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In der
ganzen Natur herrscht, wie die früher gegebenen Erläuterungen
zeigen, ein unveränderlicher, nothwendiger Typus aller
Formationen, obschon in diesen Formationen selbst wieder nach dem
Grundwesen des Unendlichen eine unendliche Mannigfaltigkeit und
Abweichung sichtbar ist. Dieser Typus bestimmt nämlich den
nothwendigen Gang aller kosmischen Entwickelungen und diese kosmischen
Entwickelungen sind diesem nothwendigen Gange selbst unterworfen. Sie
gestalten sich nämlich als drei allgemeine kosmische Sphären :
Die tellure oder
anorganische, die organische und
die psychische.
[2] Wo der Anfang der einen und der andern Sphäre, oder das Ende
der Culminationspunkt der höchsten vergeistigenden Sphäre
liegt, wer vermag das zu bestimmen! Er liegt in dem Unendlichen selbst,
dessen Abstrahlungen jene Sphären und ewigen Fortschreitungen
sind. In jeder dieser Sphären liegt ein ewiges und nothwendiges
Daseyn. Wer vermag das Weltall ohne Weltmassen und Weltkugeln zu
denken, wer vermag das organische Leben auf ihnen, wenn auch nur in
Gedanken und leeren Spekulationen, zu vertilgen und eine Welt ohne
Leben und Organismus zu denken; wer endlich den Geist ohne Geist zu
denken — das Weltall, in welchem der ewige Geist wehet, ohne diesen
Geist und überall wehenden Odem!
Die dreifache Zahl, die in jenen kosmischen Sphären hervortritt,
wiederholt sich auch mit gleicher Nothwendigkeit und Fortschreitung in
jeder einzelnen Sphäre. Denn in der telluren oder anorganischen
Sphäre ist
die tellure, atmosphärile und solare Fortschreitung,
in der pflanzlichen Sphäre
das Wurzel=, das Blatt= und Blüthenleben,
in der animalischen
Sphäre
das Abdominal=, Brust= Cerebralleben,
und in der psychischen
Sphäre wiederholt sich dann wieder ein solcher dreifacher Typus
in der Sinnes=, Verstandes=
und Vernunft=Sphäre.
[3] So zeigt sich ein allgemeiner Beweis der ewigen Fortschreitungen
des Seyns zu einem weiteren Seyn. Konzentrische Kreise
umschließen sich; — in den höchsten und weitesten ist
enthalten, was sich nach allen engern Kreisen hervorgebildet hat. Der
animale menschliche Leib ist Das zusammengesetzte Leben aller
früheren Gestaltungen und Zeugungen. In ihm organisirt der
Tellurismus mit seinen drei aufsteigenden Sphären, — das
pflanzliche und animale System nach seiner dreifaltigen Fortschreitung
von Abdominal=, Brust= und Cerebralleben. Und auf dieser höchsten
Zusammensetzung der Bildung ruht und entwickelt sich nun eine neue
kosmische Sphäre:
die des psychischen Daseyns.
Wie das pflanzliche Reich sich der Erde entwindet und doch auf der Erde
ruhet und nur nach langen Fortschreitungen der Entwickelung sich in der
Blüthenkrone gleichsam ein eigenes und selbstständiges
Fruchtlager bereitet, wie in dem höchsten Entwickelungspunkte des
pflanzlichen Lebens, in der Entstehung eines neuen Saamenkorns auf und
in diesem Fruchtlager, ein fortschreitendes Vorbild zu der animalen
Entwickelung liegt, und dieser Typus nach Wurzel, Brust= und
Cerebralleben durch alle Geschlechter der Animalität fortsteigt,
so entkeimt auch oder setzt sich auf der Blüthenkrone dieser
höchsten animalen Bildung, auf dem Endpunkte seiner Entwicklung
eine neue kosmische Sphäre an. Diese Sphäre liegt als
Kryptogam mehr oder weniger noch in den niedern Bildungen der
Animalität verbor=[4]gen, sie schlägt erst hier ihre Wurzeln
des Sinns, bis sie, zu
freiern Blüthen entwickelt, den Sinn in den Verstand aufnimmt und in der
noch höheren Entwicklung das
psychische Leben zu dem freien Vernunftleben
steigert. Die
Thiergeschlechter wie die einzelnen Unterscheidungen der psychischen
Organisationen theilen wir daher nach dem Grade und der Art ihrer
geistigen Entwicklung
in Sinnen=, Verstandes= und
Vernunftsphären.
So schreitet nämlich das psychische Leben von seiner Wurzel zur
Blüthe fort. So schreitet es fort in der Entwicklung der einzelnen
Lebensarten der Menschen; so in der ganzen Anlage und Organisation der
Thierracen, und so ist auch die Fortschreitung im menschlichen Geiste
von dem irdischen zu dem himmlischen Lichte. und auch in diesen
psychischen Fortschreitungen gibt sich der Geist der ganzen Natur zu
erkennen, der dahin strebt, sich von den Banden der Materie zu
lösen und immer freier und reiner das Höchste, welches die
Offenbarung des Unendlichen und Uebersinnlichen ist, darzustellen.
Wenn die Formationen der Natur in solchen kos= mischen Kreisen sich
bewegen, so treten nicht weniger in ihnen die Kräfte selbst ,
welche mit den Erscheinungen ein und dasselbe sind, in analogen
fortschreitenden Verhältnissen auf. Denn was in der Materie Contractions=, Expansions=,
Kristallisationskraft heißt, das
wiederholt sich in ähnlicher oder selbst. ständiger Kraft der
Vegetation bei Erregbarkeit,
[5] Reitzbarkeit und Pflanzentypus, in der
Animalität als Sensibilität,
Irritabilität und thierischem
Organismus,
und endlich in dieser psychischen Sphäre
als Empfindungs=, Willens=
und Denkkraft.
Diese drei Typen sind gleichsam die stehenden Lettern der Natur, die
immer das Nämliche, nur in niederer oder höherer, innerer
oder äusserer Form verkündigen: das Grundwesen der Natur, das
Seyn und Seyn selbst, nämlich in
sich zu seyn, aus sich
zu streben
und mit Ordnung und Regel
in und ausser sich zu seyn. Sind dies nicht
die Bedeutungen des Empfindens, Wollens und Denkens? — Die Bedeutungen
der Sensibilität, Irritabilität und Organisationskraft und
aller jener tiefern Kräfte, die in dem vegetabilen und
anorganischen Reiche herrschen, welche ihren ewigen Kreis in sich und
ausser sich mit den in die Materie eingesenkten Kräften von
Expandiren, Contrahiren und Krystallisiren schliessen. — Unter
unendlichen Wechselverhältnissen sind zwar diese Kräfte
gegenseitig gebunden und wirksam. Und dies bildet eben die unendliche
Stufenleiter der Natur, die Harmonie, die in keiner endlichen Zahl sich
ausdrücken läßt. Und eben dieses so mannigfaltige
Wechselverhältniß zwischen Empfindungs= Willens=, und
Denkzuständen erscheint auch in dem Reiche des Geistes. Daher auch
hier die so vielen und verschiedenen psychischen Naturen, ohne
daß wir noch jene fortschreitende Zahl vom Sinn zum Verstand und
von der Verstandeswelt zu der Vernunft=[6]welt in Anschlag bringen.
Denn auch, was diese psychisch=kosmische Sphäre betrifft, so
müssen wir sie in ihrer Gesammtheit
als ein in einer zahllosen Menge von
Individuen vertheiltes und sich
mannigfaltig gestaltetes Reich des psychischen Lebens auffassen.
Nicht nach einem
Individuum ist zu bestimmen, was das Leben sey, denn
dieses vertheilt sich wie eine unendliche Kraft in einer zahllosen
Menge von Naturen. Die Pflanzenwelt erscheint unter
tausendfältigen Verhältnissen und Fortschreitungen; so auch
das Reich des animalen Lebens und so nicht weniger der unendliche
Horizont der psychischen Regsamkeit, wo entferntere oder nähere,
grössere oder kleinere, selbstleuchtende oder in dunkler
Sphäre kreisende Sterne das unendliche Reich der schaffenden und
bildenden Welt beschreiben.
In welchen Verhältnissen auch diese verschiedenen kosmischen
Sphären der anorganischen, organischen und psychischen Welt
gegenseitig stehen mögen: sie sind die Repräsentanten eines
und desselben Grundwesens, des unendlichen
göttlichen Princips,
ohne welches nichts seyn kann. Denn überall erkennen wir Einheit,
und ohne eine höchste Einheit ist auch kein höchstes
Mannigfaltige denkbar. Welche innere Berührungen auch diese
Sphären haben mögen, sie sind gegenseitig analog; sie
berühren sich nicht allein wie die innigsten und genauesten
Verwandschaften, sondern wie Identi=[7]täten, die freilich in
verschiedenen Umrissen und Zeichnungen auftreten. Das Wort ist gleich
der Welt und die Welt gleich dem Geiste. Und so bestehen zwischen
diesen Sphären selbst ewige und unveränderliche
Verwandschaften. Eine
Sympathie und Harmonie ziehet sich durch die
ganze Natur. Die Pflanze findet ihr angemessenes Element; das Thier
wird hingezogen durch feine Natur zu der ihm bestimmten Nahrung; der
Mensch erkennt die ganze Natur nicht als etwas Neues und
Unerhörtes, sondern als hätte er längst in und mit ihr
gelebt. Das ist eben die höhere und innigere Bedeutung dieser
kosmischen Ansicht, daß, was sonst unerklärbar und
räthselhaft ist, nun als lichte Wahrheit aus dem Naturganzen
hervortritt.
Wie innig verschlungen diese Sphären unter einander sind, erhellt
aus ihrer Verbindung selbst. Jede Sphäre nimmt die andere in sich
auf, metamorphosirt sie aber zu einer anderweitigen und
verständlicheren Bedeutung. Die Pflanze wuchert in und auf der
Erde, ihr Element ist Luft und Sonne, und doch gestaltet sie sich und
das aufgenommene zum freiern Wesen. Das Thier nährt sich von
Früchten und Erzeugnissen des unbelebten und belebten Naturreichs.
Und doch bestehen auch diese aufgenommenen Elemente wieder eine neue
Umgestaltung zu einer freiern und thätigern Existenz. Und in dem
Menschen verklären sich alle jene aufgenommenen und verwandelten
Elemente zu der höchsten und umfassendsten Bedeutung, daß
die Weltkraft psychische Kraft wird, [8] — daß jene äusseren
kosmischen Sphären in eine Erkenntniß= und
Vernunftsphäre verwandelt worden sind.
