen
vollkommen, und starr und mit dem Ausdruck der Verwunderung blickten
sie ohne Zeichen des Schmerzes auf die Beobachtenden hin. Dies
währte mehrere Sekunden, worauf sich das Auge nach oben rollte, so
daß die Pupille kaum mehr sichtbar war. Die Augenlider schlossen
sodann das sich senkende Auge und mehrere Thränen liefen über
die Wangen.
In den ersten Augenblicken träufelte das Blut nur aus den
Gefäßen des Kopfes; später aber begann es stärker
zu fließen.
Durch einen auf das Auge vermittelst Reiben des Augenliedes angewandten
Reiz öffnete sich dasselbe wieder, und es trat zuerst eine
Erweiterung, dann aber Verengerung der Pupille ein.
Zuckungen in den Gesichtsmuskeln waren nicht eher, als nachdem etwas
Salmiakgeist in die Nase eingebracht worden, sodann aber auch in einem
hohen Grade, besonders in den seitlichen sichtbar.
Nun wurde ein Finger in die Luftröhre des an dem Kopfe
befindlichen Halstheiles gebracht; deutlich fühlte man ein
gelindes Zusammenziehen derselben um den Finger zu wiederholtenmalen.
Auf Reizung des Rückenmarks mit einem Finger erfolgte Aufsperren
des Mundes, Herausstrecken der zitternden Zunge, so wie heftiges
krampfhaftes Zucken der seitlichen Gesichtsmuskeln. Die Zunge ging bald
wieder zurück, trat aber nach nochmaliger Reizung der
Nasenschleimhaut durch Salmiakgeist auf drei Sekunden wieder hervor.
Die geschlossenen Kiefer [87] leißen sich, ohne daß es
einer großen Anstrengung bedurfte, von einander ziehen. — Die
Pupille verengerte sich nochmals. Nachdem vier und eine halbe Minute
verflossen waren, bewirkte Reizung des Augenliedes durch auf dasselbe
angewandte Reibung keine Verengerung der Pupille mehr.
Reizung des Rückenmarks durch Einbringen des Fingers in den Kanal
desselben brachte noch mehrmals dieselben Erscheinungen hervor, wie
früher. Die Augenlieder waren beim Einschieben des Kopfes in den
Sarg, welches nach sechs Minuten geschah, geschlossen.
Ein Schlagen der Kopfarterien wurde nicht bemerkt.
Das Physiognomische konnte bei diesem Kopfe fast gar nicht beachtet
werden, da dem Gesichte durch die schon oben erwähnte
künstliche Nase, die an die Stelle der einige Jahre vorher in
Folge von Syphilis verlornen aus der Stirnhaut gebildet worden, der
physiognomische Ausdruck beinahe gänzlich mangelte. In dem
Augenblicke, als der Kopf von der Erde aufgehoben wurde, zeigte sich
nicht die mindeste Veränderung in den Gesichtszügen.
Später aber bildete sich an beiden Seiten des Mundwinkels eine
Falte, die Oberlippe schien sich zu spannen und zur Bildung dieser
Falte beizutragen.
Der Rumpf gab kein Zeichen des Athmens, weder durch Heben der Brust,
noch durch Hervordringen der Luftröhre, noch durch Zusammenziehung
dieser um den in sie eingebrachten Finger.
Bewegung der Gliedmaaßen und des Rumpfes war nicht vorhanden.
Das Herz schlug im ersten Zeitraume häufig,
unregelmäßig; im zweiten aussetzend, sehr
unregelmäßig, oft fünf bis sechs Schläge in
schneller Folge, dann wieder einige langsam, dabei klein und schwach.
Der Puls an der Handwurzel war nur im ersten Mo= [88]mente, nachdem
der Körper unter das Gerüst geworfen worden, noch eben
fühlbar.
Die durchgeschnittenen Gefäße des Rumpfes spritzten im
Augenblick des Durchschneidens einen starken Blutstrom aus; beim
Zurückschlagen des Brettes lief aber nur eine geringe Menge Blut
am Rumpfe herab. Als dieser unter dem Gerüste lag, schoß das
Blut stromweise hervor; dann stockte dasselbe wieder, bis sich endlich
nach drei Minuten die Gefäße gänzlich zu entleeren
schienen.
Das gleich nach der Trennung des Kopfes in den Rumpftheil der innern
Halsblutader eingebrachte Thermometer stieg nur langsam bis zu 22°
Reaumur. Auch in der Luftröhre erreichte es keinen höhern
Stand. In der Achselgrube fiel es wieder auf 19° R.
Das aus den Kopfschlagadern hervorsprudelnde Blut rann, selbst in
Tropfen, sehr langsam; es hatte auch nicht die gewöhnliche starke
helle Röthe.
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