Die Organisation des menschlichen Geistes ist nicht weniger nothwendig
und an Gesetze der gesammten Natur gebunden, wie eine jede andere
Sphäre. Diese Nothwendigkeit erscheint in den psychischen
Funktionen. Ein eben so inniges Verhältniß durchdringt diese
Stufenbildungen des Sinns, des Verstandes, der Vernunft, wie in dem
körperlichen Organismus Abdomen, Brust und Haupt. Eins ist des
andern Basis und Träger, auf daß die höchste
Verklärung — die Blüthe der Vernunft endlich keime. Aber eben
so verbindet sich mit diesem nothwendigen Verhältnisse das freie
Verhältniß der Natur in einer jeden einzelnen Sphäre,
damit sie zum freieren Wesen werde oder jedes Organ und jede
Organen=Reihe sich von dem niedern Stocke löse.
Wenn der Anatom oder Physiolog aus, der beschaulichen Form der Organe
oder der Cerebralgebilde zeigen will, was Seele und Geist ist, es wird
ihm nie gelingen, die Fäden aufzuweisen, wo die eine Sphäre
sich an die andere knüpft. Erkennen wir auch in dem
Cerebralgebilde eine eigene und höhere Organisation als in den
tieferen Gebilden, so wird doch nie aus dem Convolut der in dem Gehirn
zusammenlaufenden Nerven oder aus der Triplicität der Gehirnmasse
als verlängertem Mark, kleinem und grossem Gehirn, die Natur des
psychischen Wesens, des Bewußtseyns u. s. w. erklärt werden
können. Und wozu auch dies — wenn es ja [9] möglich
wäre! Denn diese psychische Kraft ruhet auf dem allwissenden
Verstande, auf dem durch die ganze Natur gehenden und wirkenden
Bewußtseyn. Die Erklärung liegt weiter als diese oder jene
Beschauung. Sie liegt in dem Weltganzen, in der Unendlichkeit und dem
Grundwesen der Natur, die überall als ein In=sich=Seyn,
Ausser=sich=Seyn und als ein denkendes und ordnendes
Schöpfungswerk auftritt. — Wir glauben also nicht, die Arten und
Erscheinungen der psychischen Natur aus der Art und Weise der
materiellen und organischen Sphären erklären zu können.
Aber diese dienen doch als Analogieen, um auch in der psychischen
Sphäre die Bedeutungen und Gesetze nachzuweisen, welche die
rythmischen Verbindungen der Natur sind. Nur unter einer solchen
umfassenden Ansicht scheint es uns, daß es endlich der
Psychologie gelingen könne, mehr Verständlichkeit in ihr
eigenes Werk zu legen und zugleich auf eine naturgemässere Weise
die so mannigfaltigen Arten des psychischen Seyns zu erklären, als
wenn sie blos fragmentarisch nach Samen und äusseren Beziehungen
die Instrumente oder Organe des Seelenwesens aufzählt.
————
I. Die Seele oder das
psychische Wesen ist das in dem Bewußtseyn
sich repräsentirende Weltall, — die innere und innigere kosmische
Bedeutung aller anderen kosmischen Naturen.
[10] Forschen wir nach den Uebergängen der Naturreiche, unter
welchen Formen und Bedingungen die fortschreitenden und
metamorphosirenden Bildungen geschehen, so sind es folgende zwei Arten:
a) Das früherhin
Aeussere wird in das Innere aufgenommen und zu
dem Stock einer neu sich erhebenden Darstellung;
b) Das neue sich bildende
Geschöpf oder die neue Sphäre ruht
auf dem Boden der ersteren, und diese erhebt sich eben durch
Amalgamation und Assimilation zu einer höheren Sphäre.
Die allgemeinen und einzelnen Verhältnisse der Naturreiche und der
in ihnen bestehenden Bildungen beweisen dies. Die Pflanzenwurzel zieht
ihre Nahrung aus der Erde, aus der Luft und aus den Einflüssen des
Lichts. Die vegetabilische Welt ist der höhere Repräsentant
der telluren Sphären. Die animale Natur nimmt die Pflanzenwelt in
sich auf. Es ist hier ein verzehrender Proceß zwischen Thier und
Thier. Und doch ist diese animale Sphäre wieder ein höherer
Weltkreis — das in sich lebende und wurzelnde Pflanzenthier. Und so
nimmt auch die psychische Sphäre die anderen materiellen und
organischen Weltsphären in sich auf, und bringt sie auf ihre
ursprünglichen Bedeutungen eines allgemeinen Wesens. Diese
Verbindungen der Naturreiche erscheinen aber bei ihrem theils
thätigen, theils leidenden Principe unter dem Bilde der
Metamorphose. [12] Der Geist metamorphosirt die animale Welt; — die
animale Welt die vegetabilische Natur, und diese den tiefern und
niedern Bestand der sogenannten unorganischen Materie. Es ist hier der
immer wechselnde, höher steigende Lebensproceß sichtbar.
Alle diese Weltsphären stehen in einer innern gegenseitigen
Verbindung des höchsten schaffenden Weltgeistes zu dem Werke
seines Bildens und Schaffens selbst. Die Materie vergeistiget sich zu
dem Geist, und der Geist senkt oder bildet sich in die Materie ein. Ist
dies nicht die Geschichte aller terrestrischen, organischen und
psychischen Uebergänge? Der Geist wirkt und bildet schaffend,
organisirend, und die Materie erhebt sich in immer höheren Graden
einer chemischen Zersetzung und Verflüchtigung zu vegetabilischen
und animalen Ansätzen.
II. Die Bildung dieser
psychischen Sphäre fängt mit der
Bildung des organischen Lebens an. Aber diese Bildung hat drei Stufen,
erstlich die Sinnenbildung, zweitens die Verstandesbildung und drittens
die Vernunft oder höhere Erkenntnißsphäre.
Auch hier zeigen sich zum Beweise die Analogieen in den Naturreichen.
Wie ist die Geschichte der vegetabilischen und animalen Bildung? Erst
Convolut in sich, noch keine getrennten Pflanzen= oder Organentheile.
Die Entwickelung dieses Pflanzen= und Animalisations=[12]Organismus
geschieht nach den drei in dem Tellurismus angezeigten Stufen. Wurzel
oder Vegetation, Abdomen; Blatt
oder Stamm, Brust; Blüthenstand,
Cerebralleben. Die psychische Fortbildung ist also auch an drei Stufen
oder Thierreiche gebunden; erstlich Ausbildung der psychischen
Sinnesthätigkeit, zweitens Ausbildung der
Verstandesthätigkeit, drittens Ausbildung der Vernunft. Das
psychische Leben ist in den niedern Thierkreisen Kriptogam, es
verschmilzt noch mit der organischen Empfänglichkeit. Die
einzelnen Sinne müssen sich erst bilden und sondern. Und diese
Bildung und Sonderung geschieht wieder nach den drei Stufen des
Tellurismus; nämlich als Geruch, Gehör und Auge. Diese Sinne
bestimmen die obere Fläche des Schädels. Der Mund, als
niederes Vegetationsorgan, nimmt die tiefere Maxillargegend ein. Wenn
der ganze menschliche Organismus in Abdomen, Brust und Kopf eine
Abbildung der telluren Sphäre ist, so zeigt sich diese Abbildung
nicht weniger in der Sinnenbildung; erstlich in der telluren, zweitens
der atmosphärilen, und drittens der Lichtsphäre des Hauptes,
wo diese Sinnorgane gleichsam wie die Sphären des unorganischen
Naturreichs über einander gestellt sind, deren Stellung im
Verhältniß zu den übrigen Thierbildungen dieser Art
selbst ein so grosses Kennzeichen der höheren sinnlichen Bildung
des Menschen ist. Es ist augenscheinlich, wie die menschliche
Kopfbildung sich dadurch besonders von den tiefern Organismen
unterscheidet, daß erstlich der niedere Theil des Gesichts, in
welchem die Vegetationsorgane sind, mehr zurücktritt, daß
zweitens das Organ des Geruchs [13] nicht, wie in den übrigen
Thierklassen, die so prädominirende Herrschaft und gleichsam die
Leitung des Instinkts hat, daß drittens die höheren Sinne
eine weitere Sphäre der Thätigkeit haben, und daß
viertens mit dieser Sphäre in dem Menschen auch eine innere
höhere Thätigkeit sich verbindet.
III. Die psychische
Sinnensphäre ist also die bildende und
einbildende Welt des sinnlichen Bewußtseyns, — der Reflex der
äussern Sphären zur bildlichen Bedeutung und Umfassung. Und
der fortschreitende Bildungsgang dieser Sphäre heißt 1.
äusserer, 2. innerer Sinn und 3. Vorstellung.
In dieser Sinnensphäre zeigt sich der erste, ursprüngliche
psychische Vegetationsproceß. Er ist die Zeugung und Vermittlung
zwischen den äussern und höhern psychischen Sphären, die
Wurzel gleichsam der höheren Seelenthätigkeit. Durch ihn wird
das Aeussere in das Innere aufgenommen, durch ihn das Innere auf das
Aeussere übergetragen. Die äusseren Sphären und ihr
Gebild gehen zum Anschauen und zu einer Organisation der bildlichen
anschaulichen Formen über. Die Natur mit ihrem Organismus bildete
früher in vegetabilen und animalen Gebilden ab, und nun
versinnbildet sich das Gesammte aller Sphären in Sinn und
Anschauung. Fragen wir, wie sich das Organische in das Psychische
einbildet, durch welche Fäden beides vermittelt wird: [14] so
erstreckt sich diese Frage bis auf das Geheimniß der ganzen
Schöpfung, wie der Tellurismus Pflanze, die Pflanze zum Thier und
das Thier Mensch werde. Diese Frage aber verschwindet sogleich mit
ihrer vorgeblichen Antwort, wenn diese Sphären unmittelbar als
kosmische Darstellungen erscheinen, deren Fäden also nicht
ausserhalb sondern in dem innersten Seyn der Dinge selbst liegen, aus
welchem Seyn denn auch die nähere und entferntere Harmonie aller
Sphären hervorgehet. Die Wurzel der Pflanze neigt sich nach der
Erde hin, denn sie ist ja selbst die Darstellung derselben. Das
Pflanzenblatt steigt nach der Luft, denn es ist die Wiederholung und
Darstellung des Atmosphärilen. Die Blüthe ringt nach dem
Lichte, denn auf ihren Blättern spiegelt sich ja das mannigfaltige
Farbenlicht. Und verfolgen wir diese Verbindungen, so erscheinen auch
in allen andern Organisationen und selbst in den Sphären des
Geistes dieselben elementaren Anziehungs= und Abstossungskräfte —
dieselben Reflexe unendlicher Gesetze.
So unendlich das Reich der materiellen Natur ist, so unendlich ist auch
das Reich des Organismus und des psychischen Lebens. Die
Sinnensphäre ist eine unendliche Darstellung des Kosmischen in
allen seinen Beziehungen. Aber freilich der Sinn waltet hier mit seiner
dunklern Region, mit inneren Zuständen des Instinkts und Ahnens.
Auch hier steigt die psychische Sphäre aus dem Dunkeln und
Geheimnißvollen hervor, wie die Pflanze aus dem Schooße der
Erde, wie das animale Gebilde aus der embryonischen Hülle. Auch
[15] hier in dieser Sphäre des Geistes ist das ewige Gesetz der
Natur — „von dem Dunkeln durch die mittlere Region zum Lichte!”
1. Der äussere
Sinn.
Die Sinnensphäre bildet sich in drei Stufen von dem Aeussern zu
dem Innern analog aller übrigen vegetativen und organischen
Bildung. Die Nahrung wird aufgenommen, der Chymus verwandelt in Chylus,
der Chylus zum Blute gesteigert. Dies Beispiel der tiefern organischen
Natur darf uns nicht befremden. Denn das Gesetz der tieferen Natur ist
auch das der höheren, und die Natur entbindet sich nie von ihren
Regeln.
In diesem äussern Sinn ist die Ansprache, der Widerklang gleichsam
der Organischen zu dem Psychischen. Die Welt wird durch den Sinn
aufgenommen, gehört, gefühlt, gesehen. Die Kleinheit des
Sinns ist der Mikrokosmus des Mikrokosmus. Denn das große Weltall
kann sich auch in dem kleinern Kreise spiegeln. Durch den Sinn wird
aufgenommen und wiedergegeben. Und welche wunderbare Metamorphose ruht
nun auf demselben! Er verwandelt das Materielle in Bild; — das
Körperliche wird Anschauung, mathematischer Umriß. Der erste
Grad der psychischen Sprache und Vergeistigung!
In diesen einzelnen Sinnorganen ist nun selbst eine eigene Bedeutung
der aufsteigenden Vergeistigung. Die [16] Bilder oder Anschauungen der
tieferen Sinnorgane sind weniger hell und deutlich, als das Bild des
Gehörs, und dieses weniger bestimmt als, die deutlichen und
anschaulichen Bilder des Auges. Das Licht erhellt gleichsam den
Verstand; das Gehör ist der fliessende Strom der Empfindung, der
tiefere Sinn der Instinkt für das unedlere Sinnenwesen. Wie die
anorganische Sphäre sich in drei Kreisen bewegt, so sind diese
daher auch wieder in den Vermittelungen der Sinnorgane abgebildet. Und
die Natur nimmt einen langen Weg durch die vielen Glieder der
thierischen Schöpfung, um dieser Sinnensphäre den weitesten
und vollkommensten Raum zu geben, daß sich aus ihr wieder viele
Theile und Sprossen entwickeln, oder daß es die über den
niederen Tellurismus erhobene Sphäre sey, welcher die Blüthen
des Denkens und der Vernunft entkeimen.
In dem menschlichen Organismus hat sich die Animalisation bis zu der
vollkommnern Bildung des Cerebrallebens gesteigert. Welche Bedeutung
mag auf allen den Theilen dieses Gehirngebildes ruhen! Vielleicht hat
aber die scheinbare Unerklärbarkeit in diesem mystischen Bau des
Gehirns mehr gesucht, als in ihm liegt. Die Unerklärbarkeit beruht
ja mehr darauf, wie die psychische Sphäre aus diesem Konvolut der
Gehirnmasse entspringen könne. Folgen wir der einfachen
Erklärung, die in den Analogieen des organischen Baues liegt, so
ist ja vielleicht das Gehirn nichts anders, als eine höhere;
erweiterte Darstellung aller in jedem einzelnen Systeme befindlichen
Theile und Funktionen. In jedem [17] dieser Systeme des menschlichen
Organismus zeigen sich drei Theile, gleichwie in dem Organismus der
Erde, in dem Abdominalgebilde Vegetation, Milz, Leber; in dem
Brustgebilde Vegetation, Herz, Lunge. Und in der Gehirnmasse wieder die
dreitheilige Gliederung von verlängertem Mark, kleinem und grossem
Gehirn. Ist nicht vielleicht das verlängerte Hirnmark gleich der
Vegetationssphäre des Sinns, — das kleine Gehirn gleich den
Respirationsorganen und das grosse Gehirn das Organ für die
höhere und reinere Lichtentbindung? Von dem verlängerten
Hirnmark laufen die meisten Sinnnerven aus und auch die Nerven, welche
die tiefern und tiefsten Gebilde mit dem Gehirn verbinden. Das
verlängerte Hirnmark scheint gleichsam der Heerd zu seyn, auf
welchem sich das untere Organengebilde zu der höhern Potenz
steigert; von ihm gehen die grössern Gehirnmassen als neue und
erweiterte Bildungen aus. In welcher physiologischen Bedeutung dieses
Hirnmark zu den höheren und niederen Funktionen der Seele stehe,
dürfen wir dafür wohl als einige Bewährung
anführen, daß in den unmittelbar unter dem Menschen
stehenden Thieren, die sich durch Muskelkraft und Thierheit
auszeichnen, die Ausbildung dieses verlängerten Marks so stark und
ausgebreitet ist, und daß auch mit der Stärke desselben die
grössere Masse und Wölbung des kleinen Gehirns im
Verhältnisse stehet? Die Varolsbrücke, das Corpus callosum u.
s. w.— sind sie vielleicht etwas anders als Kanäle, verbindende
Uebergänge des einen Organs zu dem andern und besonders die
Scheidungen der zweigliedrigen [18] Theile, die sich auch in dem
grossen und kleinen Gehirn wie in den übrigen Körperorganen
wiederholen? Die zweitheiligen Pflanzenkotyledonen, die
Zirbeldrüse nebst den angehenden Erhöhungen, Nates u. s. w.
was dürften sie anders seyn als die Unterscheidungsorgane, die
Zersetzungs= und Ausführungsorgane der Sekretion und Excretion,
das uropoetische System des Gehirns! Nur die höchste
Mangelhaftigkeit physiologischer Kenntnisse konnte diesen Theilen eine
höhere Bestimmung, vielleicht wohl gar den Sitz der Seele
zuschreiben. Der Sitz der Seele kann nichts anderes seyn als der
zusammenstimmende Organismus aller Körper und Gehirntheile zu der
in dem Gehirn vor sich gehenden höhern Potenzirung der
äusseren kosmischen Sphären zu der Weltanschauung und zu der
Intussusception derselben in einem innern Bewußtseyn.
Die Sphäre des äusseren Sinnes ist daher eben so
unbegränzt, wie jede allgemeine kosmische Sphäre. Er
umkreiset, daß wir so sagen, die Welt, er ist das
Empfindungsorgan für die innern und äussern organischen und
unorganischen Beziehungen. In ihr waltet das unbekannte Schicksal, wie
die Psyche mit dem Leibe zusammenhängt, und wie sich in ihr die
äussern Eindrücke verklären und verkörpern.
Auf der innern Natur dieser äussern Sinne beruht zuförderst
die höhere oder niedere Wirksamkeit der Seele, die Art und Weise
ihrer Wirksamkeit, ob sich ihre Thätigkeit mehr in Gefühlen
oder in Gedanken oder in Begehrungen ergießt; ob die Seele mehr
tönendes, [19] bildendes oder dichtendes Instrument des Weltalls
ist; ob sie in schwerern und unedlern Körpergenüssen sich
versenkt, oder geistiger die Flügel schwingt und in ihrem eigenen
Bildersaale lebt. Dieser äussere Sinn ist auch wiederum der
Mikrokosmus des ganzen körperlichen Mikrokosmus. Wie die tieferen
Organe, so auch die höheren. Wie, in welchem Grade die
Respirationsgebilde thätig sind und die Lebenswärme
erhöhet und vermindert wird, in welcher Beziehung das arterielle
System steht: — welche Veränderungen muß alles dieses in den
sinnlichen Auffassungen von Freude und Schmerz — in dem Sinn, der so
leicht sympathetisch gerührt wird, hervorbringen ? Und die
Radifikationen dieses Sinns beziehen sich besonders darauf, in welchem
Verhältnisse die niedern Lebensbedingungen, die Vegetations=,
Muskel= und Nervenkraft zu einander stehen, — wie die Nerven
vegetativer oder irritabler, endlich der höhern nervösen
Ausbildung gemäß das verlängerte Mark und die
grössern Gehirngeflechte bilden. Es bedarf in der That keiner
grossen physiognomischen und physiologischen Beobachtung, wie das
vegetative Leben in seiner niedern oder höhern Potenz sich in den
äussern Sinnorganen, in der Bildung und den Umrissen derselben
abbilde, und das Gehirn also selbst in niederer oder höherer
Potenzirung thätig seyn könne.
b. Innerer Sinn.
Der innere Sinn verwandelt die äusseren kosmischen Sphären in
die innere Bedeutsamkeit des geistigen Le=[20]bens. Der Mythus
fängt an, die Phantasie erhebt ihre Flügel und die
äussern Bewegungen der Natur werden nun Seelenstimmungen. Furcht
und Hoffnung, Wunsch, Raum u. s. w. bewegen sich nun auf den innern
Elementen hin, und die ganze Natur tritt in ein inneres
Zahlenverhältniß von Raum und Zeit. Der innere Sinn schreibt
die empfangenen Eindrücke in das Gedächtniß ein, und
die Erinnerungskraft ist selbst nichts anderes, als der innere, sich
belebende Sinn an den vergangenen Eindrücken. Das
Gedächtniß, die Erinnerungskraft bezeichnen das Weite, den
Umfang dieses innern Sinnes, aber mit entfernten und mehr oder weniger
ähnlichen Beziehungen. Denn was der innere Sinn aufgenommen hat,
wird in sein eigenes freies und willkührliches Spiel, in die
eigene kosmische Sphäre von inneren Beziehungen verwandelt. Der
Lebenskreis des Menschen bekommt nun eine innere Sphäre von
gemüthlichen sinnigen Zuständen. Und das Mein — das Ich zieht
sich nun an diesem Faden der innern psychischen Beziehungen, dieser
sinnlichen Sphäre hin. Die Spannungen, die Zusammenziehungen und
Ausdehnungen der materiellen Natur, Licht und Dunkel, Sturm und
Gewölke treten nun in Sympathie mit den innern Ausbreitungen des
Sinns. Auf der Tafel des innern Sinnes malet sich die Organisation der
äussern Natur in Zurückgezogenheit oder Muth, Lebhaftigkeit
oder Ruhe und wie alle die einzelnen Persönlichkeiten des
menschlichen Sinnes in Stolz, Ehrtrieb, Eitelkeit in allen den
veränderlichen Stimmungen heissen mögen. Die sinnlichen
Affekte und Leidenschaften, wie nicht we=[21]niger die Allegorie der
Rede und des Gedankens wohnen in diesem inneren Sinn. Sein belebendes
Princip ist Phantasie, die hier eben so, wie die Bildungskraft der
ganzen Natur, thätig ist. Er ist in dieser seiner Weite und
Grösse das erste Hauchen, die Wurzel der Humanität, denn der
blosse äussere Sinn ist stumm, aber mit dem innern Sinn fängt
die Beredtheit an. Das Kind fängt nun an von sich zu sprechen, da
es vorher noch in blinden Anschauungen an den äussern Objekten
hing.
c. Die Vorstellung.
Der innere Sinn, welcher das Aeussere in das Innere einbildet, ist
verschieden von der eigenthümlich sogenannten Vorstellungskraft.
Diese gibt den inneren Sinnesbildern bestimmtere Umrisse, zieht sie
mehr von den äussern Farben und Umrissen ab, es wird nun eine von
den Objekten abgezogene Vorstellung. Der Traum ist das Bild und
Erzeugniß des innern Sinnes. Wie verschieden ist aber dieses
Traumbild von den abgemessenen bestimmteren Vorstellungen! Die
Vorstellungskraft ist eine abstraktere Thätigkeit als die
äussere und innere Sinneskraft. Mit den Vorstellungen beginnt
schon ein helleres Bewußtseyn. Das Ich nimmt sich selbst in
seinen Phantasiebildern und sinnlichen Zuständen wahr.
Diese einzelnen Thätigkeiten, welche die Sinnensphäre
ausmachen, stehen nun in mannigfaltigen Ver=[22]hältnissen. Der
äussere Sinn kann bestimmter, träger oder lebhafter seyn, und
der innere Sinn mehr schweigen. Die innere Sinnenthätigkeit, das
Phantasieleben, der sinnige und sinnende Zustand hingegen kann ungemein
thätig seyn, oder auch drittens die abstraktive Kraft des
Vorstellens sich mehr ausprägen. Beruhet darauf nicht der Sinn der
Prosa, der Sinn der 'Poesie und drittens der klare und richtige
Menschensinn? Die organischen oder psychischen Kräfte, die
äussern Eindrücke aufzunehmen, sie, daß wir so sagen,
zu chylifiziren oder in Chylus zu verwandeln, sind eben so
mannigfaltigen Verhältnissen unterworfen, wie die niedern
Bildungsstufen des organischen Körpers. Von Wichtigkeit ist dies
in Rücksicht der Entstehung und Erklärung psychischer
Abnormalitäten, die in dieser Sinnensphäre ihren Sitz haben.
Die Entstehung dieser Krankheiten beruhet nämlich entweder auf dem
äussern oder dem innern Sinn oder endlich der Vorstellungskraft.
Irrheit des Vorstellens: Verrücktheit; Irrheit des innern Sinns,
der Phantasie: Narrheit; Irrheit des äussern Sinnes:
Blödsinn, Stumpfheit u. s. w. Mögen auch diese psychischen
Verirrungen mehr oder Weniger gegenseitig verbunden seyn, so wird doch
diese Unterscheidung theils durch die Verschiedenheit der oben
angegebenen Bedingungen, die in den einzelnen Funktionen der
Sinnensphäre liegen, theils auch durch die Verschiedenen
Aeusserungen und Richtungen der psychischen Krankheiten begründet.
Aber sie sind auch in der That nicht immer und eben so wenig nothwendig
gegenseitig verbunden, wie die Krankheiten der
Abdomi=[23]naleingeweide, wo die Abnormalität der Sekretion und
Chylification auf den ersten oder auf den sekundären Wegen der zu
diesem Geschäfte bestimmten Kräfte beruhen kann.
IV. Diese
Sinnessphäre ist Gefühl, Instinkt und Wille.
Wenn schon in den organischen Gebilden ein verschiedenartiger Ausdruck
dieser drei Lebensbestimmungen ist und mit den höhern organischen
Gebilden sich auch diese Bedingungen steigern, so ist auch die
Einbildung der äussern kosmischen Sphäre in dem Sinn theils
als Gefühls=, theils als Denk=, theils als Willenssphäre zu
betrachten. Und welcher Instinkt selbst eines niedern Sinnes wäre
wohl in dem Grade brutal oder animal, daß nicht in ihm diese
dreifache Beziehung verbunden wäre? Es liegt ja auch unmittelbar
in den Grundgesetzen der Natur, daß das Seyn unter diesen drei
Bestimmungen einer Beziehung auf sich selbst, auf das Aeussere und
endlich in einer ordnenden Beziehung auftrete. Und dies sind ja die
Bestimmungen der contrahirenden, expandirenden und krystallisirenden
Kräfte, welche in den höheren Gebilden als Erregbarkeit,
Irritabilität und Organisation, als Gefühl, Wille und Gedanke
auftreten. Es wiederholt sich aber mit dieser dreifachen Beziehung das
Grundgesetz der ganzen Natur, worauf eben die Steigerung und successive
Entwickelung beruhet, daß dasjenige anfangs geschlossen und in
einem Kreise gebunden erscheine, was nach und nach als einzelnes Blatt,
als [24] eine Folgenreihe von getrennten Organen sich entwickelt. Das
Saamenkorn enthält in sich, was sich nach und nach entwickelt und
trennt. Die animale Bildung steigt von einem Convolut zu einzelnen
Entwickelungen und Organen auf. Auch die Kräfte sind anfangs
vereint, sie trennen sich und erscheinen endlich als abgesonderte, sich
selbst organisirende Potenzen. Die Sinnensphäre liegt anfangs als
ein Convolut von jenen Grundkräften der anorganischen, organischen
und psychischen Natur da. Dieses Convolut heißt Instinkt. Aber
auch der Instinkt tritt schon in dieser Sinnensphäre mit
besonderen Beziehungen, mit einzelnen sprossenden Blättern und
Zweigen auf. Die Wurzel verzweigt sich in mannigfaltige Fasern und
Bündel, die sich noch nicht als Blätter über die Erde
ausbreiten. Und so ist es auch mit dem Instinkte, der Wurzel des
psychischen Lebens, mit dieser Sinnensphäre, in der eine dreifache
Anlage und Entwicklung von Empfinden, Denken und Wollen liegt.
Was sind denn die Kunsttriebe der Thiere anders, als solche
Aeusserungen des ordnenden und denkenden Instinkts! Der Instinkt sucht
und versucht das unmittelbar ausser sich, was das Denken in der
höheren Potenz in sich selbst, in Ideen und Begriffen behandelt.
Der Instinkt gränzt aber dadurch noch an die materielle oder
organische Natur, daß er unmittelbar an und in der Materie
arbeitet. Die Raupe spinnt ein Gespinnst, der Vogel bauet ein Nest, die
Spinne ein so geordnetes Gewebe. Das ist ja überhaupt die
Bedeutung der [25] Sinnensphäre und ihres Unterschiedes von der
höheren Potenzirung des Verstandes, daß der Sinn oder der
Instinkt in einem äussern Rhythmus gestaltet, als psychisch
mathematische Organisation, da der Verstand diesen Rhythmus in sich
aufnimmt und ihn höher gestaltet. Die göttliche Ordnung der
Dinge, die sich in allem wiederholt, aber in allem sich objectiver oder
subjektiver als Materie, als Organ oder Sinn; endlich als Geist
darstellt! Dieser Instinkt erscheint ja selbst so oft in dem Menschen
als angeborne und natürliche Kunstfertigkeit. Ist denn der
mathematische Sinn selbst wohl viel mehr als die Darstellung der
äussern kosmischen Sphären in Sinnessphären! Je mehr es
aber nun in dem Wesen des Instinktes selbst liegt, sich objectiv
einzubilden, objectiv als Werk, als Darstellung zu erscheinen, desto
unwillkührlicher ist auch seine Herrschaft. Was wir wohl zu
berücksichtigen haben bei der moralischen Beurtheilung solcher
menschlichen Handlungen, die nicht von dem Verstandeswillen, sondern
von dem Sinneswillen, daß ich ihn so nenne, ausgehen. Denn auch
der Mensch ist bei abnormalen psychischen Zuständen dem Instinkte
und der Herrschaft der Sinnensphäre unterworfen.
Betrachten wir die übrigen Triebe der Thiere, auch derjenigen, die
auf der untersten Stufe der Natur stehen , und wo der Sinn noch ganz in
sich verschlossen zu seyn scheint, so fehlt es nicht an Beweisen, wie
der Sinn als Wurzelblatt das unmittelbar in sich schließt, was
sich in der oberen Region als getrennte Empfin=[26]dungs=, Denk= und
Willenreihe entwickelt. Die thierischen Instinkte sind Empfindungs=,
Gedanken=, Willenstriebe — die noch unentwickelten Wurzelfasern der
höheren Sphäre.
V. Diese
Sinnensphäre ist von einem unendlichen Umfange. Sie ist
der Reflex der ganzen anorganischen und organischen Natur, die
höhere Potenzirung des Tellurismus und Lebensgeistes in
Prophetieen und Sympathien.
Je tiefer wir abwärts steigen in der organischen Natur, desto mehr
nähert sich das Organische und Psychische den
Grundverhältnissen des Organischen. Die Muschel sitzt an dem
Felsen fest, das Thier ist gleichsam noch das Erzeugniß und der
Reflex der Jahreszeit. Und auch der Sinn steht hier in einer solchen
partiellen Witterung, wie die ganze unendliche Natur aller Sphären
sich nur in einzelnen potenzirten Sphären der Materie, des Lebens
und des Geistes zu erkennen gibt. Der Instinkt des Sinnes nimmt immer
einen weitern Umfang, er wendet sich von den nähern Beziehungen
des Tellurismus ab, es bildet sich nun eine Sphäre des Organischen
zu dem Organischen, der sympathetische Zusammenhang wird kosmischer,
inniger, allgemeiner, und er geht schon über in die unsichtbaren
Zeichen, welche zwischen Naturdingen Statt finden, bis sich endlich in
der Sinnensphäre des Menschen der höhere Geist des Ahnens,
das Vor= und Nachgefühl, eine [27] Sphäre von prophetischen
und sympathischen Beziehungen entwickelt, die den verborgenen
Zusammenhang der kosmischen und geschichtlichen Verhältnisse in
entfernterer oder näherer Gewißheit zeigen.
Die Natur macht nie einen Sprung, alle ihre Erzeugnisse hängen mit
dem Mutterschooße, aus dem sie sich erzeugten, auf das genaueste
zusammen. Und steigen auch die Naturreiche in einer höheren
Potenzirung auf, so liegt doch eben in dieser Potenzirung zugleich das
niedere Zahlenverhältniß, aus welchem sie sich entwickeln.
Jede kosmische Sphäre ist der Wiederklang und Anklang der andern.
Daher auch die ewige und innige Bekanntschaft von Allem mit Allem. Der
Klang der Natur hallt in der Brust des Menschen nach, das
Frühlingslied ist dem Menschen kein unbekanntes Echo. Was in der
Natur stürmt, das wiederholt sich in der Brust des Menschen, und
auch der Friede der irdischen Elemente findet in dem psychischen Gewebe
seine Töne.
|
Aber auch das ist
Naturgesetz, daß jede höhere Sphäre sich immer mehr
von der niederen trenne und entbinde. Darum die fortschreitende
Freiheit der Naturreiche! Die Pflanze dient noch der Erde, das Thier
wandelt aber schon über die Erde hin, und der Mensch beherrscht
mit
seinem Geiste die ganze Natur. Alle Reflexe zwischen den zunächst
gelegenen Sphären berühren sich unmittelbar. Der Sinn des
Menschen ist
aber ein über die irdischen Einflüsse, über die
elementaren
Bestimmungen der Materie und des tiefern Organismus weit [28] erhabener
Schauplatz. Die Sympathien mit dem tiefern Naturreiche erscheinen hier
nur noch in entfernteren Rührungen, in idiopathischen Stimmungen.
Und
auch hier zeigt sich in der menschlichen Organisation die theilweise
Ausbildung, daß die eine oder die andere mit diesem oder jenem
Naturgeiste eine vertrautere oder verwandtere Sprache führt. War
denn
früher wohl eine Welt, wo der kindliche Mensch die Geister der
Erde
mehr empfand und verstand? Es wäre die erste und unmittelbare
Vegetationsstufe des keimenden, sich entfaltenden Sinnes gewesen, der
die Hüllen der äussern Natur noch an sich trug. Wie es
Organisationen
gibt, in denen sich die kosmischen Sphären — Mutter und Kind
gleichsam
— näher berühren: so tritt auch in einzelnen
Lebenszuständen oft ein
solcher wunderbarer Naturgeist auf, der uns mit Dingen und
Erscheinungen in Verbindung bringt, die wir ausserdem nicht kennen. Ein
ahnender weissagender Geist tritt dann in uns aus und spricht aus uns,
ohne daß wir seine Sprache selbst verstehen. Denn über den
Sinn hinaus
waltet eine höhere Sphäre, in der unsere eigenthümliche
Heimath ist.
Werden wir künftig die Uebergänge, Verbindungen, die ganz
eigenthümliche Sprache jeder Sphäre durch genauere
Naturbeobachtungen
mehr kennen, so werden wir denn auch vielleicht mehr zu deuten wissen,
was so tief in dem Wesen der Natur liegt, und was wir jetzt nur als
Aberglauben von uns weisen.
Was uns überzeugen kann, daß, wie Hamlet sagt, in der Natur
mehr liegt,
wie sich die Philosophie träu=[29]men läßt, das ist
eben die
Ueberzeugung von dem Einklange, dem gegenseitigen Reflexe aller
Naturreiche; die Ueberzeugung, daß auch der Geist und das
psychische
Leben eine jener höheren Sphären sey, die theils im Sinn,
theils im
Bewußtseyn dasjenige einbilden, was ausserhalb in den Kreisen der
unerschöpflichen Mutter Natur liegt. Mit festen Wurzeln ist der
Sinn an
die äussere Naturkette gebunden. Es fließt von ihm in die
Natur über,
was er übet; es fließt aus der Natur auf ihn ein, was mit so
regen
Elementen ihn umgibt.
Die höchste Offenbarungsstufe von der Weite und dem Umfange dieser
Sinnessphäre ist der animale Magnetismus und die anderen mit ihm
verschwisterten ungewöhnlichen Erscheinungen einer Sehe= und
Weissagungsgabe, — selbst vielleicht jener noch dunklern jedoch nicht
weniger realen Region von geheimen Geister=Einflüssen und
Visionen. Ist
denn blos das sinnliche Auge — das Gehörorgan, wie es von Knochen
und
Fleisch umschrieben wird, der Umriß der psychischen
Sinnensphäre! Wo
und was ist denn die Phantasie, die Gabe der innern Einbildung? Was das
Wort — der Ausdruck und der Wiederklang der innern bildenden
Schöpfung?
Die äussern Sinne sind nur die Nervenfäden, die letzten End=
oder
Anfangspunkte des kosmischen Sinns. Der Sinn als psychische Kraft ist
von einem unendlichen Umfange, und er offenbaret seine Stärke und
Weite
in jenen Momenten, wo die Seele auf= oder abwärts mit den andern
kosmischen Sphären [30] näher zusammenfließt und nun
unbewußt als
Embryo in dem Schooße der unendlichen Mutter Natur ruhet.
VI. In dem Sinn liegt
ein zweifacher Reflex — erstlich auf das
Allgemeine, zweitens aus das Persönliche.
Die Persönlichkeit und Individualität ist die besondere
Richtung des Seyns auf sich selbst, die dem Seyn eigenthümliche
materielle, organische oder psychische Bildung. Das Allgemeine ist die
universelle kosmische Sphäre, mit welcher jene Bildung im
Zusammenhange stehet, von der sie sich aber doch als specielle Bildung
gesondert hat. Auch der Mensch und jedes Thier und jede Pflanze ist das
Geschöpf eines allgemeinen Elements, einer universellen
Sphäre. Von zweien Seiten geht also die Persönlichkeit
verloren, entweder indem sie in das Allgemeine, aus dem sie als
besondere Modifikation stammt, zurückgeht, oder indem sie sich in
dem Grade von dem Allgemeinen absondert und sich in ihre
Individualität versenkt, daß selbst alle Beziehung zwischen
dem Allgemeinen und dem Selbst aufhört.
Auch in der psychischen Sphäre des Sinnes ist ein solcher
allgemeiner und besonderer Reflex. Und die Trennung zwischen ihnen
kündiget sich durch das Nichtbewußtseyn und Bewußtseyn
an. Die allgemeine Thätigkeit des Sinnes, in welcher sich die
allgemeine kosmische Sphäre darstellt, ist mit dem
Nichtbewußtseyn verbunden. Denn das eigene Ich höret hier
auf. Das [31] Bewußtseyn der Persönlichkeit ist eine
Lostrennung des Einzelnen von dem Allgemeinen. Der Sinn, wenn er sich
in einer persönlichen Beziehung erfassen will, muß seine
Fäden an bestimmte Lokalitäten und Verhältnisse heften.
Der allgemeine Sinn ist der allgemeine Weltgeist selbst und dieser
spielt eben in dem Nichtbewußtseyn der Persönlichkeit seine
Rolle. Der magnetisch schaffende, der weissagende prophetische Sinn
schwebt in dem Allgemeinen, abgewendet von sich. Die Natur, der
allgemeine kosmische Zusammenhang, spricht nun in ihm.
Eben so findet aber auch eine entgegengesetzte Abwesenheit des
Selbstbewußtseyns, der Persönlichkeit Statt durch die
Erstarrung, mögte man sagen, dieser Persönlichkeit, indem
sich das psychische Wesen in der beschränkten Persönlichkeit
verliert. Eine erstarrende und erstarrte Pflanze. Der Mensch ist dann
auf diesem beschränktem Standpunkte seines Selbst in Gefahr, sich
selbst zu verlieren, und seine Vorstellung kann Narrheit werten. So
verliert sich die Persönlichkeit oder das Selbstbewußtseyn
auf zwei entgegengesetzten Wegen — entweder verallgemeinernd oder
individualisirend. Der prophetische Geist des Allgemeinen und der von
dem Allgemeinen losgerissene Sinn des Einzelnen.
VII. Der Verstand ist
die zu dem höhern und innigern kosmischen
Bewußtsein sich fortbildende Sinnensphäre. wer Rhythmus
dieser Fortbildung ist der Begriff und zwar erstlich der concrete,
zweitens [32] der
abstrakte Begriff, drittens die Idee. Die
Verstandesbegriffe oder die sogenannten Kategorieen sind die im
Bewußtseyn dargestellten Organisationen aller Dinge, Welt= oder
Naturgesetze.
Die Philosophie, welche von Begriffen befangen wird, kann
unmöglich das Wesen der Denkgesetze erklären. Denn sie bewegt
sich immer nur in ihren eigenen Begriffen. Und es wäre eben so,
als wenn die Pflanze an und durch sich den Pflanzenorganismus
erklären wollte. Die Erklärung liegt in dem kosmischen
Zusammenhange, in dem Weltganzen. Die Philosophie spinnt daher so lange
ihr armseliges Gewebe von Begriffen ab, und zehrt an sich selbst, als
sie nicht herausgeht und sich aus dem Naturganzen zu erklären
strebt. Was ist Verstand? Was heißt Denken?
Der Verstand ist nicht ein einzelnes Attribut, eine von dem Universum
abgetrennte Thätigkeit, oder eine endliche Kraft von abgemessenen
und gleichsam in so und so viel Kammern abgetheilten
Verhältnissen. Er ist die kosmische Sphäre der Sinnen — der
organischen und unorganischen Sphären selbst, die Verwandlung des
materiellen, anschaulichen und bildlichen in die Urgesetze der Natur
und in das sich nach derselben konstituirende Bewußtseyn. Sein
Geschäft heißt daher Abstraktion, die einzelnen Funktionen
Urtheilen und Schliessen, wie auch in den organischen Gebilden die
Funktion der Vertheilung und Zusammenfliessung Sekretion und
Assimi=[33]lation ist. In der ganzen Natur ist dieses strebende und in
zwei Richtungen gehende Geschäft — des Vereinens und Trennens
vorhanden. Der Verstand ist der Stamm, das Blatt der aus der Wurzel,
aus der Sinnensphäre sich hervorhebenden Bildung. Was die
Sinnensphäre aufnimmt, wird nun zu einem höheren Chylus des
Lebens umgewandelt. Der Verstand ist die psychisch=kosmische
Fortbildung des Sinns zu einer innern Intussusception der Naturgesetze
in Denkgesetze.
VIII. Der Typus jeder
Naturbildung ist auch der Typus des Verstandes —
Wurzel, Stamm, Blüthe, der dreifache Akt der Fortbildung einer
jeden kosmischen Sphäre.
In der Sinnensphäre zeichnet sich die äussere kosmische
Sphäre in Zahl und Rhythmus, in bildlichen Umrissen, in
anschaulichen Formen ab; in der Verstandessphäre hingegen durch
Begriffe und deren Organisation. Der rhythmische Sinn, die Mathematik
wird nun System der Begriffe, eine psychisch erhabnere Bildung des
vegetativen in der äussern Welt wurzelnden Sinnes. Der ewige Typus
der Naturbildung wird nun auch der Typus der Gedankenbildung in
dreifacher Form von der Einheit zur Allheit, von der Wirklichkeit zur
Nothwendigkeit, von der einfachen Causalitätsreihe zur
substantiellen Umfassung, und von den Beschränkungen zur
Realität.
[34] Was sind diese dreifachen Formen der Begriffe anders als Welt= und
Naturgesetze, aber dergestalt oder sich darstellend als Gesetze des
Bewußtseyns, des ordnenden denkenden Geistes? Was sich in diesen
Gesetzen zeigt, zeigt sich auch in jeder Naturformation, in jeder
Fortschreitung , in jeder Pflanzen= und Thiermetamorphose. Die Pflanze
mit ihrer Wurzel, ihren Blättern, mit ihrem geschlossenen oder
aufgeblühten Blumenkelche — ist sie nicht der kosmische Beweis der
sich darstellenden Einheit, Vielheit, Allheit? Was von der Wirklichkeit
anfängt, bildet sich fort in künftige Stufen der
Möglichkeit. Das geschlossene Ende des durchlaufenden
Pflanzenlebens stellt das Gesetz der Nothwendigkeit dar. Eine
Entwicklung gibt und veranstaltet die andere, das Gesetz der
ursächlichen Verbindung, bis sich alle niedere und einzelne
Causalitäten in dem allesumfassenden Ringe der Blüthenkrone
schliessen. Von der Verborgenheit und Beschränkung fängt die
Entwicklung an, sie schreitet fort zur bestimmten Realität.
Das Denken nach diesen Begriffen ist das Denken nach den Gesetzen der
Natur, nach den ewigen Typen des Universums, die sich im
Bewußtseyn als Denkakte, als Urbegriffe des Bewußtseyns
repräsentiren.
Welcher Streit nun noch in der Philosophie, was diese Gesetze des
Denkens bedeuten! Und welcher Streit über das Denken selbst , wie
es sich setze, objectiv oder subjectiv, thetisch oder antithetisch oder
gar synthetisch! Sie sind objective und substantive Formen zugleich,
das [35] Denken ist der ordnende Geist der unendlichen Natur im
Bewußtseyn. Der Geist kann ja nicht anders ordnen, als die Natur
ordnet. Die Begriffe oder Kategorieen sind die Bildungsstufen des
Denkens, eben so wie sich die Pflanze bildet, die von dem in sich
geschlossenen Keime zur Ausbreitung und Vielheit und endlich zur
Umfassung oder Krone aufsteigt. Das ewige Regen des Pflanzenlebens auf=
und abwärts zwischen oben und unten ist auch der Zusammenhang der
Begriffe und des immer wechselnden Denkens zwischen dem Einzelnen und
Allgemeinen.
Die verschiedenen Richtungen des Denkens nach dem Allgemeinen und
Einzelnen sind nun eben das abstrakte und concrete Denken. Das
Zusammenfassen zum Allgemeinen ist das Schliessen, das Theilen des
Allgemeinen das Urtheilen. Eben solche Funktionen des Geistes, wie des
leiblichen und anorganischen Körpers.
IX. Wie die
Sinnensphäre drei Stufen ihrer Bildung hat,
nämlich den äussern, den innern Sinn und die Vorstellung: so
hat auch die Verstandessphäre drei solche Fortschreitungen, welche
eben in jenen aussteigenden Begriffen liegen. Die Bedeutung dieser
aufsteigenden Begriffe ist die Entbindung des Geistigen von dem
Aeussern und die Erhebung zu einer eigenen selbstständigen
kosmischen Sphäre.
[36] Die Bedeutung der einzelnen Naturreiche ist sich zu entbinden von
dem Boden, auf dem sie wurzeln. Die Pflanzenkrone hat sich ihren
eigenen Ansatz, einen neuen Tellurismus bereitet, der erhaben über
die anorganische Sphäre der Repräsentant eines
selbstständigen Lebens ist. Das Thier hat sich von der
Pflanzenwelt entwunden, es trägt in sich selbst die Wurzel, die
durch Abdomen und Brust bis zum Cerebralgebilde aufsteigt. Jede
höhere Sphäre ist eine Entbindung zur eigenen
schöpferischen freien Darstellung. Und diese Bedeutung ist denn
auch in jener aufsteigenden Bildung der Begriffe. Sockel, Stamm,
Blüthe, concreter Begriff, abstrakter Begriff, Idee. Der concrete
Begriff haftet auf den sinnlichen Vorstellungen, wie der äussere
Sinn auf dem Objekte. Der abstrakte Begriff ist die Assimilation oder
die Chylifikation des Concreten zu einer höheren Sphäre des
Denkens, wie der innere Sinn eine solche Erhebung des Psychischen
über das Aeussere ist. Die Ideenwelt ist die Construktion der Welt
nach den Gesetzen des allgemeinen kosmischen Zusammenhangs. Die Idee
ist die in dem Bewußtseyn eintretende kosmische Sphäre.
Welcher Streit ist nicht über das a priori und a posteriori der
Begriffe geführt worden! Es ist eben, als wenn man darüber
streiten wollte, ob die Pflanze ein Apriorisches oder ein Empirisches
sey.
X. Der Verstand stellt
sich wie jede andere kosmische Sphäre unter
unendlichen Modifikationen dar.
[37] Jene Grundbegriffe des Verstandes haben verschiedene grössere
oder kleinere Umrisse, wie der Pflanzentypus entwickelter oder kleiner
sein kann. Der Begriff der Möglichkeit ist eine unendliche
Möglichkeit von kleinern oder grössern Kreisen. Die
Möglichkeit in den Gedanken eines Leibnitz ist unendlich, gegen
die Gedankenmöglichkeit eines Feuerländers; das Universum,
das sich der Mathematiker denkt, umfassender als das All des
ungebildeten beschränkten Verstandes. Doch wozu diese
Erläuterungen! Die psychische Sphäre des Verstandes ist eben
so an partielle Bildungen gebunden, wie die Pflanzenentwicklung an den
Typus des Vegetabilen. Jede einzelne Pflanze mag von ihrer
Pflanzenorganisation sprechen, jeder einzelne Verstand von seinem
Verstande! Was aber die Verstandessphäre und die Wahrheit ist,
kann nur durch die gesammte kosmische Sphäre desselben und durch
alle anderen kosmischen Sphären erfaßt und verstanden werden.
XI. Der Verstand als
Empfindungs=, Denk= und Willensvermögen.
Wie in dem organischen Naturreiche die einzelnen Kräfte und
Funktionen sich immer mehr sondern und in abgesonderten Systemen
erscheinen, so auch in der psychischen Sphäre. Empfinden, Denken
und Begehren lagen in der Sphäre des Sinns noch als Instinkt, es
waren Empfindungs=, Denk=, Begehrungstriebe; in der Region des
Verstandes sondern sie sich als einzelne Organe, und jedes dieser
psychischen Organe bekommt [38] nun seine eigenthümliche Funktion.
Der Verstand als solcher bezeichnet freilich die eigene Natur des
Denkens. Aber er bezeichnet zugleich die höhere Natur der ganzen
psychischen Region, die sich über die Sphäre des Sinns und
Vorstellens erhoben hat; und zu dieser Region gehört denn auch die
höhere Natur des Empfindens und Begehrens, die mit dem Verstande
unter denselben Principien der höheren Thätigkeit stehen.
Das Empfindungsvermögen dieser höheren Region nimmt die
Empfindungen, Affekte u. s. w. des Sinns als Stoff auf und bringt
diesen auf Gesetze einer höheren rhythmischen Freiheit. Dieser
Rhythmus heißt das Schöne.
Das eigentliche Denkvermögen nimmt die Vorstellungen und
Anschauungen des Sinnes als Stoff auf und bringt sie nicht minder auf
die Gesetze des höhern Rhythmus. Dieser Rhythmus in Bezug aus das
Denken heißt das Wahre.
Das Begehrungsvermögen oder der Wille dieser höheren Region
hat die Bestrebungen und Begehrungen der Sinnensphäre zum Stoff,
und durch die höhere Verbindung desselben erscheint der
höhere Rhythmus des Guten.
Das Gute, Wahre und Schöne sind die Darstellungen der allgemeinen
kosmischen Sphären. Dort will man aber das Wahre und Schöne
und so heißt es das Gute. [39] Der Verstand denkt das Gute und
Schöne und so heißt es das Wahre. Das Gute und Wahre ist
aber in Beziehung auf die Empfindung das Schöne.
Dieselbe Steigerung der Begriffe erscheint nicht minder in dem
Verstande wie in dem Guten und Schönen, und in diesen beiden nicht
minder wie dort. Das Gute ist die Alles in sich fassende freie
kosmische Sphäre des Willens, die sich von dem Einzelnen und
Vielen unterscheidet. Das Schöne ist die Alles in sich fassende
Harmonie der kosmischen Sphären. Das Wahre das kosmische Gesetz
der Welt selbst.
Das Gute, Wahre und Schöne sind die psychischen Weltorgane, die
sich aus den drei Grundkräften der Materie, Expansion,
Krystallisation und Contraktion bis zu der Sphäre des
Bewußtseyns heraufgebildet haben. Die Psyche denkt, fühlt,
will nun die ewigen Gesetze der kosmischen Verbindungen. Die Gesetze
der Natur haben sich nun bis zu den Sphären intellectueller
Naturen gesteigert. Der Wille des Verstandes siegt nun über die
einzelnen Momente der Affekte und sinnlichen Begehrungen, er will und
sucht das Weltganze. Das Empfindungsvermögen des Verstandes setzt
die einzelnen Empfindungen und Rührungen zu dem harmonischen
Ganzen der Natur zusammen, und das ästhetische Ideal ist das Ideal
der ganzen Natur selbst. Das Denken des Verstandes erhebt die einzelnen
Vorstellungen und Anschauungen zu jenen allgemeinen Weltgesetzen, aus
denen das Einzelne aller Naturen fließt, und das [40] Wahre ist
die gedachte und denkende Ordnung des Weltganzen selbst.
Empfinden, Denken, Wollen sind also die einzelnen Thätigkeiten
dieser höheren psychischen Sphäre. Jede dieser
Thätigkeiten bildet eine eigene Sphäre. Denn die Wurzel hat
sich getrennt in einzelne Organe, die nach der Luft und dem Lichte
streben.
XII.
Gefühls=Menschen, Verstandes=Menschen, Willens=Menschen.
Ueberwiegende einzelne Thätigkeiten jener getrennten Organe oder
Funktionen! Grosse weite Sphären psychischer Verschiedenheiten; so
wie diese Verschiedenheiten sich auch auf die höhern oder niedern
Thätigkeiten beziehen! Es gibt in der psychischen Natur wie in der
organischen eine ab= und aufsteigende Bildungsreihe. Die animale Natur
bildet sich zu dem Sinn hinauf, dieser zu dem Verstande. Aber so kann
auf das höhere Psychische in dem Instinkt des Sinns und noch
weiter abwärts in die Brutalität des Thiers versenken. In der
psychischen Natur ist nicht weniger wie in der organischen eine nothwendige Entwickelung der
Formen.
XIII. Die Freiheit des
Empfindens, Denkens, Wollens ist in der
Sphäre des Verstandes nur eine relative. Alles dieses sind, obwohl
psychische, doch Na=[41] turkräfte,
die noch nicht zur Stufe ihrer
höheren Entwicklung gekommen sind.
Der Verstand hat wie das Empfindungsvermögen seine verschiedenen
Modifikationen und Beschränkungen. Die Naturanlage des Verstandes
kann ja wohl ausgebildet werden. Aber es gibt eine Norm desselben, die
unabhängig von der Selbstmacht ist, und einzig und allein, wie das
Maaß einer jeden organischen Kraft, von der Natur abhängt.
Mag nun auch jeder Grad des Verstandes und jede Art des Empfindens in
sich selbst, in der Art und Weise, wie es gegeben ist, frei operiren
können, so ist das Gegebene doch nur Naturkraft und als solche
bedingt und ausser aller Selbstbestimmung. Man wird von dem Menschen,
der kein musikalisches Talent hat, unmöglich verlangen
können, daß er Tonkünstler werde; oder von dem
schwachen Verstande, daß er ein Newtonscher Geist werde. Das
heißt, diese Kräfte sind gebunden und mannigfaltigen Graden
der Wirksamkeit und Steigerung unterworfen. Nur den Willen — die
moralische Kraft nimmt man aus, sie soll über alles
Naturmaaß erhaben und absolut selbstbestimmend seyn. In sich
selbst ist freilich diese Kraft eben so frei wie der Verstand und das
Empfindungsvermögen, aber auch eben so gebunden, wie diese, in dem
Grade der Steigerung oder Thätigkeit. Es gibt eine Naturanlage des
moralischen Willens, der bei den besten Vorsätzen doch in der
Ausführung schwach ist; eine Naturanlage, wo der Wille in der
Entschließung und Ausführung stark aber sinnlich und animal
[42] bedingt ist. Welche tausendfältige Arten und Abarten der
moralischen Willenskraft, die unmittelbar in der psychischen Natur
liegen und die als solche nothwendige Bedingnisse der Freiheit und der
Natur sind! Der Moralphilosoph, der nach Einem Begriffe die Freiheit
postulirt und setzt, ist im Irrthum. Er kennt die Natur, die kosmische
Bedeutung der Kräfte nicht. Und derjenige gesetzgebende Theil der
Rechtskunde, der nach der gleichen Voraussetzung der menschlichen
Freiheit Beil und Strang auf Verbrechen setzt, ist blind gegen die
Allmacht der Natur, unter der auch der Mensch mit allen seinen
Kräften und seinem Willen steht. Er spricht das strenge Gesetz des
Todesurtheiles über sich selbst, indem er vielleicht nur einige
Augenblicke später nach eben dem Gesetze der Beschränkung
sündiget, nach welcher der Verbrecher Tod und Verheerung um sich
verbreitete.
Die Annahme, daß der Wille des Menschen absolut frei sey, wird
von der ganzen Natur widerlegt. Alles steigt nur stufenweise auf; und
es ist widersprechend, daß mit dem moralischen Willen des
Menschen das unbedingt freie Geisterreich anfange; widersprechend,
daß wenn der Wille des Menschen absolut frei wäre, er doch
mit Selbstbestimmung das Böse wählen könne. Der
moralische Wille ist die Stufe zur Freiheit, aber nicht die Freiheit
selbst. Die allgemeine kosmische Sphäre modificirt sich auch hier
in unzähligen einzelnen Typen. Und die niedere Natur des Lebens
und Sinnes hat auch aus die Entfaltung und Wirksamkeit des Willens eben
den Ein=[43]fluß, den die Wurzel auf das obere Pflanzenleben hat.
Mitten in dem psychischen Kreise des Willens liegen unzählige
Bestimmungen, welche die Freiheit eben so modificiren, wie die
organischen Kräfte an und durch sich selbst den Kreis der
Lebenssphäre verengen oder erweitern, abwärts oder
aufwärts ziehen.
XIV. Zwei
entgegengesetzte Richtungen bilden auch in dieser höhern
psychischen Region den Reflex des Allgemeinen und Einzelnen, das
Aufhören der Persönlichkeit — durch die Centrifugal= und
Centripetalkraft.
Der Typus aller Naturkräfte ist eine veränderliche
Grösse, die abwärts oder aufwärts steigt, in sich selbst
zerfällt und auf die eine oder die andere Seite der
Thätigkeiten überwiegend sich hinneigt; eine Grösse, die
dynamisch in sich selbst versinkt, die aber auch endlich entweder in
die allgemeinen kosmischen Thätigkeiten übergehet und sich
von ihrer eigenthümlichen Organisation entfremdet, oder auch, wie
es in der Sinnensphäre und auch in dieser höheren Region des
Verstandes der Fall ist, sich durch Invidualisirung so von den
allgemeinen Beziehungen zurückziehet, daß dort und hier das
Selbstbewußtseyn und die Persönlichkeit verschwindet. Auch
in der psychischen Region spielen die Naturkräfte der Anspannung
und Abspannung, der Expansion und Contraction eine grosse Rolle. Es
entspringen daraus so viele psychische Verschiedenheiten des gesunden
und kranken Zustandes; Lebensüberdruß, Hineilen aus der
Zeitlich=[44]keit der Beschränkung in das Unendliche, psychische
Vernichtung des Lebens aus jenem Ueberdruß, Selbstmord aus der
Ueberspannung der Kräfte des Empfindens, des Willens und Denkens —
sind unmittelbar als Schicksal, welches in der Region des höhern
Lebens waltet, in den psychischen Möglichkeiten selbst
gegründet. Den Menschen zieht es aufwärts oder abwärts.
Die Pflanze zerstäubt sich entweder durch Ueberfülle des
Saamens, oder sie verzehrt sich durch Kargheit und Hinfälligkeit
der Kräfte. In einer jeden psychischen Kraft des Menschen, wenn
sie nicht gehütet und gepflegt wird, wuchert daher der Tod auf
eine zwiefache Art. Das Uebermaaß im Willen, Empfinden und Denken
zieht zu dem Allgemeinen hin, und die Seele ist dann ein Opfer der
allgemeinen Elemente oder ihrer eigenen überspannten Regung. Auf
der anderen Seite droht Erschöpfung und psychischer
Ueberdruß dem Leben den Tod. Der Mensch ersehnt und
befördert oft seine eigene Auflösung. Selbstmacht,
Selbstbewußtseyn oder Persönlichkeit ruht nur auf dem
Indifferenzpunkte zwischen dem Allgemeinen und Einzelnen.
XV. Bewußtseyn
ist der eigenthümliche Ausdruck, die
Lebenskraft des psychischen Lebens selbst, — die Offenbarung des
Geisterreichs. Selbstbewußtseyn und Einheit des Bewußtseyns
ist die gegenseitige Beziehung zwischen Sinnen=, Verstandes und
Vernunftsphäre.
[45] Ein jedes Seyn durchläuft einen besondern Cyklus der Bildung
oder Entwicklung. Jedes Seyn fängt von einem relativ kleinsten
Punkte an, welcher die obere Sphäre mit der untern verbindet, und
endigt auch in einem solchen höchsten Punkte der Entfaltung, in
deren Umrisse sich dann wieder ein neuer Keim eines gesteigerten Lebens
ansetzt. Die Pflanze windet sich als Wurzel aus der Erde herauf ,
durchläuft mehrere Metamorphosen der wechselnden Zusammenziehung
und Ausdehnung, bis sie zu dem zusammengesetztesten Punkte der
Lebenssphäre gelangt, in welchem als auf einem eigenen freien
Fruchtboden ein neuer Keim des höhern Lebens, das Vorbild der
animalen Natur anfängt. Die Totalität dieser Entwickelungen
heißt Einheit. Und eine solche Totalität und Einheit bildet
auch den Stufengang der psychischen Metamorphose von der Sinnen= bis
zur Vernunftsphäre. Die Störungen dieses psychischen
Bildungsganges sind denn auch Störungen und Hemmungen des
Bewußtseyns, die nun mehr oder weniger partiell und momentan
auftreten können. Auch das psychische Leben schwebt beständig
zwischen Entwicklung und Nichtentwicklung. Es ist eine oscillirende
Kraft, die sich bald hebt, bald sinket. Die Beziehung zwischen jenen
drei Sphären, welche das psychische Leben bilden, ist die Einheit
und Möglichkeit des Selbstbewußtseyns. Je nachdem eine
dieser Sphären stärker und mit mehr Lebenskraft hervortritt,
ist auch das Bewußtseyn entweder von der sinnlichen oder
intellectuellen Seite stärker und seiner selbst mächtiger.
Die sogenannte Gegenwart des Geistes ist ja nichts anders, [46] als die
grössere Stärke dieser psychischen Lebenskraft. In der Mitte
des Lebens ist diese Lebenskraft und dieses Bewußtseyn am
stärksten und vollkommensten. Im Anfange des Lebens haben sich die
Sphären noch nicht entwickelt. Der Sinn hängt noch wie die
Wurzel am Erdboden. Ueber die Mitte des Lebens hinaus trennen sich die
Sphären wieder, die Wurzel stirbt ab, und ein neues Leben setzt
sich an zur neuen Entwicklung.
Das Bewußtseyn ist aber entweder das allgemeine oder einzelne.
Das einzelne Bewußtseyn ist eben das Bewußtseyn der
Persönlichkeit, wie sich jede pflanzliche oder animale Lebenskraft
individuell anders organisirt. Diese einzelne Organisation hängt
aber auch mit der allgemeinen kosmischen Sphäre zusammen. Diese
allgemeine Sphäre stellt sich in einer unendlichen Zahl von Typen
dar. So schwebt nun auch über das einzelne Bewußtseyn ein
allgemeines. Das Geisterreich stellt sich hier in seiner weitern offnen
Sphäre dar, und der Mensch ist nun mit allen seinen Ideen,
Empfindungen und Willensbestimmungen ein Ausfluß — eine
Bestimmung des Allgemeinen selbst. In der ersten Entstehung hängen
alle psychischen Regungen von dem Allgemeinen ab. Der Mensch weiß
von seinen meisten Ideen, Empfindungen und Willensakten den Ursprung
nicht anzugeben. In der Begeisttrung, in der höchsten Andacht wie
in der Nothwendigkeit ist der Mensch das Instrument des Allgemeinen.
Die allgemeine kosmische Sphäre spielt dann in dem Menschen, nicht
der Mensch selbst.
[47] XVI. Einbildungskraft ist
die grosse schöpferische Natur, das
Grundvermögen alles Daseyns und dieses Daseyn selbst in seinem
Schöpfungsakte.
Was ist wirklicher und verwirklichender als dieses Vermögen,
welches man bisher unter die idealen, zufälligen Kräfte der
Natur gezählt hat! Es durchströmt die ganze Natur,
erhält aber nach den verschiedenen Gestaltungen der Naturreiche
auch verschiedene Namen. Krystallisation, Organisation, Produktion oder
Generation — sind dieses nicht Theile oder Kräfte des bildenden,
einbildenden Vermögens? Der erste Grund aller Ideen, höheren
Empfindungen und thätigen Willensakte ist die Einbildungskraft;
ohne diese schafft das Denken nichts, ohne diese bleiben alle
Gefühle stumm, und ohne sie die besten Bestrebungen ohne jene
Wärme und jenes Feuer, das den Willen über alle
Schwierigkeiten in Ausübung setzt. Durch sie tönt der
Rhythmus der Musik, durch sie spricht das freiere Spiel der Gedanken,
durch sie wandelt sich Materie in Geist und Geist in Materie. — Ideales
und Reales gegenseitig eins in das andere eingebildet! Die Phantasie
ist die Geschäftigkeit der Sinnensphäre, die Einbildungskraft
die höhere Gabe der intellektuellen Kräfte. Rede oder Sprache
ist ihr Produkt. Sie bildet sich und die ganze geistige und
körperliche Welt in dieses Organ der Geistesmittheilung und der
höheren Verwandtschaft ein.
Und hier kommen wir dann überhaupt auf die innere und wesentliche
Bedeutung aller der Kräfte, welche [48] die psychische Sphäre
bilden. — Ob sie blos Bildungen in Nichts oder eben solche bedingende
und bestimmende reelle Kräfte sind, wie die der materiellen und
organischen Natur? Hat man die Bedeutung, was die kosmischen
Sphären, wie sie der Ausdruck und die Darstellung des Unendlichen,
daß sie aufsteigende Potenzirungen oder endlich zum
Bewußtseyn kommende und in dasselbe als eine höhere
kosmische Sphäre sich einbildende Weltgesetze und
Welterscheinungen sind, so wird wohl der Unterschied und die Trennung,
welche man bisher zwischen Seele und Körper, zwischen Geist und
der Aussenwelt machte, hinwegfallen, und ihre gegenseitige Verbindung
und Einwirkung klar am Tage seyn. Wenn die elementaren Theile der
Materie einwirken auf das Organische, wenn das Organische einwirkt auf
das Psychische, wie und warum soll das Psychische, warum sollen Wille,
Gedanke, Empfindung nicht eben solche reale schaffende Potenzeen seyn
können für die Aussenwelt? Der Wille als Wille wirkt auf die
Körperwelt ein, es gibt einen unsichtbaren Uebergang dieser realen
Influenz. Und wenn die Einbildung ihr bildnerisches Werk der Kunst in
dem Grade verlebendigen kann, daß die Idee fast ohne
Bewußtseyn des Künstlers in die Realität der Aussenwelt
tritt, daß sie Bild — Tonstück — Statur wird, so sehe ich
dann nichts Fremdartiges oder Mystisches in derjenigen Stärke und
Verlebendigung der psychischen Kräfte, wo ihre Regungen oder die
Persönlichkeit des Ich, objectivirend, geistig einwirkend und
versinnbildend, sich darstellen als realer Ausfluß und unbekannte
weithin wirkende Korrespon=[49]denz des menschlichen Geistes. Sollte
das reale Schaffen und Bilden abgeschlossen seyn mit der organischen
Natur? Sollte nicht ein höheres reales kosmisches
Bildungsvermögen nützlich seyn dem Willen als reiner
psychischen Kraft, dem Gedanken als solchem, dem Gefühl als
solchem? Hat doch schon die organische Welt ihre entfernten, fast
unsichtbaren Gebilde in den Uebergängen von Wirkungen
contagiöser, ergreifender Natur. Und die psychischen Wirkungen,
welche man an dem weithin sehenden Auge der Somnambule, von dem
einwirkenden Gedanken des Magnetiseurs, von den verschiedenen Arten
geheimer Künste und Zaubereien erzählt, sollte alles nur
Aberglaube und Unmöglichkeit seyn? Wenigstens finde ich diese
Unmöglichkeit nicht in der fortschreitenden Natur zu immer neuen
Entwicklungen, in den Kräften und der Macht der Seele
gegründet.
Und gehen wir mit dieser Möglichkeit und Wahrheit und
Wahrscheinlichkeit des unverlierbaren und sich immer mehr
ermächtigenden Bildungsvermögens der Seele hinaus bis dahin,
wo alle Erscheinungen aufzuhören scheinen, wo das Gefild des Todes
unmittelbar an das Leben gränzt, oder die Seele mit einmal der
Erde entnommen und der Unsterblichkeit zugeführt werden soll, so
fragt sich auch hier wieder nach den ewigen Bildungsgesetzen des
Geistes, — wie und was sich von der entschwingenden Seele weiter und
ferner in die Erscheinungswelt einbildet, und ob auch das nicht
vielleicht, was man von den Erscheinungen von Jenseits sagt, mehr als
Aberglauben, sondern eben die sich eröffnende Welt einer [50]
höheren Entwicklung sey. Die kosmischen Sphären bilden sich
in Ewigkeit fort und das Bildungsgesetz dieser Sphären ist ja eben
die schaffende Einbildungskraft, die fast nicht eher zum
Bewußtseyn des Menschen kommt, als bis sie ihr Werk ausgebildet
und das Kind zur Welt geboren hat. Daß der Mensch oder die Seele
mehr ist, als was in dem Umrisse und der Kenntniß seiner
Persönlichkeit liegt, daß sich in ihm selbst noch unbekannte
höhere und allgemeinere Sphären schwingen; davon liegt der
Beweis ja selbst in dem Bewußtseyn, welches von Jenseits und
Diesseits ist.
XVII. Das Gebild des
psychischen Lebens ist mit der
Verstandessphäre nicht geschlossen. In der ganzen Natur ist die
Stufe der Entwicklung dreifach. — Ueber die Verstandessphäre
hinaus waltet eine höhere und zusammengesetztere Umfassung — die
Vernunftsphäre, die Beziehung aller kosmischen Sphären auf
den alldenkenden Geist als die absolute Sphäre eines jeden Daseyns.
Der Verstand zieht den Stoff seiner Thätigkeit aus der
unmittelbaren Anschauung, er ist die mittlere Sphäre des Lebens,
welche sich aus der Wurzel, aus der Sinnensphäre heraufgebildet
hat. Die kosmischen Gesetze sind auch seine Gesetze. Was in der
Sinnensphäre nach sinnlichen Gesetzen verbunden ist, wird nun
verbunden nach denselben Gesetzen der Intellektualität mit
Voraus=[51]sicht und Ueberlegung, d. h. nach bedingten endlichen
Zwecken Die organische und unorganische Entwicklung geschieht, wie man
sagt, auf eine blinde oder unbewußte Weise, die Wurzel dringt
nach dem Stamm, der Stamm nach der Blüthe. Es ist hier noch keine
bewußte Reihenfolge von Ursachen und Wirkungen.. So hat sich
diese Nothwendigkeit der Reihenfolge entwickelt in der psychischen
Sphäre des Verstandes bis zu dem Verstehen und Handlen nach
Zwecken. Die ganze Reihenfolge der Zwecke ist die nothwendige
Entwicklung und Organisation des Verstandes. Was sinnlich geschieht,
wird nun nach den Gesetzen des Bewußtseyns erkannt. Aber diese
Reihenfolge ist immer noch bedingt. Einzelne Zwecke, einzelne
Instrumente, die sinnliche Erkenntniß handelt nur auf dem Boden
der Erfahrung, und die Erfahrung ist die niedere Vegetationsstufe des
Lebens. Ueber den Stamm hinaus kommt eine höhere Sphäre zur
Blüthe, sie verwandelt das Niedere zu einer zusammengesetzteren
Ansicht. Alles Niedere verklärt sich oben zu dem lichtesten und
erfülltesten Daseyn. Nehmen wir dieses analoge Bild und tragen es
auf die Vernunft über!
XVIII. Die Vernunft
ist das Organ der höheren Welt — das
unmittelbare Anschauungs=, Empfindungs= und Willensorgan des
höchsten Wesens. Das göttliche Princip offenbaret sich hier
durch sich selbst.
[52] Die Vernunft ist nicht Schlußvermögen, wie es
gewöhnlich in der Logik erklärt wird. Schliessen ist die
Sache des Verstandes nach den in ihr bestehenden Sphären von
Begriffen. Die Vernunft ist das unmittelbare
Erkenntnißvermögen, welches über alle Begriffe
hinausliegt und die unmittelbare Gewißheit und Ueberzeugung mit
sich selbst führt. Unmittelbar ist überhaupt alles, was in
der Welt ist. Unmittelbar ist die sinnliche Anschauung, unmittelbar die
Verstandeserkenntniß und auch unmittelbar die
Vernunfterkenntniß. Diese Unmittelbarkeit bezieht sich aber immer
nur auf eine ihr eigenthümliche Sphäre. Die Anschauung nimmt
unmittelbar wahr, der Verstand hat seine unmittelbare Erkenntniß
und die Vernunft nicht weniger ihr eigenes und höchstes Princip
der Ueberzeugung. Alle niedern Sphären versammeln sich in der
höchsten, sie gedeihen hier zur reinsten und vollkommensten
Anschauung, zur reinsten und vollkommensten Erkenntniß. Alles
Aeussere hat sich in das Innere verwandelt, und die Welt nur das
Bewußtseyn von Gott und allen auf denselben sich beziehenden
Zwecken.
XIX. Die Vernunft ist
Empfindungs=, Erkenntniß= und Willensorgan
in der höchsten und innigsten Bedeutung. Die Empfindung wird das
Heilige, die Erkenntniß das Göttliche, der Wille wird der
Friede und die Ruhe in ewiger Liebe.
[53] So hat die Geschichte der Menschheit drei Stufen und Epochen ihrer
Bildung — die tellure, die
intellectuelle,
die religiöse. Der
Mensch breitet sich über die Erde aus; er macht seine
Verstandeszwecke geltend; er lebt in dem Reiche Gottes. Staat, Schule
Kirche sind die drei Repräsentanten der drei in dem Menschenthum
hervortreibenden Organisationen oder Entwicklungen.
XX. Alles in der Natur
ist ein Fortschreiten; die Natur selbst ist
ewig. Die unendlichen Darstellungen des Unendlichen. Die Vernunft ist
das Organ zur höheren Entwicklung. Der Mensch stirbt der Erdenwelt
ab. — Alle Psyche wandelt hinüber zu einem neuen Reiche.
So schließt sich meine Ueberzeugung von dem Daseyn — von der
psychischen Bedeutung und Entwicklung des Menschen. In der Vernunft
liegt das Saamenkorn zur Ewigkeit. Das Geisterreich — die Sphäre
des Bewußtseyns entfaltet sich immer herrlicher und herrlicher!
(Die Fortsetzung
folgt)
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